Die Red Hot Chili Peppers zählen zu den erfolgreichsten Vertretern des Alternative Rock und begeistern seit nunmehr 40 Jahren mit ihren Songs Fans aus der ganzen Welt. Doch wie kamen die vier Kalifornier überhaupt zu ihrem »scharfen« Bandnamen? Warum war gemeinsames Meditieren die Lösung gegen bandinterne Konflikte? Und wieso spielte die Band 1997 bei einem Konzert in Japan nur acht Songs?
Die Red Hot Chili Peppers haben seit ihrer Gründung 1983 zahlreiche Höhen und Tiefen durchlebt. Alles über die verrücktesten Zwischenfälle, größten Skandale und beliebtesten Hits der Kultband hat Paul Christoph Gäbler in diesem anekdotenreichen Buch zusammengetragen.
Die 120 Seiten im Hardcover lesen sich sehr kurzweilig und sind so gegliedert, dass man das Buch in kleinen Häppchen konsumieren kann. Leider tragen die Kapitelüberschriften in englischer Sprache nicht dazu bei, anhand der Gliederung eine bestimmte Anekdote zu finden. Auch hätten ein paar Illustrationen dem Buch ganz gut getan – die sind aber Fehlanzeige. Allerdings ist der Preis mit 10 Euro absolut unschlagbar. Für Fans und Rock-Interessierte.
Zum Autor:
Paul Christoph Gäbler wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren und war eigentlich mal Schauspieler. Nach Rollen als Neonazi, Strichjunge und Fußballtorwart sehnte er sich nach einem normalen Leben, studierte Geschichte, Politik und Soziologie in Berlin und arbeitet seitdem als freier Journalist, Podcaster und Fotograf unter anderem für die »FAZ«, die »NZZ« und den »Tagesspiegel«.
Die Red Hot Chili Peppers sind zurück! Sechs Jahre nach „The Getaway“ haben die Kalifornier ihr neues, insgesamt zwölftes Studioalbum „Unlimited Love“ [Warner Records] für den 1. April 2022 angekündigt. Wie inzwischen auch der Letzte mitbekommen haben dürfte, feiert Gitarrist John Frusciante seine Rückkehr in die Band und ist erstmals seit 2006 wieder auf einem RHCP-Album zu hören, außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Rick Rubin, langjähriger Wegebegleiter der Band und erstmals seit „I’m with You“ (2011) wieder in der Rolle des Produzenten involviert. Einen ersten Vorgeschmack auf das neue Album gibt es heute in Form der Single „Black Summer“, die von einem Musikvideo begleitet wird. Das Album Unlimited Love kann ab sofort vorbestellt und vorgemerkt werden.
„Wir haben nur ein einziges Ziel: uns in der Musik zu verlieren. Wir (John, Anthony, Chad und Flea) haben Tausende von Stunden damit zugebracht, unser Handwerk zu verfeinern – gemeinsam und jeder für sich – und füreinander da zu sein, um das beste Album zu machen, zu dem wir fähig sind. Unsere Antennen auf den göttlichen Kosmos ausgerichtet, waren wir einfach so verdammt dankbar für die Möglichkeit, zusammen in einem Raum zu sein und wieder einmal alles daran zu setzen, noch besser zu werden. Wir verbrachten Tage, Wochen und Monate damit, einander zuzuhören, zu komponieren, drauf los zu jammen und die Ergebnisse dieser Jams mit großer Sorgfalt und Zielstrebigkeit zu arrangieren. Die Sounds, Rhythmen, Schwingungen, Worte und Melodien haben uns hellauf begeistert.
Wir verspüren den dringenden Wunsch, ein leuchtendes Beispiel für die Welt zu sein, die Leute zu beflügeln, miteinander zu verbinden und zusammenzubringen. Jeder Song auf diesem Album zeigt eine andere Facette von uns und spiegelt unseren Blick auf das Universum wider. Das ist unsere Lebensaufgabe. Wir arbeiten, bereiten uns vor und bleiben fokussiert, damit wir bereit für den Ritt sind, wenn die größte Welle kommt. Der Ozean uns eine gewaltige Welle geschenkt und dieses Album ist der Ritt, auf den wir unser gesamtes Leben gewartet haben. Danke fürs Zuhören, wir hoffen, ihr habt viel Freude daran.“
Im Lead-Track „Black Summer“ treffen introspektive Lyrics auf gleißende Gitarrenklänge, einen hypnotischen Schlagzeug-Groove und satte Bassläufe. Der Song atmet leise ein, um dann mit dem gewaltigen Refrain „It’s been a long time since I made a new friend, waiting on another black summer to end“ auszuatmen, gefolgt von einem Gitarrensolo, das mindestens bis zur Himmelspforte und wieder zurück schallt. Für das Musikvideo tat sich die Band mit der renommierten Regisseurin Deborah Chow („The Mandalorian“, „Obi-Wan Kenobi“ / Disney+) zusammen. Das Video setzt eine beliebte Tradition der Band fort, packende cineastische Visuals mit einem überraschenden Twist zu versehen.
Eine geliebte Tradition anderer Art stellt die Zusammenarbeit mit Rick Rubin [Johnny Cash, Adele] dar, mit dem die Chili Peppers über die letzten drei Jahrzehnte an Alben wie dem US-Diamond-ausgezeichneten Blood Sugar Sex Magik (1991), Californication (1999), By The Way (2002), Stadium Arcadium (2006) und eben I’m with You (2011) arbeiteten.
Kaum in Worte zu fassen ist einmal mehr das Zusammenspiel der Band, „intergalaktisch“ trifft es vielleicht einigermaßen. Auf Unlimited Love stoßen die Red Hot Chili Peppers in völlig neue Stratosphären vor. Es ist der vereinte Geist vier unterschiedlicher Seelen, die weiterhin furchtlos die Zukunft ihrer ewig währenden Freundschaft und musikalischen Gemeinschaft erkunden.
In „Here Ever After“ zieht uns eine Stakkato-Basslinie in ein rhythmisches Wurmloch. Dort angekommen, verheißt uns die Hook: „She’s the kinda girl that make you wanna go faster now“. Von den wild miteinander rangelnden Bläsern und ungestümen Bassläufen in „Aquatic Mouth Dance“ bis zu den poetischen Traumwelten der emotional entwaffnenden Ballade „Not The One“ nimmt das Album vergnügt eine überraschende Abbiegung nach der anderen. In „Poster Child“ wabert ein Wah-Pedal über ein funky Riff in Richtung eines glückseligen Refrains, „The Great Apes“ setzt derweil zum Vorwärtssprint an, um einen dringenden Weckruf zu überbringen. Beim anschließenden „It’s Only Natural“ gleiten wir über die Dauer von nahezu sechs Minuten über einen Klangteppich aus hypnotischen Harmonien und magnetischen Grooves, bevor uns der geschmeidige Funk von „She’s A Lover“ mit seinem Mitsing-Refrain in Richtung Dancefloor schickt. „These Are The Ways“ liefert ebenfalls Katharsis in Songform, hier allerdings mit sanfteren Melodien.
Damit sind wir bei Track 10 von 17 angekommen, „Whatchu Thinkin’“, einem Kopfnicker von einem Song, in dem der Gesang mit dem Tempo des Stückes Schritt hält und es der Gitarre Frusciantes zukommt, den Refrain zu zünden. Ein analoger Synthie-Chor prägt das Intro von „Bastards of Light“, in „White Braids & Pillow Chair” trägt uns sein himmlisches Crescendo bis zu den Wolken und „One Way Traffic“ lässt über ein luftiges Zusammentreffen von Bass und Schlagzeug den Funk zum Fenster herein. Für „Veronica“ verlassen wir das sonnige Los Angeles und tauchen mit der Titelfigur in die South Side von Chicago ein, wo sich eine fast filmische Geschichte abspielt. In „Let ‘Em Cry“ setzen Trompeten gezielte Nadelstiche, bevor alles auf ein emotionsgeladenes Gitarrensolo zusteuert. „The Heavy Burst“ schwört uns mit Verzerrerklängen und intensivem Gesang noch einmal aufeinander ein, bevor wir mit „Tangelo“ auf die Zielgerade kommen. Das Album entlässt uns mit sanften Gitarrenklängen und gefühlvollem Gesang – ein Wiegenlied wie aus einer anderen Welt, das uns gleichermaßen vibrierend vor Leben und verletzlich zurücklässt. Unten gibt es das komplette Tracklisting.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Diesen Sommer begeben sich die Red Hot Chili Peppers mit ihrem neuen Album „Unlimited Love“ auf internationale Tournee. Entlang des Weges leistet ihnen eine bunte Schar von Gästen Gesellschaft, darunter Anderson .Paak & The Free Nationals, A$AP Rocky, Beck, HAIM, King Princess, St. Vincent, The Strokes und Thundercat. Hierzulande stehen Konzerte in Köln (05.07., RheinEnergieStadion) und Hamburg (12.07., Volksparkstadion) auf dem Programm. Die vollständige Reiseroute und Tickets gibt es HIER.
