RBF 2025 mit klingenden Wahrzeichen: Konzerte in Elphi und Michel
Richtung Wochenende wurde es bedeutend enger auf der Reeperbahn. Die Straßen waren mit Musikfans und sonstigen Tourist*innen gefüllt, die sich dem Geschehen auf der sündigen Meile hingeben wollten. Zum Glück gab es jetzt die großen Konzerte in den Hamburger Wahrzeichen, freitags zweimal Elbphilharmonie, samstags zweimal Michaeliskirche. Da konnte man den Trubel auf dem Festivalgelände gut aus dem Weg gehen.
Am Freitag ging es zunächst nochmal zu Mel D, die uns mittwochs schon in der Kirche verzaubert hatte. Jetzt gab es auf dem Spielbudenplatz ein ganz neues Setting open air. Die Atmosphäre war nicht so heimelig wie im Kirchenraum, doch auch hier konnte sich die Songwriterin aus der Schweiz gut durchsetzen und brachte das Publikum zum Tanzen und Mitsingen. Ein hervorragender Start für die „Swiss Sunset Stage“, deren Topact am Abend Nemo sein sollte.

Eine Besonderheit des Reeperbahn-Festivals sind die vielen unterschiedlichen Locations, denn von der Sparkassen-Filiale bis zur großen Open-Air-Bühne ist hier alles dabei! Und einige Acts kann man sogar in der berühmten Elbphilharmonie erleben, so wie etwa Pip Millett am frühen Freitag Abend. Diese war sichtlich erfreut über diese außergewöhnliche Bühne und erfüllte die Elphi über eine Stunde lang mit ihrem entspanntem Mix aus R’n’B und Soul. Unterstützt wurde sie dabei von einer dreiköpfigen Band, die ihren gefühlvollen und ausdrucksstarken Gesang mit dem passenden Sound untermalte.

Da kurz vorher Kraftklub auf ihrer spontanen Clubtour auch den Kaiserkeller erobert hatten, starteten die drei Mädels von Loveheads am Freitag Abend mit etwas Verspätung, sorgten aber direkt auch für Partystimmung. Die noch recht junge Band aus Österreich überzeugte mit einem frischen rockigen Sound an Gitarre, Bass und Schlagzeug, eingängigen deutschen Texten und gelebter Demokratie beim Leadgesang und den Ansagen.

Parallel dazu hatten sich Waving The Guns im Docks eingefunden und lieferten eine krasse Show mit deutlichen Texten und Attitüde. „Das muss eine Demokratie aushalten können“, hieß es, und „Perlen vor die Säue, Steine auf die Schweine“. Man zeigte politische Haltung und wollte bewusst einen Raum für Frauen und Flintas bieten.
Einen kurzen, aber sehr energiegeladenen Auftritt legte Nemo auf der Swiss Sunset Stage am Spielbudenplatz hin. Die junge musizierende Schweizer Person kam ohne Band, aber dafür mit DJ „Hairy“ als Unterstützung und bewies in wenigen Songs die ganze Bandbreite ihres Könnens. Von Partystimmung mit „God’s a Raver“ über die neue Single „Hocus Pocus“ bis zur Ballade „Unexplainable“ beherrscht Nemo wirklich alle Gefühls- und vor allem Tonlagen! Zum Abschluss gab es dann noch den ESC-Siegertitel „The Code“ für das begeistert mitfeiernde Publikum.

