LIN, Norma Jean Martine, The Guilt – der Samstag beim Reeperbahn Festival
Am letzten Festivaltag gab es LIN, Norma Jean Martine, The Guilt, The Hubbards und Yukimi. Hier unsere Galerie. Fotos: Julia Nemesheimer.
Am letzten Festivaltag gab es LIN, Norma Jean Martine, The Guilt, The Hubbards und Yukimi. Hier unsere Galerie. Fotos: Julia Nemesheimer.
In der heutigen Samstagnacht ging die 20. Ausgabe des Reeperbahn Festivals zuende. Über vier Tage erlebten rund 43.000 Besucher*innen ein 800 Punkte starkes internationales Programmangebot aus rund 635 Konzerten von rund 450 Acts aus 30 Nationen in über 70 Spielstätten. Für die rund 5.000 Fachbesucher*innen hielt das diesjährige Konferenzprogramm 225 Punkte mit rund 350 internationalen Speakers aus 35 Nationen bereit, von denen Partnerkonferenzen wie die re:publica x Reeperbahn Festival 34, die Afro Futuristic Convention x Reeperbahn Festival 17 sowie die Sustain! x Reeperbahn Festival 5 Sessions, Keynotes, Panels und Matchmakings, Showcases und Award Shows mit ausgerichtet haben. Die Keychange-Quote, des diesjährigen kuratierten Line-Ups betrug insgesamt 44% Male und 56% FLINTA*. Das frei zugängliche Festival Village auf dem Heiligengeistfeld verzeichnete in diesem Jahr rund 40.000 Besucher*innen, die sich aus Festivalpublikum und spontan Interessierten zusammengesetzt haben
Gemeinschaftliche Lösungsansätze zum Erhalt eines fairen und nachhaltigen Musikökosystems
Das diesjährige Motto „Imagine Togetherness!” war bereits ab der Opening Show durch das gesamte Programm-Angebot des Reeperbahn Festivals spürbar und richtete den Fokus in zahlreichen Sessions, Panels und Workshops auf die größten Herausforderungen innerhalb des internationalen Ökosystems Musikwirtschaft, die nur gemeinschaftlich bewältigt werden können. Vertreter*innen aus Kultur, Musikwirtschaft und Politik diskutierten dabei Lösungsansätze, die den Erhalt kleiner Spielstätten als Nährboden für die Talententwicklung von morgen genauso im Blick hatten wie faire Vergütungsmodelle für Künstler*innen sowie die zunehmende Beeinflussung menschlicher Wahrnehmung durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz.Ein zentraler Punkt des diesjährigen Konferenzprogramms war die Gründung des Live Music Fund Germany, einer neuen solidarischen Brancheninitiative zur Sicherung der Zukunft der Livemusikkultur in Deutschland.
Überraschungs-Auftritte von Nina Chuba, Zsá Zsá, Jolle und Kraftklub
Wie wichtig diese Ansätze sind, wurde nicht zuletzt bei den Überraschungskonzerten des Arena-Acts Kraftklub deutlich, die am Freitag im Rahmen ihrer “Kiez Tour 2025” ganze 15 Kurzauftritte in genau diesen kleinen Clubs absolvierten.Als weitere Surprise-Acts begeisterten im Festival Village am Mittwochabend Nina Chuba und am Donnerstagabend Zsá Zsá und Jolle. Überdeutlich wurde einmal mehr die immense Wichtigkeit von Musik und Kultur als übergreifendes verbindendes Element menschlichen Miteinanders, das in diesen Zeiten relevanter ist wie selten zuvor. Die diesjährige Ausrichtung des Reeperbahn Festivals resonierte besonders bei den internationalen Fachbesucher*innen.