Die Red Hot Chili Peppers machen sich bereit, uns 2022 Unlimited Love zu geben.
Nach Erscheinen von „Blood Sugar Sex Magik“ (1991) waren die Red Hot Chili Peppers auf dem ersten Höhepunkt ihrer Karriere – und mussten eine große Krise bewältigen. John Frusciante stieg erstmals aus, da er mit dem großen Erfolg und den steigenden Zuschauermassen nicht klar kam. Man fand lange keinen passenden Gitarristen, was vermutlich ausschlaggebend für die lange Pause bis zum Album „One Hot Minute“ (1995) war.
Nichtsdestotrotz fand 1994 ein legendärer Auftritt auf dem Woodstock Festival statt, den sie fünf Jahre später nochmal toppen konnten. Hier findet sich nun eine FM-Radio Übertragung von Woodstock 1994, welcher die Band zu massivem internationalen Erfolg katapultierte. Der Set steigert sich bis zur Liveversion von „Under The Bridge“. Eine qualitativ sehr gute Aufnahme mit einer Länge von knapp 75 Minuten.
Fünf Jahre haben sich die Red Hot Chili Peppers für ihr neues Werk Zeit gelassen und die kalifornische Sonne genossen. Doch das elfte Album „The Getaway“ ist sicher keine leichte Kost. Längst hat sich das Quartett von den Vorzeige-Alternative-Rockern zu einer durch und durch progressiven Band entwickelt, die ihren Hörern einen fantastischen Stilmix mit Elementen unterschiedlichster Genres bietet.
Erstmals seit 25 Jahren ist nicht Rick Rubin Produzent, sondern Danger Mouse (u.a. The Black Keys, Beck, Gorillaz). Das Mixing übernahm mit Radioheads langjährigem Stammproduzenten Nigel Godrich ebenfalls ein nicht ganz Unbekannter. In einem Interview mit dem Q Magazine kommentierte Bassist Flea unlängst: „Wir bewegen uns in eine neue Ära und wir sind wirklich begeistert.“ Fronter Anthony Kiedis sagt dazu: „Ich mag dieses Album mehr als alles, was wir nach ‘Californication‘ gemacht haben.“ Und für Chad Smith ist es „der Beginn einer neuen Ära“. Große Worte, die man durchaus nachvollziehen kann. Die Tracks warten mit einigen Wendungen auf und es geht munter durch Funk und Rock bis hin zu wirklich sphärischen Passagen. Einige Synthie-Einlagen erinnern durchaus an den Progressive Rock der 80er Jahre. Eine spannende Herangehensweise.
Der Anfang mit dem Titeltrack und der ersten Single „Dark Necessities“ ist sehr melodisch. „The Longest Wave“ und „Goodbye Angels“ bringen viel Dramatik mit sich. „Go Robot“ schielt in Richtung Discosound, „Detroit“ hat den Blues in sich. „This Ticonderoga“ kommt mit harten Gitarren aus den Boxen und „The Hunter“ bietet pure Melancholie. Diese unterschiedliche Herangehensweise an die einzelnen Songs stört den homogenen Charakter eines Albums. Das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt. Trotzdem kann man es gut am Stück hören und sich an der Ideenvielfalt erfreuen. Insgesamt ist „The Getaway“ ein solides Album, das eine Kreativität mit sich bringt, die man den RHCP nach 33 Jahren gar nicht mehr zugetraut hätte.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Es hat sich was geändert bei der Blassportgruppe (kurz: BSG). Zunächst einmal hat man den Zusatz “Südwest” aus dem Namen gestrichen, dann gibt es mit Patrick Kukwa einen neuen Vokalisten, der bei allen Stücken mitwirkt, und man konzentriert sich wieder auf Coverversionen anstatt eigene Stücke zu schreiben.
Geblieben ist aber die mitreißende Musik der zehnköpfigen Truppe. Stilistisch lehnt man sich deutlich an die marschierenden Bands aus New Orleans an. So gibt es auch keine herkömmliche Volksmusik, sondern ein im Jazz und Punk verankertes Songgerüst zu hören. Und für das neue Album “Back In Blech” ist der Sound noch um einiges rockiger geworden. Kein Wunder – wenn man den Titel beim erfolgreichsten Hardrockalbum der Geschichte entlehnt.
Was die Blassportgruppe ausmacht, sind diesmal ganz klar die originellen Texte, die man für die Coversongs geschrieben hat. Jessie Js “Domino” heißt jetzt “Sowieso” und ist quasi eine Art selbstironisches Bewerbungsschreiben der Band. Mit der Erläuterung, warum sie nicht im Radio gespielt werden, verbinden die Musiker eine Zusammenschau ihrer größten Stärken – bis hin zum ausufernden Instrumentalpart.
Überhaupt sagen mir die Arrangements von Felix Fromm sehr zu. Sie lassen jeden Song auch instrumental hervorragend funktionieren. “Give It Away” von den Red Hot Chili Peppers und Soundgardens “Black Hole Sun”, beide mit Originaltext vorgetragen – ganz groß im Bläserstil! Ich bin nun wahrlich kein großer Fan von Blasmusik, doch hier wird hohe Kunst weit abseits des Musikantenstadls geboten.
Die Comedy-Texte sind das Sahnehäubchen des Programms. Zu “Crosstown Traffic” von Jimi Hendrix singt man vom obercoolen “Muttersöhnchen”, ein Backstreet Boys-Medley begleitet den Bewegungslegastheniker “Körperklaus” und Tears for Fears erklingen neuerdings “Laut” (“Shout”). Oft dauert es einige Zeit, bis man das Original erkennt. Ganz einfach ist es aber bei meinem Lieblingstitel des Albums: “Feuerwerk”, das im euphorischen Stil von Katy Perry ordentlich abgeht. Und der rockige Höhepunkt ist “Jenny” mit Versatzstücken von AC/DCs “Whole Lotta Rosie”.
Die BSG legt in ihren zehn neuen Stücken ein harmonisches Powerplay an den Tag. Das macht Laune und könnte auch Menschen für Blasmusik begeistern, die sonst einen hohen Bogen um das heimische Festzelt machen (vor allem im Oktober).
Mit “Sound City” feiert Grammy-Preisträger Dave Grohl, der mit den Foo Fighters und Nirvana in den vergangenen zwanzig Jahren Musikgeschichte geschrieben hat, sein Debüt als Regisseur. Es ist die Dokumentation über eines der legendärsten Studios der Vereinigten Staaten. Wer sich nun fragt, was daran spannend sein soll, der sollte einfach mal einen Blick auf die Liste der Künstler werfen, die dort zwischen 1969 und 2011 zum Teil wegweisende Alben aufnahmen: Tom Petty & The Heartbreakers, Fleetwood Mac, Neil Young, Cheap Trick, Red Hot Chili Peppers, Rob Halford, Kansas, Guns N’Roses, Pat Benatar, Foreigner, Slayer, REO Speedwagon, Kyuss, Weezer und und und… Das Besondere: In Sound City, das in Van Nuys, einem Stadtteil von Los Angeles beheimatet war, wurde bis zum Schluß analog aufgenommen. Das Studio besaß eines von weltweit vier in Handarbeit hergestellten Neve 8028-Mischpulten, für viele das Kronjuwel des analogen Studio-Equipments.
Auf die Idee für seinen Film kam Dave Grohl, als er eben diese Neve-Konsole im November 2011 kaufte und in sein eigenes Studio 606 verpflanzen ließ. 1972 hatten die beiden Sound City-Besitzer Tom Skeeter und der 1992 verstorbene Joe Gottfried dafür exakt 75.175 $ bezahlt. “Es sah aus wie ein altes Modell des Raumschiff Enterprise auf Anabolika”, erinnert sich Neil Young an das Meer aus Knöpfen, Kabeln und Reglern. Nach der Premiere auf dem Sundance Film Festival am 18. Januar erscheint “Sound City” jetzt als DVD und BluRay.