In der Elbphilharmonie gab Fuffifufzich den zweiten Showact des Abends. Dahinter steckt die Schauspielerin und Sängerin Vanessa Loibl, die von Rap bis Opernstimme alles zu bieten hatte. Mit Geige und Cello gab es klassische Töne, dann wieder Synthiepop. Gerade die elektronischen Klänge lieferten eine coole Soundkulisse für die Elphi, deren Wände man zur Sicherheit mit Platten zugehängt hatte, damit kein Putz abbröckelt. Wie ein weiblicher Falco trat Fuffifufzich bisweilen auf – und irgendwann stand der ganze Laden.
Samstags konnten wir zunächst Bow Anderson am Reeperbus genießen. Die Schottin sang drei akustische Stücke, zum einen über geschiedene Eltern („two parents“), dann über ihre Heimat Edinburgh und zum Schluss den Radiohit „20s“. Später konnten wir noch ein längeres Konzert von ihr in den Docks sehen, doch vorher standen die Zeichen auf Countryrock.
Das neue Album von The BossHoss, „Back To The Boots“, ist pünktlich zum Reeperbahn Festival in Hamburg erschienen und so war es kein Wunder, dass die Berliner Band am Folgetag in der Hansestadt sehr präsent waren. Es gab einen Unplugged Gig mit Signing Session im MediaMarkt und ein Open Air auf dem Spielbudenplatz. Und dazwischen ein ganz besonderes Schmankerl für Fans: Alec und Sascha traten mit ihrer Band im wirklich winzigen Club „Cowboy und Indianer“ direkt an der Reeperbahn auf. Das Konzert war im wahrsten Sinne eine nostalgische Reise zurück zu den Wurzeln der Band. In solchen Bars und Clubs hatte man 2004 seine Karriere gestartet. Und jetzt konnte man dieses Feeling hautnah miterleben.
Die Bar war vollgestopft bis auf den letzten Platz und darüber hinaus: wem es drinnen zu eng war, der konnte die Musik durch geöffnete Türen hören. Die Protagonisten saßen inmitten des Raums, der Schlagzeuger mit einem Cajon mitten auf der Theke. Es gab brandneue Stücke wie „Lions Den“ und „I’ll Be Back“, aber auch die Klassiker „Jolene“ sowie „Don’t Gimme That“. Die Stimmung war von Beginn an grandios und Alec in Erzähllaune. Man fühlte sich sichtlich wohl im kuschligen Ambiente. Die Arrangements kamen akustisch, waren aber trotzdem ordentlich gepfeffert. Und obwohl der Auftritt nur 45 Minuten dauerte, fielen schon zur Halbzeit die Klamotten – auch bei der Band. So kann man sein 20jähriges Bühnenjubiläum souverän und kraftvoll feiern.

Am Abend gab es zwei wundervolle atmosphärische Gigs in der St. Michaeliskirche, dem berühmten Hamburger „Michel“. Alice Phoebe Lou hatte sich dort eingefunden, um mit ihren Songs für eine andächtige Atmosphäre zu sorgen. Hauptsächlich interpretierte sie die Stücke akustisch mit Gitarre, bisweilen auch am Piano oder mit Synthies. Zuviel Bass sollte es nicht geben, weil dann „der Putz von den Wänden bröckelt“, wie die Ansagerin erklärte. Aber da bestand auch keine Gefahr. Es war magisch und leise.
Genau so zeigte sich auch Anna Ternheim. Die Muskerin aus Stockholm war zu Beginn allein mit Akustikgitarre am Start, hatte aber auch Begleitung vom Band dabei, wie beispielsweise Streicher beim grandiosen Cover „You’re In Heaven“ (Bryan Adams). Auch Cover von Pat McLaughlin („The Longer the Waiting (The Sweeter the Kiss)“) und David Bowies „China Girl“ (im Original eigentlich von Iggy Pop) wurden dargeboten. Bei vielen Songs begleitete sich Anna am Piano und glänzte mit ihren erzählenden Vocals. Selbst ein schwedisches Stück hatte es in die Setlist geschafft und ganz zum Ende überzeugte Anna mit einer Zugabe komplett a cappella. Es war eine wundervolle Atmosphäre und alle hörten bis zum Schluss gebannt zu.

Ganz zum Abschluss durfte ich noch Rowena Wise im Imperial Theater genießen. Sie stand zur Geisterstunde allein mit Gitarre auf der Bühne und interpretierte Songs wie „Indifferent“ und „26 Hours“ (über einen Urlaub mit dem Ex-Freund). Die Australierin erzählte von ihrer neuen Liebe zu Hamburg und zur Currywurst. Und sie erinnerte alle daran, im Moment zu leben, auch wenn das auf einem so verrückten Festival schwierig ist. Dem kann ich nur zustimmen, denn es ist wirklich schwierig, zu fassen, was das Reeperbahn Festival in seiner Gesamtheit bietet. Man wird vermutlich Dutzende Menschen fragen können, und jeder hat ein komplett anderes Festival erlebt. Das gibt es nur in Hamburg – jeden September!