„Reeperbahn Festival has now grown to be the most important event for our industry worldwide.“
– Richard Burgess, Präsident der American Association of Independent Music

Anchor Award an Mei Semones verliehen
Am Freitagabend wurde im St. Pauli Theater zum 10. Mal der Anchor International Music Award verliehen. Von den sechs Nominees Sorvina (DEU/USA), Soft Loft (CHE), Carpetman (UKR), Mei Semones (USA), RIP Magic (GBR) und Cara Rose (IRE) kürte die diesjährige Anchor-Jury um Tayla Parx, Laurie Anderson, Suzi Quatro, Bazzazian und Max Giesinger die Formation um Sängerin und Gitarristin Mei Semones zu den Anchor Gewinner*innen 2025. Mei Semones erhält nicht nur die Auszeichnung selbst, sondern auch einen Voucher für Technik-Equipment in Höhe von 20.000 Euro, bereitgestellt von PRG, sowie die Nutzung eines Tourbusses von Pieter Smit für einen begrenzten Zeitraum.
Reeperbahn Festival Collide
Die Aufzeichnung der neuesten Folgen des Reeperbahn Festival Formats Collide erfolgte am Mittwoch- und Donnerstagabend mit Live-Konzerten von Sofie Royer (AUT) und The Cavemen (NGA) sowie Gizmo Varillas (GBR/ESP) und Kelvin Jones pres. MUPANI (ZWE/GBR) im Docks. Die Ausstrahlung über den Reeperbahn Festival Collide-YouTube Kanal ist monatlich ab November 2025 vorgesehen. Zusätzlich werden die vollen Konzerte im Nachgang des Festivals exklusiv in der ARTE-Mediathek zu sehen sein.
Ausblick – Vorverkaufsstart Reeperbahn Festival 2026
Der Dialog mit den Hamburger Musikakteur*innen zur stärkeren Einbindung und Sichtbarkeit der lokalen Szene wird fortgesetzt mit dem Ziel, gemeinsam konstruktiv neue Formate und Beteiligungsmodelle zu entwickeln.
Der Vorverkauf für das Reeperbahn Festival 2026 startet heute. Noch bis zum 31.12.2025 ist das Early Bird-Festivalticket für 139 Euro (brutto) für alle vier Festivaltage erhältlich. In diesem Jahr bietet das Reeperbahn Festival zum ersten Mal eine Ermäßigung für Musikfans unter 30 Jahren an. Und auch für junge Musikwirtschaftende ist nach der Early Bird-Phase ein vergünstigtes Konferenz-Ticket erhältlich. Das Early Bird-Konferenzticket ist für 219 Euro (netto) verfügbar.

Am Freitag war nicht die Zeit für die Topacts. Seht hier die Fotos vieler kleiner Konzerte: BED, Chloe Slater, Conscious Pilots, Goodwin, Helena Luna, Merv xx Gotti, Otis Mensah, Pure Chlorine, Rowena Wise, TJE, Teenage Dads, THUS, Twin Tribes. Fotos: Julia Nemesheimer.
Ein Regentag muss in Hamburg natürlich dabei sein. In diesem Jahr war es der Donnerstag. Will aber auch heißen: Die übrigen Festivaltage glänzten mit strahlendem Sonnenschein. Also ist etwas niesliges Wetter mal für einen (halben) Tag verkraftbar.
Immerhin schien musikalisch die Sonne und es ging los mit Ellice am N-Joy Reeperbus. Der Radiosender bringt viele Acts des Festivals mit kleinen Gigs frei zugänglich an die Festivalbesucher. Ein kleines Interview und dann 3-4 Songs in akustisch reduzierter Form. Die 17jährige Newcomerin steht kurz vorm Abitur und lernt vermutlich im Tourbus für die Prüfungen. 2023 war sie im Finale von „The Voice Kids“. Inzwischen geht sie ziemlich souverän mit den technischen Problemen um, die so ein Auftritt zur musikalischen Konserve mit sich bringt. Bemerkenswert war ihre extrem hohe Stimmfarbe, wobei sie die Höhen erstaunlich gut beherrschte.