Nach einer genialen Eingangsszene aus dem Foo Fighters-Studio (man beachte das Ölgemälde an der Wand!) tauchen wir ein in die beeindruckende Geschichte von Sound City. Glaubt man den beteiligten Musikern, so war es nicht nur das legendärste, sondern auch das versiffteste Studio in den USA. “Man konnte dort eine Platte aufnehmen und wenn man fünfzehn Jahre später wiederkam, sah alles noch genauso aus wie beim letzten Mal”, sagt Shivaun O’Brien, die von 1991 bis 2011 in Van Nuys als Studio-Managerin arbeitete. Aber egal, wen Dave Grohl für seinen Film interviewt hat – Rick Rubin, Josh Homme, Nick Raskulinecz, Trent Reznor, Butch Vig oder Robert Neve himself, dem er dämlich grinsend gegenübersitzt -, sie alle sprechen mit grossem Respekt und tiefer Zuneigung von Sound City. Darin liegt die eigentliche Intention der Doku: Die Suche nach der Menschlichkeit hinter der Technik. Wie schafft man es, dass Musik nach Menschen klingt? Dass sie eine Seele hat? Shivaun O’Brien bringt es auf den Punkt: “Sound City war ein Ort, an dem echte Männer Platten machten”.
Dafür hat Dave Grohl tief in den Archiven gewühlt. Mit Buckingham Nicks, aus denen später Fleetwood Mac wurden, und “Crying In The Nights” fing es an. Ihnen folgten zahllose weitere Alben, die die Welt veränderten. Für einige, etwa für Rick Springfield, entwickelte sich die Sound City-Crew gar zu einer Art Ersatzfamilie. Als in den 80er Jahren die CD eingeführt wurde und mit ihr der Siegeszug der digitalen Technik begann, konnte Sound City jedoch nicht mehr mithalten. Bis 1991 Nirvana auftauchten und dort “Nevermind” aufnahmen, jenes bahnbrechende Album, das sich schließlich über 30 Millionen Mal verkaufen sollte und – wie Butch Vig nebenbei verrät – lächerliche 60.000 $ kostete. Ohne diese Platte hätte das Studio nicht überlebt. Frank Black, Rage Against The Machine, Johnny Cash oder die Queens Of The Stone Age entdeckten Sound City anschließend neu. Trotzdem war es irgendwann finanziell am Ende. Der endgültige Todesstoß hieß letztlich “Pro Tools”, ein Programm, das es jedem noch so minderbemittelten Musiker ermöglichte Musik (oder was man dafür hielt) am heimischen Computer aufzunehmen. Dennoch verteufelt der Film die digitale Technik nicht. Josh Homme fasst es so zusammen: “Für manche Dinge ist das Internet klasse. Aber wie mit so vielem, ist es kein Ersatz für echte Buchhandlungen, Plattenläden oder Sound City”.
Die Geschichte von Sound City zu erzählen, ist die eine Sache. Die Instrumente tatsächlich nochmal einzustöpseln, sie mit dem Neve-Pult zu verkabeln und wieder auf Zwei-Zoll-Band aufzunehmen, die andere. Genau das tat Dave Grohl mit vielen der alten und neuen Recken, von Stevie Nicks, Black Rebel Motorcycle Club über Slipknot, Rage Against The Machine oder den Foo Fighters bis hin zum auch mit 63 Jahren noch völlig durchgeknallten Lee Ving. Elf der dabei exklusiv für diesen Film entstandenen Songs sind übrigens auf dem bereits vor zwei Wochen veröffentlichten Soundtrack zu finden (dessen Review gibt es hier). Man sieht und hört ihnen den immensen Spaß, die Begeisterung und vor allem den Stolz an, den die Musiker bei den Aufnahmen hatten. Sogar Dave Grohl erstarrt fast in Ehrfurcht, als Paul McCartney sein Studio betritt. Der Zuschauer hat das Gefühl, als würde er daneben stehen und ihnen über die Schulter schauen.
“Sound City” ist mehr als die bloße Hommage an ein Studio. Es ist eine fesselnde Dokumentation über Handwerk, Integrität und Leidenschaft sowie das Plädoyer für eine Musik, die handgemacht ist. Dave Grohl hat der Neve 8028-Konsole damit ein Denkmal gesetzt und ihren besonderen Zauber in 108 Minuten Film verewigt. Sie ist zweifellos ein wichtiger Teil der Rock’n’Roll-Geschichte. Man erlebt hautnah, mit wieviel Herzblut alle, die jemals dort arbeiteten, an ihr und “ihrem” Studio hingen und bis heute hängen. Oder um es mit Tom Petty auszudrücken: “Es war als würde man einen Blitz in eine Flasche packen”.
Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl ist unter die Regisseure gegangen. Der Mann hat ja auch sonst nix zu tun. Darum hat er neben dem Video zur neuen Soundgarden-Single „By Crooked Steps” direkt mal einen kompletten Film produziert. „Sound City” ist die Dokumentation über das gleichnamige Studio in Van Nuys, einem Stadtteil von Los Angeles. Es gilt als eines der legendärsten seiner Art in den Vereinigten Staaten und gab schon vielen Musikern ein Zuhause. Cheap Trick, Neil Young, Rage Against The Machine, Metallica, die Red Hot Chili Peppers oder Tom Petty (um nur einige wenige zu nennen) nahmen dort zum Teil wegweisende Alben auf.
Die Idee für seinen Film kam Grohl, als er im vergangenen Jahr das 1972 speziell angefertigte Neve 8028-Mischpult des Sound City Studios kaufte, für viele bis heute das Kronjuwel des analogen Studio-Equipments. 1991 nahm er damit selbst noch Nirvana’s „Nevermind” auf. Und weil er seit der Veröffentlichung des letzten Foo Fighters-Albums „Wasting Light” ohnehin in blendender Stimmung war, was die analoge Technik betrifft, beschloss er, neben dem Film auch einen Soundtrack aufzunehmen. Dieser erscheint nun unter dem Titel „Real To Reel”. Übrigens als CD, auch wenn das Cover zunächst etwas anderes vermuten lässt.
Hinter den elf darauf vertretenen Songs verbergen sich einige bemerkenswerte Kollaborationen, wobei Dave Grohl in verschiedenen Rollen natürlich stets mit von der Partie ist. Teils als Sänger, teils als Schlagzeuger oder an der Gitarre. „Real To Reel” produziert hat mit Butch Vig ein alter Bekannter auf eben jener Neve 8028-Konsole im Foo Fighters Studio 606. Um ihn herum versammelten sich Peter Hayes und Robert Levon Been von Black Rebel Motorcycle Club, Corey Taylor von Slipknot und viele andere mehr. Herausgekommen ist ein 55 Minuten und 55 Sekunden langer Streifzug durch die bunte Welt des Rock. Getreu dem selbstgewählten Motto der illustren Truppe: „Be true to yourself and make the music you love”.
Der Opener “Heaven And All” galoppiert sofort wie ein wilder Mustang durch die Gehörgänge und schlägt eine Spur der Verwüstung. Besonders wenn man dabei mit dem Album das macht, was man mit dem Album unbedingt machen sollte: Laut hören! „Time Slowing Down” veredelt Masters Of Reality-Sänger Chris Goss mit seinem hymnischen Gesang, während Dave Grohl und Tim Commerford und Brad Wilk von Rage Against The Machine durch die Zeiten der Little River Band bis hin zu Led Zeppelin rocken, gewürzt mit einer kleinen Prise halluzinogener Zutaten. „From Can’t To Can’t” schlägt die Brücke zum Sleaze Rock der 80er und 90er Jahre und ist dank Corey Taylor ganz grosses Ohrenkino. Grohl-Intimus Josh Homme ist gleich bei drei Stücken fleißig vertreten: Den Lagerfeuerromantik-meets-Stoner Rock-Destillaten „Centipede” und „A Trick With No Sleeve” sowie dem hypnotischen Closer „Mantra”, der mehr als nur ein Lächeln hinterläßt. Dazwischen liegt noch die Quotenballade „If I Were Me”, gewohnt einfühlsam dargeboten von Dave Grohl himself.
