Wenn ich mit Gedanken machen muss, welche drei Alben mich während meiner Schulzeit in den 80er Jahren am meisten geprägt haben, muss ich nicht lange überlegen: „Misplaced Childhood“ von Marillion, U2s „The Joshua Tree“ und Simple Minds mit ihrem Nummer-1-Album „Street Fighting Yeaus“, das im vergangenen Jahr sein 30jähriges Jubiläum feierte. Jetzt gibt es im Universal Catalogue eine Neuauflage als 4CD-Boxset, Deluxe-2CD, CD und 2LP.
Aufgenommen in Schottland in den Jahren 1988 und 1989, markierte das anspruchsvolle und ambitionierte Werk stilistisch eine Abkehr vom davor veröffentlichten Album „Once Upon A Time“. Da sie an dem Punkt schon ein ganzes Jahrzehnt lang im Rampenlicht standen, begegnet man auf dem Album sehr viel reiferen Musikern, die auch in Sachen Songwriting offensichtlich viel dazugelernt hatten. Das Ergebnis waren qualitativ ausgereifte Kompositionen.
Die Simple Minds waren in jenen Tagen zum Trio geschrumpft, bestehend aus Jim Kerr, Charlie Burchill und Michael MacNeil. Im Studio erhielten sie daher für Bass- und Schlagzeugaufnahmen prominente Unterstützung von unterschiedlichen Gästen, darunter Manu Katché von Peter Gabriels Band sowie der einstige Police-Schlagzeuger Stewart Copeland.
Weltpolitik spielte in den Texten eine große Rolle: „Mandela Day“, „Belfast Child“, die Cover-Version von Gabriels „Biko“ und das wegweisende „Soul Crying Out“ über die Thatcher-Regierung gehören zu den Meilensteinen im Schaffen der Band. Hinzu kommen hymnische Dauerbrenner wie „Kick It In“, „Wall Of Love“ und „This Is Your Land“. Dieses Album ist auch nach dreißig Jahren noch absolut relevant und musikalisch nicht tot zu kriegen.
Musikalisch bezog sich die Band unter anderem auf Folk-Einflüsse und auf keltische Klangtraditionen. Genau genommen war es ihr Produzent Trevor Horn, der dieses Folk-Element an ihnen entdeckte (insbesondere in Kerrs Stimme) und sie dazu ermutigt hatte.
Die von der Band autorisierte remasterte Neuauflage erscheint in einer Vielzahl von Formaten. Von Andrew Walters in den Abbey Road Studios neu klangtechnisch optimiert, besticht das erweiterte 4CD-Boxset unter anderem mit einer Bonus-Disc, die B-Seiten, Alternativ-Versionen und 12“ Remixe vereint, sowie mit einem bislang unveröffentlichten Konzertmitschnitt aus Verona von 1989. Das exklusive Booklet der Edition wurde von dem bekannten Designer Stuart Crouch gestaltet. Es beinhaltet unter anderem neue Sleeve Notes von Daryl Easlea, der ausführliche Interviews mit den Bandmitgliedern und dem Produzenten Trevor Horn geführt hat. Seine Texte bieten faszinierende Einblicke in die Entstehungsgeschichte dieses Album-Klassikers aus dem Jahr 1989.
Zur Review liegt mir leider nur die 2-CD-Version vor. Hier ist vor allem die Bonus-Disc interessant. Auf die Single Edits der Albumsongs hätte man noch verzichten können, aber es gibt Interessantes zu entdecken: Die B-Seiten „Saturday Girl“ und „Year Of The Dragon“ dürften vielen bekannt sein. Spannende und rhythmisch starke Remixe gibt es von „This Is Your Land“, „Waterfront“ und „Kick It In“. Zudem „Big Sleep“ in einer formidablen Liverversion. Und natürlich das Prince-Cover „Sign O‘ the Times“ von der Amsterdam-EP.
Okay. Das Album sollte in keiner Plattensammlung fehlen. Die 2-CD-Version erscheint im schönen Digipack und macht dem Release alle Ehre. Dennoch empfehle ich die 4-CD-Version. Das Livekonzert aufgemotzt mit älteren Hits wie „Don’t You“, „Alive And Kicking“ und „Sanctify Yourself“ ist schon essentiell.