Im DOCKS lieferte Gizmo Varillas einen entspannten Sound, untermalt von Visual Arts für Reeperbahn Collide und aufgezeichnet von ARTE Concerts. Der in Großbritannien lebenden spanische Songwriter brachte Elemente von Latin-Grooves und Afro-Beats mit dem Feingefühl eines typischen Singer/Songwriters zusammen. Dazu Texte zwischen Leichtigkeit und Tiefgang. Das Publikum war begeistert.
Zum RBF gehört auch, dass es nicht nur musikalische Beiträge gibt. Selbst außerhalb des Konferenzprogramms finden Panels und Lesungen statt. Ich wollte jedenfalls Marina Buzunashvilli live erleben, die ich schon seit Jahrzehnten als Promoterin kenne. Sie las aus ihrer Biographie „Die Bossin“. Marina, 1981 in Wien geboren, wuchs als Tochter einer aserbaidschanisch-georgischen Familie in Berlin-Kreuzberg auf. 2004 begann sie in der Agentur Panorama3000 zu arbeiten, zuerst in der Buchhaltung, später dann in der Presse und im Künstlermanagement. 2012 gründete sie gemeinsam mit einer Agenturkollegin die Musik- und Filmagentur Musicism & Cinelove, aus der heraus 2017 DIE MARINA entstand, eine der einflussreichsten Künstleragenturen im deutschen HipHop. 2019 folgte der Wechsel zu Sony, wo sie zunächst als Head of PR und ab 2020 als Director of PR arbeitete, bevor sie sich 2024 erneut selbständig machte.

Marina gilt als eine der einflussreichsten Größen im deutschen Musikbusiness, ihr Weg an die Spitze aber war alles andere als leicht. Aufgewachsen in Kreuzberg, war ihr Umfeld geprägt von Gewalt und Verbrechen. Einzig ihre Liebe zur Musik ermöglichte ihr den Aufstieg, gegen alle Widerstände. Sie war maßgeblich daran beteiligt, den Deutschrap von Kool Savas, Xatar oder Haftbefehl groß zu machen und arbeitet regelmäßig mit Künstlern wie Robbie Williams und Adele zusammen. Erstmals erzählt sie jetzt ihre ganze Geschichte und teilt die zwanzig Rules, die sie zum Erfolg geführt haben. Sehr emotional las sie in der Prinzenpaar jeweils ein Kapitel vom Anfang und vom Ende des Buches. Eine starke Persönlichkeit, die ihr Publikum mit jedem Wort erreichte und berührte.
Dann ging es nochmal zum Reeperbus. Soffie brachte mit ihrer Energie und Songs wie „Räuber“ das Publikum zum Tanzen. Dabei hat dieses Stück einen durchaus ernsten Hintergrund, denn es geht um (Selbst-)Zweifel, die auch davon genährt werden, dass der Hit „Für immer Frühling“ von Rechtspopulisten stark angegriffen wird und Soffie sogar Gewaltdrohungen bekommen hat. Bezeichnend jedenfalls, dass sich überhaupt ein Mensch an solchen Textzeilen anstoßen kann, die Soffie dann auch trotzig und fröhlich zum Besten gab:
In das Land, in dem für immer Frühling istDarf jeder komm’n und jeder geh’n, denn es gibt immer ein’n Platz am TischRot karierter Stoff, keine weißen Flaggen mehrAlle sind willkomm’n, kein Boot, das sinkt im Mittelmeer

Die in Brooklyn lebende Singer-Songwriterin Mei Semones gehörte dieses Jahr zu den Nominierten für den Anchor Award. Zu Recht, denn bei ihrem Auftritt im Mojo überzeugte sie mit einem ganz eigenen Sound und verspielten Arrangements. Zum besonderen Klangerlebnis trugen neben Meis warmen, aber auch vielseitigen Stimme vor allem ein Geiger und ein Bratschenspieler in ihrer Live-Band bei, die ihren Instrumenten teilweise ungewohnte Töne entlockten.