Bleiben die Ausschläge nach oben und nach unten. Fangen wir „unten” an. „The Man That Never Was” sieht Rick Springfield am Mikro, begleitet von den vier Foo Fighters Dave Grohl, Taylor Hawkins, Nate Mendel und Pat Smear. Ich mochte Springfield’s etwas künstlich-gepresste Art zu singen noch nie sonderlich. Der Song ist aber nicht nur deshalb höchstens Durchschnitt. Lee Ving, der völlig durchgeknallte Frontmann von Fear (und vielleicht als Schauspieler aus „Flashdance” oder „Straßen in Flammen” ein Begriff), reißt uns allerdings schnell wieder aus dem Schlaf – und nach „oben”. „Your Wife Is Calling” entpuppt sich als herrlich überschlagender Irgendwas-in-Richtung-Punkrock-Song, abgespielt mit doppelter Geschwindigkeit. Vor allem die explodierende Mundharmonika ist einfach göttlich. „Oben” finden wir auch „Cut Me Some Slack”, das ja bereits als sogenannte „Nirvana-Reunion” beim „Concert For Sandy Relief” am 12.12.2012 im New Yorker Madison Square Garden für Furore sorgte. Dave Grohl, Krist Novoselic und Pat Smear gemeinsam mit einem rotzigen und jaulenden Paul McCartney. Fett! Den ultimativen Höhepunkt auf „Real To Reel” liefert jedoch erst Ex-Fleetwood Mac-Ikone Stevie Nicks und ihr „You Can’t Fix This”. Alleine diese Stimme sorgt für eine Gänsehaut biblischen Ausmaßes. Man möchte ihr ewig zuhören.
Das Booklet bietet einen kleinen fotografischen Ausblick auf den Film, dessen Veröffentlichung als DVD am 22.03. folgen wird. Aus eigener Anschauung kann ich schon jetzt sagen, dass die Musik in Verbindung mit den Bildern sehr viel besser funktioniert als ohne. Das ist das kleine Manko an „Real To Reel”. Für sich alleine wirkt der Soundtrack zwar knackig und abwechslungsreich, aber irgendwie auch unzusammenhängend. Trotzdem hat Tom Petty natürlich insgesamt Recht, wenn er gleich zu Beginn des Albums verkündet: „Sound City, that’s it, man”.
Wenn man nicht alles selber macht… Mitte Dezember in Köln: Die Chefredaktion verabschiedet sich in den vierwöchigen Urlaub, während die geknechtete Schar der Redakteure und Fotografen noch tief gebeugt über den aus rohem Holz gezimmerten Schreibtischen sitzt, die letzten Reviews schreibt, Fotos bearbeitet und sich im ungeheizten Redaktionsbüro den A…llerwertesten abfriert. Eine Woche später kommt dann eine Postkarte aus der Karibik: “Denkt daran, dass alle den Poll ausfüllen. Der Praktikant kümmert sich drum!”. Der Praktikant? Der Praktikant, der 24 Stunden am Tag in seinem fensterlosen 8-qm-Raum still vor sich hin schuftet? Genau der! Und deshalb ist er hier also wieder: Unser traditioneller Jahresrückblick aus der Musicheadquarter-Redaktion in 12 Kategorien. Okay, manche haben geschummelt, einige haben sich gedrückt (“Mir ist zu kalt”), aber wir hoffen ihr habt trotzdem ein wenig Spass mit unseren Tops und Flops 2012!
In diesem Sinne bedanken wir uns bei euch und all unseren Promo-Partnern für die Treue und grossartige Zusammenarbeit in den vergangenen zwölf Monaten und wünschen allen einen bruchsicheren Rutsch und ein neues Jahr voller guter Musik! Bleibt gesund, munter und vor allem neugierig!
Eure Musicheadquarter-Chefredaktion (auf der Suche nach der nächsten Cocktailbar…)
MARC BRÜSER
Beste Neuentdeckung:
Nothington
Größte Live-Überraschung:
Sick Of It All auf dem Area 4 (Ruhe in Frieden) in diesem Jahr. Lustige Aktionen mit Wasserschlauch in die Menge halten und Wall Of Death. Sum 41, Köln – ich hatte wirklich schlimmes erwartet, aber das Konzert war mit eines der besten in diesem Jahr.
Top 3 – Alben 2012:
Nothington “Borrowed Time”
Blumentopf “Nieder mit der GbR”
The Offspring “Days Go By”
Flop 3 – Alben 2012:
Justin Bieber “Believe”
Cro “Raop”
Green Day “Uno!”
Top 3 – Konzerte 2012:
Broilers, Düsseldorf
Donots, Area 4
Nothington, Köln
Flop 3 – Konzerte 2012:
Bullet For My Valentine, Area 4 – Eine Lachnummer, die ihresgleichen sucht.
The Gaslight Anthem, Köln – haben sehr unmotiviert gewirkt
Prinz Pi, Köln – viel zu viele Balladen.
Bestes Festival:
Area 4 – Das beste Festival, welches je stattgefunden hat und nie mehr geben wird.
Musikmoment des Jahres:
Wall Of Death bei Sick Of It All (wieder Area 4), wo die Security einen Wasserschlauch in die Menge gehalten hat. Und Social Distortion – “I Was Wrong” live zu hören (ihr könnt euch denken wo).
Enttäuschung des Jahres:
Und wieder: Der Tod des Area 4 (Wir haben es verstanden. Anm.d.Praktikanten)!
Held des Jahres:
Jay Northington, ein absolut genialer Musiker, der es schafft mit simplen Melodien Berge zu versetzen.
Gute Vorsätze für 2013:
Die Buchhaltung nicht wegen jedem Kleinscheiß anzurufen.
MICHAEL HASS
Beste Neuentdeckung:
Alt-J
Größte Live-Überraschung:
Joss Stone
Top 3 – Alben 2012:
Alt-J “An Awesome Wave”
…And You Will Know Us By The Trail Of Dead “Lost Songs”
Calexico “Algiers”
Flop 3 – Alben 2012:
The Faceless “Autotheism”
Down “Down IV Part I”
Fear Factory “The Industrialist”
Top 3 – Konzerte 2012:
Jack White im E-Werk Köln
Deichkind im Palladium Köln
Mono im Gebäude 9 in Köln
Flop 3 – Konzerte 2012:
Of Monsters And Men im E-Werk Köln
Wilco im E-Werk Köln
Bestes Festival:
Leider dieses Jahr keine Zeit für Festivals…
Musikmoment des Jahres:
Die Überraschung war groß als eine Handvoll sehr hübscher Frauen elfengleich in weißen Kleidern die Bühne enterten und sich als unfassbar gute Backingband für Jack White erwiesen…
Enttäuschung des Jahres:
Unsere Bundesregierung beschliesst die Herdprämie… Politik aus der Steinzeit.
Held(en) des Jahres:
Alle Menschen die sich selbstlos und ehrenamtlich für Andere einsetzen… die kleinen Taten zählen (Endlich denkt mal einer an mich! Danke! Anm.d.Prakt.)!
Depp(en) des Jahres:
Unsere Bundesregierung
Gute Vorsätze für 2013:
Mehr Spocht, weniger Suff – mmmhhh… wie jedes Jahr…
LANA GIESE
Beste Neuentdeckung:
Imagine Dragons
Größte Live-Überraschung:
Jennifer Rostock
Top 3 – Alben 2012:
Kraftklub “Mit K”
Deftones “Koi No Yokan”
The Gaslight Anthem “Handwritten”
Flop 3 – Alben 2012:
Green Day “Dos”
Cro “Raop”
Top 3 – Konzerte 2012:
Jennifer Rostock
Placebo
Your Demise
Flop 3 – Konzerte 2012:
Red Hot Chili Peppers – auch wenn ich gesteinigt werde, aber die Jungs haben meine Erwartungen leider nicht erfüllt (Wo sind meine Steine? Anm.d.Prakt.).
Angels & Airwaves – tolles Konzert aber das gewisse Etwas hat gefehlt.
Bestes Festival:
Vainstream (ein Tag volle Power).
Musikmoment des Jahres:
Jennifer Rostock beim CSD.
Enttäuschung des Jahres:
Blink 182 nicht zu sehen!
Held des Jahres:
Brian Fallon (The Gaslight Anthem)
Gute Vorsätze für 2013:
Weiter so!
SHIRIN KAY
Beste Neuentdeckung:
Mist Within
Größte Live-Überraschung:
Whalerider
Top 3 – Alben 2012:
Crippled Black Phoenix “Mankind The Crafty Ape”
Gazpacho “March Of Ghosts”
Kaizers Orchestra “Violeta Vol. III”
Flop 3 – Alben 2012:
keine
Top 3 – Konzerte 2012:
Crippled Black Phoenix
Pain Of Salvation
Gazpacho
Flop 3 – Konzerte 2012:
Katatonia
Lis Er Stille
Gavin Harrison & 05RIC
Bestes Festival:
keins
Musikmoment des Jahres:
Crippled Black Phoenix in der Harmonie Bonn (Rockpalast).
