Paul Hartmut Würdig war in Trier und die Europahalle stand Kopf. Ja, seine aktuelle Tour führte den geläuterten Aggro-Rapper auch in die älteste Stadt Deutschlands. Sein Künstlername, der sich für Unbedarfte gerne mal nach Waschmittelmarke anhört, stand zunächst für „Scheiße in dein Ohr“, später für „superintelligentes Drogenopfer“. Auch eher anmaßend als einfallsreich. Doch Sido ist längst im Establishment angekommen. Man könnte auch sagen: erwachsen geworden. Die Maske hängt sicher verwahrt im Schrank – und als hätte der Künstler viel nachzuholen, gibt es plötzlich eine unendliche Medienpräsenz des unmaskierten Gesichts: unter anderem als Moderator des „Comet“, Juror bei Castingshows in Deutschland und Österreich sowie als Schauspieler in diversen Filmen wie Mario Barths „Männersache“ und dem Kinohit „Blutzbrüdaz“. Im privaten Leben ist er mit Moderatorin Charlotte Engelhardt verheiratet und hat einen Sohn. Das Leben als Familienmensch ist eine Tatsache, die sich auch in den aktuellen Songs wieder spiegelt.
So wird jedes Konzert des Berliners inzwischen ein Stück weit auch zur Gratwanderung. Da sind seine aggressiven Songs aus der Anfangszeit mit ihren deutlichen, zum Teil gewaltverherrlichenden Texten. Auch in Trier wies es Sido zunächst weit von sich, den von den männlichen Fans vehement geforderten „Arschficksong“ anzustimmen, brachte ihn dann aber zum Ende des Konzerts natürlich doch. Ebenso Klassiker wie „Mein Block“, „Leben im Viertel“, „Meine Jordans“ und „Bilder im Kopf“.
Es ging mit einem Filmeinspieler los, in dem der Teufel den verstorbenen Sido zurück auf die Erde schickt, um „gefälligst weiter Konzerte zu geben“. So stand Sido dann anfangs allein auf der Bühne, wurde aber baldigst von DJ, Band, Backgroundsängern und Sidekick Bass Sultan Hengzt unterstützt. Ebenfalls mit an Bord war Mark Forster, der Sido bei drei melodischen Songs die Gesangsstimme gab: „Einer dieser Steine“ (die geniale aktuelle Single, die Mark Forster auch im Original featured), „Irgendwo wartet jemand“ und der ursprünglich mit Adel Tawil eingesungene Hit „Der Himmel soll warten“, den es zum Abschluss des Konzerts gab. Damit stellte Sido vor allem seine wachsende weibliche Anhängerschaft zufrieden.
So ist dem Rapper auch in Trier der Balanceakt zwischen Aggro-Vergangenheit und dem Wohlfühl-Rap im Konsens der Gegenwart geglückt. Jeder ging auf seine Art zufrieden nach Hause und ich kann die zweistündige Show durchaus als gelungen bezeichnen. Noch war es ja die Club-Tour mit reduziertem Bühnenbild. Demnächst hat Sido größeres vor und will auf der „Liebe Tour 2015“ unter anderem am 22. Januar die Saarlandhalle Saarbrücken rocken.