Ein bisschen schade, dass die auf der Bühne eher zurückhaltend wirkende Künstlerin auch mit ihren Ansagen sehr sparsam war. Ein paar Hintergrundinfos hätten zum Verständnis der teilweise auf japanisch gesungen Stücke beigetragen. So blieb den Zuhörern hauptsächlich das musikalische Erlebnis – dieses aber durchaus beeindruckend und auf hohem Niveau! Mei hat übrigens den ANCHOR Award am Ende auch gewonnen, der mit einem Voucher für Technik-Equipment in Höhe von 20.000 Euro dotiert ist.

Zu den Highlights am Donnerstag gehörte definitiv der Auftritt von Kelvin Jones, der im Docks sein aktuelles Projekt Mupani präsentiert. Der in Zimbabwe geborene, in London aufgewachsene und inzwischen in Deutschland lebende Künstler verbreitete vom ersten Song an gute Laune und brachte den ganzen Club zum Tanzen und Mitsingen! Auch optisch war der Auftritt etwas Besonderes, da die digitalen Hintergründe extra für dieses Projekt von den Visual Artists PFA Studios x Alessa Müller gestaltet wurden.
Mit einem kleinen Akustik-Block, den Kelvin Jones an der Gitarre mitten zwischen seinen Zuhörer*innen performte, wurde die Partystimmung kurzzeitig von einer sehr berührenden Atmosphäre abgelöst. Denn der Künstler kehrte hier nicht nur musikalisch zu seinen Wurzeln zurück, sondern verkündete auch, dass er mit diesem Projekt zu seinem Geburtsnamen Mupani zurückkehrt, unter dem er künftig auftreten wird. Die Setlist mit Songs wie „Piano“, „Call You Home“ und dem Lost Frequencies Kracher „Love To Go“ war jedenfalls einzigartig und mein magisches Highlight für diesen Konzerttag.
Ein weiteres Beispiel für wirklich ungewöhnliche Locations ist die Tatsache, dass selbst die Filiale der Hamburger Sparkasse (Haspa) zur Konzertlocation wurde. Hier hatte es sich der Hamburger Fredrik gemütlich gemacht, dessen EP „Verlernt zu fühlen“ Punkt Mitternacht erscheinen sollte. Grund genug also mit Stolz in der Heimatstadt zu performen. Fredrik tritt vielleicht so auf wie der junge Marius, lieferte aber in Tracks namens „Rotweinlippen“ und „Alle meine Lieder“ einen kraftvollen Sound, der vor allem die junge Generation und Fans von Urban Pop begeisterte.
Zurück im Imperial Theater gab es zum Abschluss Matilda Mann. Die junge Songwriterin aus London überzeugte mit modernem Indie-Folk. Ihr Debütalbum „Roxwell“ liefert unkonventionelle Klänge, wahlweise zum Tanzen oder zum Träumen. Einen Teil des Publikums hielt es trotz vorgerückter Stunde nicht auf den Sitzen. Und die akustische Ballade „The DayThat I Met You“ war ein wundervoller Abschluss für den zweiten Festivaltag.
(c) alle Fotos: Julia Nemesheimer
Wenn Hamburg zum Reeperbahn Festival ruft, dann folgt die komplette Musikwelt. Delegierte treffen sich zum Austausch und Networking, Fans kommen, um neue Künstler*innen zu entdecken. Und davon gibt es genug: über 450 Konzerte finden an den vier Tagen statt. Open Air auf der Reeperbahn („Festival Village“ Heiligengeistfeld, Spielbudenplatz), in den unzähligen Clubs und Theatern, in den Kirchen St. Pauli und St. Michaelis – und auch in der Elbphilharmonie. Da fällt die Auswahl schwer. Am besten ist es nach meiner Erfahrung, einige Topacts ins Auge zu fassen und sich ansonsten treiben zu lassen. Gerade nach dem Zufallsprinzip kann man einige wunderbare Acts neu kennenlernen.