Enttäuschung des Jahres:
Anathema Acoustic Show
Held des Jahres:
Mein Vater
Depp des Jahres:
Mitt Romney
Gute Vorsätze für 2013:
Noch mehr gute Konzerte besuchen und fotografieren!
STEFAN KAULEN
Beste Neuentdeckung:
Art By Numbers
Größte Live-Überraschung:
Give Em Blood
Top 3 – Alben 2012:
Gojira “L’Enfant Sauvage”
Cattle Decapitation “Monolith Of Inhumanity”
Pig Destroyer “Book Burne”
Gute Vorsätze für 2013:
Das 500ste Konzert fotografieren (Lokalrunde! Anm.d.Prakt.).
THOMAS KRÖLL
Beste Neuentdeckung: Led Zeppelin
Größte Live-Überraschung: Bob Mould
Top 3 – Alben 2012: Ich nenne vier… dafür aber nur zwei Flop-Alben… Brad “United We Stand”
Chris Robinson Brotherhood “Big Moon Ritual”
Wolf Maahn “Lieder vom Rand der Galaxis”
Black Country Communion “Afterglow”
Flop 3 – Alben 2012:
Ben Harper “By My Side”
Aerosmith “Music From Another Dimension”
Top 3 – Konzerte 2012: Foo Fighters, O2 Arena, Prag
Peter Gabriel, König Pilsener Arena, Oberhausen
Bruce Springsteen & E Street Band, RheinEnergie Stadion, Köln
Soundgarden, FZW, Dortmund (Das sind wieder vier! Hält sich hier überhaupt jemand an die Regeln? Anm.d.Prakt.)
Flop 3 – Konzerte 2012: Rich Robinson, Luxor, Köln
Alabama Shakes, Live Music Hall, Köln
Musikmoment des Jahres: 10 Jahre Musicheadquarter!
Und einige schöne Interviews, aber insbesondere das mit Jan Plewka und Leo Schmidthals von Selig, die sich am Ende eines langen Tages noch fast eine Stunde Zeit nahmen.
Enttäuschung des Jahres: Das ganze Musikjahr 2012 war eine Enttäuschung. Und der völlig unnötige Abstieg des FC.
Held(en) des Jahres: Meine Familie (im engeren und weiteren Sinne)
Depp(en) des Jahres: Jede Menge! Vor allem die ganzen religiös Verblendeten (egal welchen Glaubens), die meinen, dass ihr Gott der einzig Wahre ist. Aber auch ihr werdet irgendwann merken, dass die Erde keine Scheibe ist!
Gute Vorsätze für 2013: Interview mit Dave Grohl! (Träum weiter! Anm.d.Prakt.)
MIRIAM ROBELS
Beste Neuentdeckung:
Reptile Youth
Größte Live-Überraschung:
We Are Augustines (wow!) und Die Orsons (ja, wirklich).
Top 3 – Alben 2012:
Habe viele “Tops”, spontan fallen mir diese ein:
Reptile Youth “Reptile Youth”
Friends “Manifest!”
Lana Del Rey “Born To Die – ist ein bisschen peinlich, aber da muss ich durch.
Top 3 – Konzerte 2012:
Hier muss ich ganz rebellisch die Regeln brechen und auf meine Top 5 ausweichen (grrrrrr… Anm.d.Prakt.):
We Are Augustines – das letzte Konzert der 15-monatigen Tour. So gut, dass selbst der Klomann rauskommt, um zu gucken, was da los ist.
Boots Electric – mit Fotos aus der Pogogrube. Ab der Hälfte dann ein Eagles Of Death Metal Konzert.
Reptile Youth – alle Gerüchte stimmen.
Moneybrother – zum Jahresende noch reingerutscht. Großartige Liveband, immer wieder.
We Were Promised Jetpacks – stillstehen und nicht glauben wollen, dass der Typ auf der Bühne das gerade wirklich live singt.
Musikmoment des Jahres:
Die Ärzte und Jack White spielen am selben Tag in Köln.
Enttäuschung des Jahres:
Ich hatte Ärzte-Karten und hätte Jack White-Karten kaufen sollen.
Held(en) des Jahres:
Security bei Konzerten, die auf meine Kamera aufpasst, damit ich da bleiben kann. Anders Wendin – hat meinen Namen gesagt.
Depp(en) des Jahres:
Der Film “Rock Of Ages”. Ein Film, der aus klassischen 80er Jahre Rocksongs fröhlich-glitzernde Glee-Songs macht und das mit einer der dümmsten Handlungen seit jedem beliebigen Teenie-Film verbindet. Wer allerdings gerne aus Augen und Ohren blutet, sollte sich den Film mal ansehen. Und Lana Del Rey – machte mir mit starrem Blick auf den H&M-Plakaten jeden Morgen Angst auf dem Weg zur Arbeit.
THORSTEN SCHMIDT
Größte Live-Überraschung: Neneh Cherry & The Thing
Top 5 – Alben 2012:
Für Flops hatte ich keine Zeit in 2012! (Ich geb’s auf… Anm.d.Prakt.)
Motorpsycho & Stale Storlokken “The Death Defying Unicorn”
CAN “The Lost Tapes”
Animal Collective “Centipede HZ”
The Swans “The Seer”
Neil Young & Crazy Horse “Psychedelic Pill”
Top 5 – Konzerte 2012:
Pearl Jam – Amsterdam II, Ziggo Dome
Motorpsycho mit Orchester – Oslo, Oper
Animal Collective – Rolling Stone Weekender
Primus – Köln, Live Music Hall
Here We Go Magic – Rolling Stone Weekender
Musikmoment des Jahres:
“Crown Of Thorns” endlich live
Bestes Festival:
Weekendfest Köln
Held(in) des Jahres:
Meine Tochter
Depp des Jahres:
DFB
INGRID SILVASI
Beste Neuentdeckung:
Meine persönliche: Philipp Poisel, auch wenn kleine Mädchen ihn schon länger anschmachten… ich bin durch einen Zeitungsartikel erst vor kurzem auf ihn aufmerksam geworden und die Dortmunder Konzertkritik war so gut geschrieben, dass ich in der Mittagspause direkt das Album kaufte und es nicht bereut habe.
Größte Live-Überraschung:
Russkaja – Wacken-Stimmung auf dem Höhepunkt!
Top 3 – Alben 2012:
Philipp Poisel “Projekt Seerosenteich” …und das für mich als Metalbraut! (Headbangen in Zeitlupe. Du machst mir Angst! Anm.d.Prakt.)
Paradise Lost “Tragic Idol”
Tremonti “All I Was”
Flop 3 – Alben 2012:
Richie Sambora -“Aftermath Of The Lowdown” (nicht direkt ein Flop, jedoch für mich recht enttäuschend).
Top 3 – Konzerte 2012:
Richie Sambora – Berlin, Huxley: trotz enttäuschendem Album ein grandioses Konzert!
Opeth – Bochum, Christuskirche: Gänsehaut wegen Atmosphäre, Licht, Songauswahl. Schade nur, dass es keine Zugaben gab…
Annihilator auf dem 70.000 Tons
Flop 3 – Konzerte 2012:
Epica in Berlin – war ganz nett, aber mehr auch nicht… habe mich an der Band satt gesehen…
Bestes Festival:
Mit dem 70.000 Tons Of Metal-Schiff durch die Karibik schippern und dabei mit Metal beballert zu werden! Bereits zum zweiten Mal nicht enttäuscht worden!
Musikmoment des Jahres:
Unzählige Momente auf dem 70.000 Tons-Schiff… mit Jeff Waters quatschen, Bobby Blitz mit seiner Frau bei der Delphin-Show treffen, Michael von In Extremo total betrunken erleben, mit Kenny Winter über Tourismus philosophieren, im Fitness-Center auf Anette Olzon treffen, mit Mary Demurtas und Fabio Lione auf Italienisch plaudern und vieles mehr!
Und: Henry Rollins Spoken Words auf dem Wacken-Festival – habe großen Respekt vor ihm!
Enttäuschung des Jahres:
Die Europäische Union schwindet dahin.
