Schrill und laut: Ein Paradiesvogel in der TUFA Trier
Kay Ray war nicht zum ersten Mal in der TUFA Trier und die meisten Anwesenden wussten wohl, was sie erwarten sollte. Der schrille Hamburger Comedian ist ruhiger geworden. Er zeigt keine Geschlechtsteile mehr und pinkelt nicht auf offener Bühne, doch seine Show dauert immer noch locker dreieinhalb Stunden und weiß von der ersten bis zur letzten Minute zu unterhalten. Bisweilen bleibt dem Publikum das Lachen im Halse stecken, doch das ist von Kay Ray so gewollt. Er singt mit Inbrunst und arbeitet oft mit purer Provokation.
Tosender Applaus von vielleicht 150 Zuschauer*innen, als er kurz nach 20 Uhr die Bühne betrat. Das Bühnenmotto „Pupst mehr Blumen!“ passte perfekt zum extravaganten Auftreten. Kay fackelte auch nicht lange und gab sehr inspiriert „Let Her Go“ von Passenger zum Besten. Auf einem Videoeinspieler war zu sehen, wie er sich vom bürgerliche Kai David in die Kunstfigur Kay Ray verwandelt. Dass es diese Einblicke fürs Publikum gibt, machte ihn sehr sympathisch – noch. Denn schon begann das gekonnte Rundumverteilen von Frechheiten und satirischen Bosheiten. Politisch korrekt? Drauf geschissen! Dem Motto muss man kaum etwas hinzufügen.
Kay Ray lamentierte mit ordinären Worten, aber immer noch extrem lustig. Seine Kommunikation mit dem Publikum war perfekt. Und er amüsierte sich köstlich, wenn es Reaktionen in egal welcher Form auf seine Worte gab. Wer zur Toilette musste: Pech gehabt. Kay konnte das niemals unkommentiert stehen lassen und animierte die Menge dazu, der Ruhesuchenden Mireille bis aufs Klo hinterher zu rufen.
Obwohl selbst überaus exzentrisch, machte er sich schon früh über das „diverse Gedöns“ und die Berufsschwulen lustig. Sein Motto ist klar: Jeder soll sein Fett weg bekommen. Egal ob Randgruppen, Ausländer, Schwule oder Behinderte. Das ist sein Verständnis von Inklusion. Musikalisch ging es erst zu Eartha Kitt, dann zu Milva. Genregrenzen kennt der Wahl-Hamburger (der ursprünglich aus Osnabrück stammt) ohnehin nicht. Er sag das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ mit einem Text zur bedrohten Pressefreiheit. Dann gab es für Ex-Verteidigungsministerien Lamprecht ein „Happy New Year“ und Ricarda Lang wurde zum Symbolbild für alle Menschen mit Übergewicht – um nicht zu sagen: Dicke und Fette.
„Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ wurde von der Tufa ungehemmt mitgesungen, was uns alle zu politisch Inkorrekten machte. Kulturelle Aneignung war das Thema – daran kann sich Kay Ray aufhängen. Er fand einen Ausschnitt von Florian Silbereisen und Beatrice Egli. Tatsächlich hatten diese den Song „1000 mal berührt“ verschlimmbessert und das Wort „Indianer gespielt“ durch „zusammen gespielt“ ersetzt. In einer Videomontage brachte er das zum Gelächter aller wieder in Ordnung. Eine Rede von Lauterbach wurde mit Ausschnitten aus „Das Leben des Brian“ hinterlegt. Auch überaus passend. „Geht die Welt heute unter, geht sie ohne mich“ (Ina Deter) und „Still Have Faith In You“ (ABBA) beendeten die erste Hälfte.
Kurz zuvor hatte ich aufs Smartphone geschaut: 21.30 Uhr. Keine Pause heute? Oh doch – die kam jetzt. Zwanzig Minuten Erholung, um die Zuschauer*innen darauf vorzubereiten, wie lange der Abend noch werden könnte. Ein normaler werktäglicher Donnerstag übrigens. Doch nur Einzelne verließen vorzeitig den Saal. Kay Ray ließ uns auch gar keine Chance zum müde werden. Teil 2 startet mit einem Horror-Ausschnitt aus „Stranger Things“ und dann sang er „Running Up That Hill“. Die Stimme hatte sich durch den stetigen Alkoholkonsum am Abend nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert. Sei’s drum. Wenn jemand auf der Bühne frank und frei singt wie unter der Dusche, hat das Publikum auch seinen Spaß. Robbies „Angel“wurde da trotz der hohen Töne locker zum musikalischen Höhepunkt.
Der rote Faden lautete: Ich gehe auf die Bühne und sabbel drauf los. Es gibt Tempo ohne Bremse im Kopf. Man muss sich bisweilen sehr konzentrieren, um den abstrusen Gedankengängen zu folgen. Damit er ungestraft auf der Bühne rauchen darf, baut Kay „Gute Nacht Freunde“ in die Performance ein. Solche Regeln gibt es in Deutschland, was künstlerische Freiheit angeht: Rauchen muss den Bezug zur Darbietung haben.
Die Gürtellinie war längst weit unterschritten. Kein Wunder, dass es für solche Bemerkungen Bühnenverbot in Monheim gibt. Zumindest zeugt es von der Kleinkariertheit einer Stadtverwaltung. Die Filmchen und Fotos die Kay zur Illustration seiner Aussagen findet, sind kurioser als bei „TV total“. Vieles davon hätte sich selbst Stefan Raab niemals getraut. Während des Songs „Winter“ wird der Künstler auf der Bühne eingeschneit. Dann startet er voller Schneeflocken eine Wutrede gegen das Gendern und belegt mit statistischen Fernsehausschnitten, wie wenige Menschen das wirklich wollen. Der „QueerWein“ aus Rheinland-Pfalz muss ebenso für einige Lacher herhalten wie die „letzte Generation“ an Kämpfern fürs Klima.
Ich will, das alle Menschen lachen! So sagte Kay Ray zum Schluss und unterlegte Pe Werners „Kribbeln im Bauch“ mit sexuellen Texten und ekligen Bilder von einem Menschen, der versucht, die schwedische Fischspeise „Surströmming“ runterzuwürgen. Da kommt einem selbst fast alles hoch, ohne dass man den Geruch dazu in der Nase hat.
Die Zugabe um 23.30 Uhr war ein letzter Höhepunkt. „Wenn einer bunt und vielfältig ist, dann bin ich es“, sagte Kay und nahm allen den Wind aus den Segeln, die sein Wettern gegen Diversität und die Gendersprache bemängeln. Das letzte Video konnte kontrastreicher nicht sein. Zu „Sag mir, wo die Blumen sind“ wurde eine Modenschau von Militäruniformen im Morast gezeigt. Skurril und absolut aussagekräftig. Kay Ray ist in seinen Aktionen vielleicht harmloser geworden, doch Themen, Texte und Bilder treffen noch immer dorthin, wo es ganz dolle weh tut.
Trotzdem bleibt er ein feiner Kerl und zollt auch denen Aufmerksamkeit, die sonst vergessen werden: Alles Personal und auch Spielleiterin Annette werden namentlich genannt und mit einem Abspann-Text bedacht.