Der erste Gang am Mittwoch musste ohnehin zur „Festival Village“ führen, da man hier zunächst Schlange steht, um das obligatorische Bändchen zu erhalten. Und schon ging es los mit den ersten musikalischen Leckerbissen: Songwriter Yunus war zu einem halbstündigen Konzert auf der „Village Acoustics“ Bühne, um seine aktuelle EP „Fühlst du das auch?“ in einer Mischung aus Pop und Rap vorzustellen. Einer netter Einstieg in gemütlichem Ambiente. Nebenan auf der fritz-kola Bühne mit ihrem coolen Aufbau (untere Etage eine Bar, obere Etage das Livegeschehen) legten dann Honey I’m Home los. Es gab hymnische Musik mit Indie-Gitarren, Dream Pop und einer Prise Shoegaze. Ganz passend unter sonnigem Himmel. Auch Jacob Elias konnte auf der Acoustic-Stage glänzen. Der junge Sänger aus Wien bot leichten Pop mit sympathischen Texten und dazu Songs wie „Situationship“ und „Wachstumsschmerz“.
Gerade die Kirchen sind eine wirkungsvolle Konzertkulisse. Und es ist ja auch nicht selbstverständlich, dass der Pfarrer selbst zur Begrüßung auf die Bühne kommt und die Festivalgäste an seinem Arbeitsplatz willkommen heißt. Sängerin und Songwriterin Mel D aus Zürich schaffte am Mittwochabend in der St.Pauli-Kirche eine ganz besondere Atmosphäre. Ihre Songs sind erstaunlich vielseitig, wobei insgesamt ruhigere Stücke überwiegen. Eindruck hinterließ vor allem Mels ausdrucksstarke und wandelbare Stimme, die sowohl solistisch glänzte, als auch im Harmoniegesang mit ihren beiden Begleitmusiker*innen. Als Mel einen Song komplett alleine a cappella präsentierte, herrschte im Publikum eine beinahe andächtige und gespannte Stille. Und dann schuf sie ein wahres Pfeifkonzert, aber nicht etwa negativ gemeint, sondern indem sie gemeinsam mit dem Publikum Vogelstimmen imitierte. Besonders schön war auch der Abschlusstitel, bei dem sie am Ende die ganze Kirche zum Mitsingen brachte. Ein gelungener Auftritt der Künstlerin, von der man hoffentlich noch viel hören wird.
Und dann vom Kleinen zum Großen, schließlich ist das RBF immer auch für Überraschungen gut. Der Auftritt von Nina Chuba ist erst ganz kurzfristig für die „amazon music“ Stage angekündigt worden, findige Gäste hatten den Schriftzug aber schon am Nachmittag in der Bühnenkulisse entdeckt. Und tatsächlich: in einem halbstündigen Promokonzert stellte der Shooting Star aus Wedel Songs aus seinem neuen Album „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ vor, dass am Freitag erscheinen wird. Die Open Air Bühnen sind frei zugänglich und ohne Ticket zu erreichen, aber in diesem Fall musste man Einhalt gebieten. Schon 45 Minuten vor dem Gig wurde der Zugang zum Heiligengeistfeld begrenzt. Wer jetzt erst kam, konnte nur aus weiter Ferne zuhören. Nina war allein auf der Bühne und brachte (live gesungen zur Musikkonserve) Stücke wie „Wenn das Liebe ist“, „RAGE GIRL“ und „Unsicher“. also durchaus die ganze Bandbreite ihrer Musik von aggressiven Parts bis hin zur von Selbstzweifeln geprägten Ballade. Dafür wurde sie grandios abgefeiert und die Show mit Hebebühne, viel Konfetti und ordentlich Pyrotechnik war es allemal wert.