ANDREAS WEIST
Beste Neuentdeckung:
Mumford & Sons
Größte Live-Überraschung:
Royal Republic
Top 5 – Alben 2012:
Birdy “Birdy”
Kylie Minogue “Abbey Road Sessons”
Purple Schulz “So und nicht anders”
Muse “The 2nd Law”
Cro “Raop”
Flop 3 – Alben 2012:
Robbie Williams “Take The Crown”
Mando Diao “Infruset”
The Killers “Battle Born”
Top 3 – Konzerte 2012:
Philipp Poisel – Projekt Seerosenteich
Westernhagen – Hottentottenmusik
Gregor Meyle – Meile für Meyle
Flop 3 – Konzerte 2012:
keine
Bestes Festival:
Burg Herzberg Festival
Musikmoment des Jahres:
Udo Lindenberg (egal was er macht)
Enttäuschung des Jahres:
Gottschalk beim Supertalent
Held(en) des Jahres:
Pussy Riot
Depp des Jahres:
Peer Steinbrück
Gute Vorsätze für 2013:
Diesmal nicht!
ASTRID WEIST
Beste Neuentdeckung:
Christina Perri und Fun!
Größte Live-Überraschung:
Wallis Bird als Support von Boy im Exhaus Trier
Top 3 – Alben 2012:
Anna Depenbusch “Sommer aus Papier”
Gregor Meyle “Meile für Meyle”
Purple Schulz “So und nicht anders”
Flop 3 – Alben 2012:
Ich habe keine Zeit, mir schlechte Alben anzuhören!
Top 3 – Konzerte 2012:
Maria Mena Viktoria Tour im E-Werk Köln
Gregor Meyle live im Café Hahn in Koblenz
Philipp Poisel live in der Philharmonie Luxemburg (Meine Güte, was hat dieser Philipp Poisel nur was ich nicht habe??? Anm.d.Prakt.)
Flop 3 – Konzerte 2012:
Ich habe auch keine Zeit, mir schlechte Konzerte anzuhören!
Musikmoment des Jahres:
Auftritt mit dem Chorschatten beim Herbstkonzert in Fohren-Linden.
Held(en) des Jahres:
Alle, die trotz des angekündigten Weltuntergangs noch ein Apfelbäumchen gepflanzt haben.
Depp(en) des Jahres:
Alle, die sich freiwillig der öffentlichen Beurteilung durch Dieter Bohlen ausgesetzt haben.
Gute Vorsätze für 2013:
Zumindest nichts schlechter zu machen als 2012!
THOMAS WELSCH
Beste Neuentdeckung:
Witchcraft
Größte Live-Überraschung:
Billy Talent, 9.10., Düsseldorf
Top 3 – Alben 2012:
Motorpsycho & Stale Storloekken “The Death Defying Unicorn”
Baroness “Yellow & Green”
Deftones “Koi No Yokan”
Neil Young & Crazy Horse “Psychedelic Pill”
Torche “Harmonicraft”
Flop 3 – Alben 2012:
Brad “United We Stand”
Top 3 – Konzerte 2012:
Motorpsycho & Stale Storloekken, Leuven
Pearl Jam, Kopenhagen
Billy Talent, Düsseldorf
Flop 3 – Konzerte 2012:
keins
Musikmoment des Jahres:
Pearl Jam Konzert während “Baba O’Riley”.
BETTINA ZIMMERMANN
Beste Neuentdeckung:
Admiral Fallow
Jake Bugg
Größte Live-Überraschung:
Parov Stelar Band
Reptile Youth
Top 5 – Alben 2012:
Mumford & Sons “Babel”
Keane “Strangeland”
Of Monsters And Men “My Head Is An Animal”
Borko “Born To Be Free”
The Lumineers “The Lumineers”
Flop 3 – Alben 2012:
The Killers “Battle Born”
Placebo “EP3 (EP)”
Billy Talent “Dead Silence”
Top 5 – Konzerte 2012:
Mumford & Sons – Hurricane Festival, Scheeßel
Two Door Cinema Club – Große Freiheit 36, Hamburg
Nada Surf – Markthalle, Hamburg
Keane – Docks, Hamburg
Beatsteaks – FM4 Frequency Festival, St.Pölten Österreich
Flop 3 – Konzerte 2012:
New Order – Hurricane Festival, Scheeßel
The Stone Roses – Hurricane Festival, Scheeßel
Hey Rosetta! – Haus 73, Hamburg
Bestes Festival:
Open Air – Hurricane Festival Scheeßel
Clubfestival – Reeperbahn Festival Hamburg
Musikmoment des Jahres:
Musikpreis HANS in Hamburg
Enttäuschung des Jahres:
Konzertabbruch von Placebo nach nur einem Song auf dem FM4 Frequency Festival.
Held des Jahres:
RIP Oscar Niemeyer (Architekt von Brasilia)
Depp(en) des Jahres:
Rücksichtslose Zuparker in meiner Straße.
Gute Vorsätze für 2013:
Mehr und vor allem regelmäßig Erholungsurlaub (Urlaub? Was ist Urlaub? Anm.d.Prakt.)!
Wenn Virtuose Joe Satriani ein neues Projekt aus dem Ärmel zaubert, dann horcht die Gitarrenwelt auf. Dabei hat der amerikanische Rockgitarrist nie groß in einer Band von sich reden gemacht. Klar – er ersetzte zwei Jahre lang Ritchie Blackmore bei Deep Purple, doch ansonsten stießen vor allem seine Soloalben und sein musikalischer Einfluss auf Gitarristen weltweit auf große Resonanz. Seit 2009 erfreuen wir uns also an dem neuen Bandprojekt. Der Begriff der Supergroup wurde in den 80er Jahren gerne mal für Zusammenschlüsse bekannter Künstler gewählt. Ich erinnere nur an Asia, oder (in den 90ern) an Transatlantic. Doch wer hat sich nun hier zusammengefunden? Immerhin die halben Van Halen. Sammy Hagar war von 1985 bis 1996 Sänger der Band und dann 2004 erneut für ein kurzes Gastspiel. Und Bassist Michael Anthony bediente ganze 32 Jahre die Rhythmussaiten unter den Van Halen-Brüdern, bis er mit Hagar ausstieg. Als Vierter im Bunde gesellt sich Chad Smith, Drummer der Red Hot Chili Peppers, zum Quartett berühmter Namen.
Nach dem ersten Studioalbum folgte ein Live-Release. So muss es auch jetzt wieder eine Live-Veröffentlichung geben. “LV” lautet der Titel und die Tracks gliedern sich in “Side A” und “Side B”, es handelt sich aber nur um eine einzige Scheibe.
Die erste Albumhälfte besteht aus Stücken vom Album “Chickenfoot III”, die auf der “Different Devil Tour 2012” mitgeschnitten wurden. Die zweite Hälfte nennt sich “Live rarities and B-sides” und besteht aus sechs Stücken des ersten Albums “Chickenfoot”. Also nichts wirklich Neues, aber trotzdem eine spannende Zusammenstellung.
Was da aus den Boxen klingt, geht stark in Richtung Blues Rock mit Funkeinflussen und einem Schuss Südstaatenpower. Doch allein die Bandmitglieder sind Garant dafür, dass der Sound sehr energisch rüberkommt. Satriani an der Gitarre und Smith am Schlagwerk können gar nicht anders, als uns hervorragende Rockmusik zu liefern, die dann aber mehr nach Led Zeppelin als nach den Red Hot Chili Peppers klingt. Und natürlich ist Hagars Einfluss nicht von der Hand zu weisen. Die vier Meister an den Instrumenten und am Mikro nehmen ihre Persönlichkeiten angenehm zurück, machen das Konzert nicht zum Wettstreit, sondern lassen die Band homogen nach Band klingen. Einzelne Ausflüge in solistische Sphären sollen dabei durchaus erlaubt sein.
Mit “The Essential” veröffentlicht dieser Tage eine der interessantesten amerikanischen Bands aus der Alternativ-Rock- und Crossover-Szene ein karriereumspannendes Best Of-Album. Bereits ihr zweites nach “Monuments And Melodies” von 2009. Die Rede ist von Incubus. Wie so oft im Falle derartiger Zusammenstellungen kann man über Sinn und Zweck trefflich streiten. Immerhin haben Incubus mit “The Essential” für ihre Fans ein wahrlich fettes Paket aus 28 Songs geschnürt, chronologisch verteilt auf zwei CDs.
1991 im sonnigen Kalifornien gegründet, erinnerte der Sound von Incubus zunächst stark an Bands wie Rage Against The Machine oder die Red Hot Chili Peppers. Erst gegen Ende des letzten Jahrtausends wandte sich das Quintett stärker dem Mainstream zu und schaffte mit der Singleauskopplung “Drive” vom Album “Make Yourself” den Durchbruch. Alle darauffolgenden Alben konnten sich in den Top 5 platzieren, so auch das vorläufig letzte “If Not Now, When?” von 2011. Parallel dazu nutzten Brandon Boyd und Co. ihren zunehmenden Einfluss für ein verstärktes politisches Engagement, das sich inzwischen nicht nur in ihren Texten, sondern auch in der 2003 gegründeten Stiftung “Make Yourself Foundation” widerspiegelt. Diese Entwicklung lässt sich nun anhand von “The Essential” noch einmal wunderbar nachvollziehen. Die begleitenden Liner-Notes im Booklet schrieb der amerikanische Musikjournalist Gary Graff.
