Wenn mich jemand fragt, was nun unter all den vielen A-cappella-Gruppen das Besondere an Viva Voce ist, dann sind es vor allem ihre Vielseitigkeit, die grandiosen Stimmen und die immer neuen Ideen. Gerade aktuell sind sie mit zwei neuen Veröffentlichungen am Start, die vor allem die besinnliche Seite des Quintetts betonen. Das können sie nämlich sehr gut: altbekannte Songs in einer ganz neuen Atmosphäre vermitteln.
„Ein Stück des Weges“ ist die CD zum neuen Kirchenprogramm. Es war schon immer ein Highlight, wenn Viva Voce nicht in den altgedienten Konzerthallen, sondern an bedeutend stilvolleren Locations aufgetreten sind. So waren es früher die „Neuen Songs in alten Mauern“, die eine andächtige Zuhörerschaft betörten. Nun gibt es ganz neue Interpretationen eigener und populärer Stücke. Die Konzerte dieses Programms starten erst im Januar 2017. Wer aber jetzt schon neugierig ist, hört sie hier in der wunderbaren Akustik der St. Gumbertuskirche in Ansbach.
Wichtig zu sagen ist noch, dass Viva Voce hier nicht etwa die Gassenhauer aus ihrem Liveprogramm mit leisen Tönen neu einsingen, sondern es ist ein komplett neues Programm. Obwohl ich ihre eigenen, deutschen Stücke eigentlich sehr mag, finde ich jetzt gerade die englischsprachigen Rock-Klassiker fantastisch: „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ klingt so stimmungsvoll und getragen, als wäre es schon immer für eine Kirche geschrieben. Und „Nothing Else Matters“ wird jenseits aller Blasphemie zum klanglichen Paradestück – einfach wundervoll. Allein auf „You Raise Me Up“ hätte ich verzichten können – vielleicht weil man es schon so oft in unterschiedlichsten Varianten gehört hat.
„Du bist da“ vereint die bekannten Klänge des Pachelbel-Stücks mit einem Text und Arrangement des klassischen Tenors David Lugert. Viva Voce singen diese Version schon sehr lange – hier klingt sie aber besonders hinreißend. Für das Programm „Ein Stück des Weges“ hat man nun viele solch philosophischer, nachdenklicher Stücke geschrieben, die man in eine religiöse Richtung interpretieren kann, die aber auch anders funktionieren. Diese singt das Ensemble im Wechsel mit den Klassikern und in einer klanglichen Fülle, die wohl nur dieses Quintett auf die Beine stellen kann. Die Kirchenakustik tut ihr übriges dazu.
Wen nun mit „Irgendwo auf der Welt“ die CD mit dem Highlight für A-cappella-Nostalgiker verklungen ist, will man einfach nur mehr. Und da es mit großen Schritten auf die Weihnachtszeit zugeht, kann ich auch gleich die nächste CD empfehlen, nämlich „Viva Voce Symphonic Christmas“.
Die Aufnahmen zu dieser live-CD sind entstanden bei einem Konzert 2015 im Regentenbau Bad Kissingen. Es handelt sich um das Weihnachtsprogramm „Wir schenken uns nix“ (vielen Fans wohlbekannt), das diesmal aber instrumental begleitet wird von der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg unter der Leitung von Enrique Ugarte.
Ich bin hier etwas zwiegespalten. Vermutlich deshalb, weil ich viele der Stücke a cappella kenne und es mich einfach stört, wenn „Maria durch ein Dornwald ging“ von einem orchestralen Sound überlagert wird. In den meisten Fällen gelingt die Gratwanderung aber perfekt. Vor allem die verswingten Songs wie „Ich steh an deiner Krippe hier“, „Frosty der Schneemann“ und „Wir schenken uns nix“ gewinnen mit der Instrumentalbegleitung. Und für Puristen gibt es noch genügend Vokalparts wie „The King Is Born Today“ und „Jingle Bells“. Ein besonderes Augenmerk (oder besser: Ohrenmerk) darf man dann noch auf Heikos durch Mark und Bein gehenden Bass zu „White Christmas“ legen – der perfekte Abschluss für diese durchdringende CD.
Viva Voce geben auf diesen neuen Veröffentlichungen einen tiefen Einblick in ihre ruhige, getragene Seite. Aber man wird sich nicht langweilen, denn der Humor kommt gerade bei der Weihnachts-CD nicht zu kurz. Ansonsten will ich beide Veröffentlichungen den Freunden schöner Gesangsstimmen sehr ans Herz legen. Das A-cappella-Album „Ein Stück des Weges“ gefällt mir einen Tick besser, doch das soll Geschmackssache sein.