Im Imperial Theater werden sonst Krimis aufgeführt – während des Reeperbahn Festivals verwandelt sich die gemütliche Location allerdings in einen Musikclub. Am Mittwochabend bot das Theater unter anderem der österreichischen Künstlerin Anna Buchegger eine Bühne, die auf bemerkenswerte Art modernen Pop mit alpiner Volksmusik und bissigen Texten kombinierte. Mit einem Jodel-Intro eröffnete sie ihr Konzert und trat gleich darauf den Beweis an, dass ein Hackbrett durchaus als Rhythmus-Instrument genutzt werden kann! Auch wenn man durch den österreichischen Dialekt nicht jedes Wort der Songs versteht, kam die Botschaft musikalisch auf jeden Fall an – und den Rest erledigten ihre sympathischen Ansagen. Insgesamt ein beeindruckender Auftritt, was nicht zuletzt auch der aus Schlagzeuger, Bassist und Keyboarderin (die gleichzeitig mit tollen Backing-Vocals überzeugte) bestehenden Band zu verdanken ist. Stimmgewaltig schuf Anna ihrer emotionalen Wut Raum und zeigte in der Theaterkulisse, dass sie auch ohne Mikro laut sein konnte.
Liang Lawrence ist eine waschechte Weltenbummlerin. Sie hat schon in Kalifornien, Kuwait, Malaysia, Japan, Neuseeland und UK gelebt. Mit einer Mischung aus Indie Pop, Folk und Country Rock brachte sie das Publikum in der St. Pauli Kirche schnell zum Tanzen. Indes machte sich im Imperial Theater Tyler Ballgame bereit. Der Singer/Songwriter aus Los Angeles ist erst vor einem Jahr so richtig ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Eine gewichtige Erscheinung mit viel Volumen in der Stimme. Seine beeindruckende Bühnenpräsenz und die weite Range in seinen Vocals führten ihn in ungeahnte Höhen. Eine grandiose Performance aus nostalgischem, zeitlosen Indie Pop zum Ende des ersten Festivaltags.
(c) alle Fotos: Julia Nemesheimer
Die Jury des Anchor – International Music Awards, bestehend aus Laurie Anderson, Bazzazian, Max Giesinger, Tayla Parx und Suzi Quatro, hat sich am Mittwoch und Donnerstag im Mojo Club die Shows der sechs Anchor-Nominees Cara Rose (GBR), Sorvina (USA/DEU), RIP Magic (GBR), Soft Loft (CHE), Mei Semones (USA) und Carpetman (UKR) angesehen, um bei der heutigen Anchor Award Show im St. Pauli Theater den internationalen Musikpreis zu verleihen.
Die Entscheidung fiel am Ende auf die Singer-Songwriterin Mei Semones, die mit ihrer Perfomance und ihren Songs die Anchor-Jury überzeugen konnte:
“Mei Semones’ performance was unlike anything we had seen before — unique, incomparable, and deeply challenging in the best possible way. Within its mystery lay an irresistible force that captivated us completely. We are convinced that this was not only an extraordinary moment on stage, but also the emergence of an artistic voice with the power to redefine what mainstream can mean.” – Die Anchor-Jury
Mei Semones erhält nicht nur die Auszeichnung selbst, sondern auch einen Voucher für Technik-Equipment in Höhe von 20.000 Euro, bereitgestellt von PRG, sowie die Nutzung eines Tourbusses von Pieter Smit für einen begrenzten Zeitraum.
Schon der Mittwoch bot ein vielseitiges Programm beim Reeperbahn Festival in Hamburg. Seht hier unsere Fotos von Nina Chuba, Mel D, Panda Lux, Sorvina, Emi X, Fliegende Haie und Widersacher aller Liedermacher. Fotos: Julia Nemesheimer.
Beim Reeperbahn Festival in Hamburg wurde am gestrigen Abend der VIA verliehen – der Kritiker*innenpreis der unabhängigen Musikbranche. Acht herausragende Künstler*innen, Musikunternehmer*innen und Projekte wurden vom Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT) ausgezeichnet. Der VIA würdigt musikalische Qualität und Innovation unabhängig von kommerziellem Erfolg.