“The Essential” enthält außer von ihrem Debüt “Fungus Amongus” aus jedem der bislang sieben Incubus-Alben mindestens einen Titel. “Morning View” von 2001 darf gleich deren fünf beisteuern. Die EPs “Enjoy Incubus” (1997), “When Incubus Attacks” (2000) und “Alive At Red Rocks” (2004) sind ebenso vertreten wie das punkig angehauchte Stück “Make A Move” vom “Stealth”-Soundtrack aus dem Jahr 2005. Eine gute Mischung.
Anfangs noch wüst, roh und aggressiv (“Version”) vollziehen Incubus spätestens ab “Stellar” von 1999 erste Schritte in Richtung Alternative-Rock. Was bleibt sind zunächst die typischen Scratching-Elemente, die in “Redefine” noch Gavin “DJ Lyfe” Koppel beisteuert, der die Band jedoch 1998 im Streit verlässt. Seinen Part übernimmt bis heute DJ Chris Kilmore. Zwischendurch wagen Incubus mit “Summer Romance (Anti-Gravity Love Song)” sogar einen Ausflug in jazzige Gefilde. Zu den Perlen auf CD 1 gehören das halbakustische “Drive”, das sphärische “Wish You Were Here” und das grandiose “Nice To Know You”.
CD 2 geht mit dem rockigen “Megalomaniac” gleich in die Vollen. Dass sie es auch extrem gefühlvoll können, beweisen Incubus mit “Monuments And Melodies”. Später werden sie dann allerdings etwas arg zahnlos, wie in “Promises, Promises” oder “In The Company Of Wolves” von “If Not Now, When?”. Die Perlen auf der zweiten Scheibe heißen “Talk Shows On Mute” und “Dig”.
Alles in allem ist “The Essential” eine gelungene Retrospektive der musikalischen Wandelbarkeit von Incubus. Ich persönlich stehe mehr auf den Mischmasch aus Metal, Funk und Hip Hop aus ihren Anfangstagen, andere mögen die romantische Seite der Band vorziehen. Schade ist nur, dass ihnen die Experimentierfreude in den letzten 21 Jahren irgendwie abhanden gekommen zu sein scheint und sie sich mittlerweile hier und da in Belanglosigkeit verlieren (Beispiel: “Black Heart Inertia”). Halten wir es deshalb einfach wie Mike Einziger: “All diese Musik kam aus unseren Herzen. Die Stücke sind Repräsentanten für verschiedene Perioden in unserem Leben, für Erfahrungen, die wir gemacht haben. Noch einmal zurückzublicken und sie zu hören ist für uns, als würden wir alte Filme anschauen”.
Das Cover der aktuellen CD von Diana Krall zeigt eine Frau, der man ihr Geburtsjahr (1964) einfach nicht ansehen will. Zeitlos schön – wie die Musik, die sie darauf präsentiert. Die Jazzpianistin und Sängerin aus Kanada hat sich in ihrer Karriere verschiedenen Musikrichtungen verschrieben. Neben den Anfängen in der klassischen Musik herrschte lange Zeit die Lust am Interpretieren bekannter Jazzstandards, bevor sie gar den Weg zum Bossa Nova fand. In dieses Bild passt das neue Album “Glad Rag Doll”, auch wenn es wieder in eine ganz andere Richtung geht.
Diana Krall hat anscheinend großen Spaß daran, Klassiker neu zu interpretieren, ja auf ganz eigene Art wieder zu beleben. Hier ist es nun die Musik der 20er und 30er Jahre. Die Songs entsprechen ganz dem Bild, das man von der Künstlerin auf dem Coverfoto bekommt: verrucht, verführerisch, lasziv. Ihre Stimme klingt, als sei sie direkt aus der rauchigen Pianobar quer durch die Zeit zu uns teleportiert. Eine wundervolle Illusion, die noch dadurch verstärkt wird, dass man die Instrumentalbegleitung sehr antiquiert und authentisch klingen lässt.
Aber keine Angst – das Album ist hervorragend produziert und schafft den Spagat zwischen historischem Klangerlebnis und hörenswerter Interpretation locker. Diana Krall wirkt für eine Jazz-Sängerin ungewohnt locker und geht die Musik mit dem für die 20er Jahre typischen Humor an. Die Vielzahl hochkarätiger Gäste passt sich da perfekt ein. Ganz besonders hervorzuheben sind hier Gitarrist Marc Ribot (Tom Waits, Madeleine Peyroux, The Lounge Lizards, John Zorn, The Black Keys), Keyboarder Keefus Green (Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam, Primus, Fishbone, Macy Gray), Bassist Dennis Crouch (Steve Earle, John Mellencamp, Johnny Cash, Alison Krauss, Elton John, Gregg Allman) und Schlagzeuger Jay Bellerose (Curtis Stigers, Bonnie Raitt, Regina Spektor, Joe Henry, Salif Keïta).
Diana Krall selbst spielt ein Steinway-Klavier aus dem zu Ende gehenden 19. Jahrhundert. Auch wer nicht unbedingt ein Freund solcher Musik ist, könnte Freude daran Empfinden, der rauchigen und stellenweise erstaunlich tiefe Stimme zuzuhören. Sie versteht es einfach, die Menschen auf eine Zeitreise mitzunehmen.
Wenn man die Schalke Arena als Festival Platz aussucht, müssen große Bands dabei sein. Und genau so sieht das Line up für das erste Rock im Pott Festival auch aus. Kraftklub, The Boss Hoss, Jan Delay & Disko No.1, Placebo und die Red Hot Chilli Peppers. Eine bunte Mischung, die auf dem ersten Blick nicht unbedingt zusammenpassen, aber gemeinsam eine breite Mischung Menschen ansprechen. Mit einer Besucher Zahl von 41.000 kann man davon ausgehen, dass den Veranstaltern genau das gelungen ist. Dass Rock im Pot in der Veltins Arena stattfindet, kommt der Stimmung nur zugute! Mit einer Fußball Atmosphäre ruft Moderator Tobi Schäfer die erste Band Kraftklub auf die Bühne.
Wie gewohnt kommen diese in ihren typischen Streberklamotten, Hosenträger und Polo Hemd, auf die Bühne und eröffnen ihre Show mit dem Lied „Ritalin/Medikinet”. Als wäre das Lied autobiografisch, springt Rapper Felix Kummer über die Bühne und liefert damit einen starken Auftakt. Die mittlerweile halb gefüllte Veltins Arena bewegt sich mit im Takt, die ersten Arme strecken sich gen Himmel und der Sound wird fetter. Nach „Zu jung” wird die Arena erst mal gebührend begrüßt, indem Sänger Felix jede Seite und Tribüne der Arena einzeln anspricht. Mit ihrem gesunden Selbstbewusstsein sorgen die Chemnitzer für gute Laune und vergleichen sich dennoch bescheiden mit einer regionalen Band, die die Ehre hat, vor den großen Bands zu spielen. Zu den Lieder “Liebe” und “Eure Mädchen” fordern sie die Halle auf, mit zu klatschen und die sich füllende Schalke Arena macht mit. Mit dem Schlachtruf “Seid ihr bereit für Randale!?” eröffnen sie “Randale” und bringen das Stadion zum Brüllen und Springen. In Liedern wie “Karl-Marx-Stadt” und “Ich will nicht nach Berlin” spielen sie mit ihrer Heimat und mit Vorurteilen gegen Städte. Damit finden Sie in einem Stadion natürlich genug Brüllstoff. Nach “Wenn du mich küsst” kommen Sie mit “Scheissindiedisko” zu ihrem letzten Lied, bei dem sich sogar ein Circle Pit bildet und damit ein gebührendes Ende der Show bietet. Kraftklub sind seit ihrem fünften Platz beim Bundesvision Song Contest eine der viel versprechensten Deutschen Newcomer und stellen das auch mit diesem 1a Auftritt klar.