Die Preisträger*innen des VIA 2025:
Die feierliche Verleihung fand im Schmidts Tivoli statt – moderiert von Nina „Fiva“ Sonnenberg. Musikalisches Highlight des Abends war der Liveauftritt von Sofia Portanet, die 2021 mit dem VIA als „Beste Newcomerin“ ausgezeichnet wurde. Redebeiträge kamen unter anderem von Dr. Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Medien, sowie Dr. Birte Wiemann, Vorstandsvorsitzende des VUT.
Auch in diesem Jahr wählten sechs unabhängige Fachjurys – zusammengesetzt aus Expert*innen unterschiedlichster Hintergründe – die Preisträger*innen aus.
Die Preisträger*innen im Detail:
Die Münchner Künstlerin Vandalisbin wurde als Beste Newcomer*in ausgezeichnet. Überreicht wurde der Preis von Ueli Häfliger und Winson vom Musikpodcast „Goldstückli“ – selbst „riesengroße Fans“ der Künstlerin und ihrer Songs im Spannungsfeld zwischen queerer Sexualität, Liebe, Gewalt und Selbstermächtigung.
Den Preis für den Besten Act erhielt Masha Qrella. Illustrator und Maler Chrigel Farner, der mit Masha Qrella schon lange in musikalischer Verbindung steht, würdigte die Künstlerin in seiner Laudatio als großzügige Person, deren Konzerte immer besonders feierliche Anlässe seien.
Mit einem Album voller queerer Lovesongs zwischen RnB und Cloud-Rap gewann „FC Chaya“ der Rapperin Ebow den Preis für das Beste Album. In einer bewegenden Laudatio bezeichnete Rap-Kollegin Nebou vom Hamburger Kollektiv Bangerfabrique das Album als „Manifest“ und „Soundtrack des Lebensgefühls queeren migrantischen Lebens“.
Das Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, gegründet 2002 von Marcus Wiebusch, Reimer Bustorff (beide Kettcar) und Thees Uhlmann (damals Tomte) wurde als Bestes Label ausgezeichnet. Laudator Oke Göttlich, u.a. Vereinspräsident des FC St. Pauli und Musikunternehmer, überreichte den Preis an das GHvC-Team.
Das Projekt „The Call“ von Holly Herndon und Mat Dryhurst wurde als Bestes Experiment ausgezeichnet. Es erhebt die Erstellung von KI-Systemen selbst zur künstlerischen Praxis: Indem 15 Chöre Daten generieren, die über ein bewusst gestaltetes Data-Trust-Modell gerechte Kontrolle und Mitgestaltung ermöglichen, verbindet „The Call“ künstlerische Experimentierfreude mit neuen Ansätzen ethischer Daten-Governance und kollektiver Kreativität. Die Künstler*innen meldeten sich per Videobotschaft aus Japan und bedankten sich bei der Jury während Matthias Strobel vom Verband MusicTech den Preis stellvertretend entgegennahm.
Aurismatic erhielt den VIA für Best New Music Business – das Unternehmen setzt mit seiner einzigartigen AI-basierten Monitoring-Lösung einen neuen Standard für Transparenz und Fairness im Live-Musikgeschäft. Durch die präzise Erkennung von Originalwerken, auch bei Cover- und Liveversionen, profitieren zahlreiche Akteur*innen der Branche von effizientem Reporting, gerechteren Ausschüttungen und einer verlässlichen Datenbasis. Den Preis überreichte Wolf-D. Schoepe (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht) an Aurismatic-Gründer Oliver Pauly und sein Team.
Der VIA-Sonderpreis für besondere Verdienste für die unabhängige Musikbranche ging in diesem Jahr an Frank Bull (VOD-Records) für sein außergewöhnliches Engagement als Bewahrer und Chronist der unabhängigen Musikkultur. Laudator Ronny Krieger (VUT-Vorstand) erklärte, dass Bull seit über zwei Jahrzehnten mit visionären Editionen, unermüdlicher Leidenschaft und kritischer Stimme gegenüber der Branche das kulturelle Gedächtnis der DIY- und Independent-Szene prägt.