The Boss Hoss
Cowboy Hut, Jeans Hose, große Gürtelschnalle und ordentlich Bier in der Hand. Daran erkennt man die Fans von The Boss Hoss schon von weitem. Die Band aus Berlin beginnt ihre Show mit einem Intro vom Band, zu dem Sie wie im Wilden Westen auf die Bühne schreiten. Deutlich lauter als bei Kraftklub spürt man den Bass in den Füßen. Nach ihrem ersten Song begrüßen die Berliner ihre Fans gewohnt auf Englisch und mit viel Cowboy Scharm. Dass eine deutsche Band mit ihren Fans auf Englisch redet, kommt manch einem befremdlich vor, aber bei The Boss Hoss ist das fester Bestandteil des Image und deshalb zu verzeihen. Bei Lied Nummer zwei „Rodeo Radio” nimmt Sänger und Gitarrist Hoss Power Platz auf einem Barhocker und leitet mit einem überzeugend echten Staaten Akzent das Lied “Keep on dancing” ein. Mit den Posaunen, der Mundharmonika und den Westerngitarren kommt man sich vor, wie in eine andere Zeit versetzt. Die sieben Mann große Band bringt die Arena zu einem männlichen Grölen und zieht das Lied so nachdrücklich in die Länge, bis auch der letzte mitsingt. Auch zum Beatboxen und Rappen sind sich die Cowboys nicht zu schade. In diesem kurzen musikalischen Ausflug, lassen sie die Menge ihren Namen buchstabieren und bereiten die Stimmung für “Don’t gimme that” vor. Nachdem bereits Kraftklub die riesen Menschenmasse auf einem Foto festhalten musste, legen The Boss Hoss noch einen drauf und filmen die Menge, die ihnen zujubelt. Nach erstaunlich schnell vergangenen 45 Minuten beenden die Cowboys ihre Show. Bei diesem vermeintlichen letztem Lied, posieren die posaunen Spieler in ihren ” Lucha Libre, ” Masken in der Mitte der Bühne. Und ernten solange zurückhaltenden, dafür aber langenanhaltenden Applaus, bis Sie wieder auf die Bühne kommen, um eine zehn minütige Western Version von “Word up” zu spielen und eine zufriedene Menge zurück zu lassen.
Jan Delay & Disko No.1
Als drittes tritt Jan Delay mit seinem Disko Ensemble No. 1 auf. Der Hamburger Rapper, der aus seiner Zeit bei “Absolute Beginner” bekannt ist, zeigt mit dieser Live Band, dass er verschiedene Facetten der Musik beherrscht. Nachdem The Boss Hoss ganze 15 Minuten überzogen haben, beginnt die Show mit Verspätung. Einzeln kommen die Musiker auf die Bühne und mischen ihre Instrumente in das Intro. Passend zu dem positiven Sound sind Anzüge in allen Farben vertreten. Jan Delay selbst kommt in Begleitung seiner Background Sängerinnen auf die Bühne und eröffnet die Show mit dem Lied “Türlich, Türlich”. Noch mit dem Lied im Hintergrund, fordert Jan Delay die Menge auf mit ihm den “Arsch Dreher” zu machen. Jan Delay macht es vor: Im Takt dreht man sich um 180°, was in der vollen Arena erstaunlich gut funktioniert. Bei Songs wie “Large” verbreitet sich in der Arena eine großartige Tanz Atmosphäre, passend zu den Lieder und der Ausstrahlung der Band. Ein kleines Highlight ist das Medley, indem er auf den Song “Everybody” von den Backstreetboys, “Yeah” von Usher, “This is how we do it” und “Jump on it” zurück greift. Zu “Oh, Johnny” schwingen alle ihre Shirts über den Köpfen. Um da noch einen drauf zu setzen, spielt er “Klar”, bei dem Jan Delay selbst zu den Bongos greift. Mit einem Medley von “Let me think about it”, “Krawall und Remmi Demmi” und “Barbra Streisand” verabschieden sich Jan Delay & Disko No.1 von der Bühne und lassen eine begeisterte Menge zurück. Und darunter nicht wenige Leute, sie sichtlich und verständlicherweise beeindruckt sind.
Placebo
Passend zu Placebo wird es langsam dunkel in der Schalke Arena. Noch bevor die Londoner auf die Bühne kommen, wird alles in ein sphärisches blau getaucht. Nach dem elektronischem Intro laufen die Musiker auf die Bühne und eröffnen den Abend mit dem Lied “Kitty Litter”. Als Begrüßung murmelt Sänger Brian Molko “`nabend” und beginnt ohne lange Rede den nächsten Song. Der Band, die seit 1994 existiert, sieht man diese knapp 20 Jahre Erfahrung an. Der Sound ist umwerfend, dass musikalisch alles einwandfrei ist, braucht man bei dieser Band gar nicht erst erwähnen. Nach ihrem zweiten Lied “Battle for the Sun” beweist Sänger Brian noch einmal, dass er sich auf heute Abend vorbereitet hat und stellt die Band in einem fast perfekten Deutsch vor. Das Publikum hat damit also schon eine deutsche Band, die auf Englisch spricht und eine englisch sprachige Band, die extra Deutsch übt, gesehen.
Mit “Special Needs” und “For what it’s worth” beweisen Placebo, dass man keine Party Musik machen muss, um Stimmung zu machen. Allein das Bühnenbild ist etwas Besonderes. Fünf Bildschirme projizieren abwechselnd die Bilder von Kameras, die auf die einzelnen Musiker gerichtet sind. Mittlerweile dominiert die Farbe Rot die Bühne, als zur Akustikgitarre gegriffen wird um “I Know” zu spielen. Highlights des Abends sind natürlich Lieder wie “The bitter end” und “Every you and every me”, welche einige der bekanntesten Lieder von Placebo sind. Aber auch an neuen Stücken wird nicht gegeizt und Sie präsentieren “Be free”. Dass mit Placebo einer der Headliner auf der Bühne steht und es langsam aber sicher auf die Red Hot Chili Peppers zu geht, sieht man an dem Spielfeld der Schalke Arena. Wo man bei den Openern eben noch etwas vom Boden sehen konnte, steht nun alles voll mit Fans, die sich zusammen drängen, um den letzten Song von Placebo zu genießen. Mit “Infra-Red” beenden Sie ihre knapp eineinhalb stündige Show. Unter stehenden Ovationen verlassen Placebo die Bühne. Placebo hat bewiesen das man auf der Bühne keine Witze reißen muss, um eine große Band zu sein. Authentisch und mit musikalischer Höchstleistung haben Sie ein beeindruckendes Konzert geliefert.
Red Hot Chili Peppers
Nach mittlerweile vier Bands kommt es zum Headliner des Abends: Und das haben sich die Red Hot Chili Peppers auch verdient! Nach knapp 30 Jahren sind sie in der Musikgeschichte nicht mehr weg zu denken. Wie es sich für die RHCP gehört, liegt Bassist Flea beim ersten Lied mit dem nackten Oberkörper fast auf dem Boden und Sänger Anthony Kiedis läuft in halb kurzer, halb langer Hose, Cap und Frack über die Bühne. Beim zweiten Lied “Dani California” stehen auch die letzten Sitzmuffel auf. Schön zu sehen ist, dass Gitarrist Josh mit verletztem Fuß nicht minder mitfeiert und mit Flea zusammen eine Bass/Gitarren Show vom feinsten hinlegt. Nach „Can´t stop” und “Scar tissue” fordert Kiedis die Menge auf, sich ihrer Shirts zu entledigen und geht mit gutem Beispiel vorraus. Das Konzert wird von genialen Bass und Schlagzeug Übergängen geleitet und zeigt, was drei Jahrzehnte Bühnenerfahrung mit sich bringen.
Mit Liedern wie “Under the bridge” und “Higher Ground” bringen sie die Menge zum Mitsingen. Handys werden heraus gesucht und Bilder geschossen, so dass es aussieht, als würden Glühwürmchen herum fliegen. Alles in allem herrscht eine begeisterte Stimmung in der Menge. Klare Highlights sind Songs wie “Californication” und “By the way”. “By the way” soll auch das letzte Lied des heutigen Abends sein. Doch wie erwartet schreit die Menge nach einer Zugabe, bis dies von den Red Hot Chili Peppers erhört wird. Nach gefühlten fünf Minuten Applaus kommen Sie zu einem Drum/Percussion Solo einzeln wieder auf die Bühne und werden von den Fans gefeiert. Nach drei weiteren Songs kommen die Red Hot Chili Peppers mit “Give it Away” zum Ende des Abends und lassen eine zufriedene Menge zurück. Damit geht ein langer und sehr gelungener Festival Tag zu Ende, der bewiesen hat das Festivals auch im Fußball Stadion funktionieren.