Die „Indie-Axt“ ging an Helen Smith, Vorstandsvorsitzende des Europäischen Independent-Verbands IMPALA, die seit vielen Jahren als strategische Brückenbauerin zwischen Politik, Branche und unabhängiger Musikwelt wirkt. Mit Klarheit, Mut und Beharrlichkeit schlägt Helen Smith Wege durch Machtstrukturen und Markt-Konzentration frei und stärkt so ein pluralistisches, faires und zukunftsfähiges Musikökosystem. VUT-Geschäftsführer Jörg Heidemann überreichte den besonderen Preis und erklärte, dass die einst eingestellte Kategorie „Indie-Axt“ nach 14 Jahren erstmals wieder verliehen wird, da Smith gerade in Zeiten der Konsolidierungen im Musik-Sektor wie kaum eine andere den Geist des Preises verkörpert.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, Hamburg: „Der VIA steht wie kaum ein anderer Preis für Innovationsfreude und Vielfalt und für eine Musikkultur abseits von Kommerz. Er ehrt Künstler*innen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit mit ihrer Kreativität und dem unbedingten Glauben an die Kraft der Kultur begegnen. Sie legen mit ihrer Musik die Grundlage für eine andere, eine bessere Welt und behaupten sich mit ihrer Innovationsfreude auf dem harten Musikmarkt. Die Preisverleihung ist damit auch ein Fest der unabhängigen Musikwirtschaft und ein Zeichen des festen Willens, getreu dem diesjährigen Motto des Reeperbahn Festivals ‚Imagine Togetherness!‘ gemeinsam die Zukunft zu gestalten.“
Dr. Birte Wiemann, VUT-Vorstandsvorsitzende: „Jemand, der*die sich als triskaidekaphil bezeichnet, liebt die Zahl 13. Spätestens seit gestern möchte ich mich ebenfalls als triskaidekaphil bezeichnen, denn die 13. Ausgabe des VIA war genau das, was die Numerologie der Zahl 13 zuordnet: ein Erfolg. Meine herzlichsten Glückwünsche auf diesem Wege noch einmal an alle Preisträger*innen, die auch in diesem Jahr wieder gezeigt haben, was wir meinen, wenn wir von Vielfalt im musikalischen Ökosystem sprechen. Danke für diesen wohltuenden jährlichen Reminder. Und wie immer eine große Verbeugung an die Jury, die diese Vielfalt, den Ideenreichtum und die unabhängige Umtriebigkeit mit Kompetenz und Herzblut für uns sichtbar macht.“
Detlef Schwarte, Director Reeperbahn Festival: „Der VIA ist ja so eine Art Sahnehaube des Zusammenhalts innerhalb der Szene der unabhängigen Musikunternehmer*innen. Darum schmücken die VIA Awards das Reeperbahn Festival, das in diesem Jahr mit dem Motto ‚Imagine Togetherness‘ unterwegs ist, auf ganz besondere Weise. Wir freuen uns jedes Jahr aufs Neue über diesen Schulterschluss und die auch 2025 großartigen Preisträger*innen und die erneut launische Show.“
Der VUT bedankt sich bei der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, den Hauptförderern Merlin und GVL, dem Reeperbahn Festival, der GEMA, Phononet sowie allen Unterstützer*innen, Medienpartnern (ByteFM, DIFFUS, Kaput Mag, MusikWoche) und dem anonymen Musikliebhaber aus Hamburg, durch dessen Unterstützung der VIA mit 10.000 Euro dotiert ist. Das Berliner Presswerk Objects Manufacturing schenkt dem*er Gewinner*in der Kategorie „Bester Newcomerin“ zudem eine Vinylpressung von 100 Exemplaren.