Ende März hat Gary Clark Jr. sein neues Album „JPEG Raw“ veröffentlicht. Der 40-Jährige aus Austin, Texas hat sich längst den Ruf eines Blues-Virtuosen erarbeitet, der Reggae, Punk, R&B, Hip Hop und Soul in seiner Musik vereinigt und damit ein ganzes Genre neu gestaltet. Noch dazu ist Gary Clark Jr. eine verdammt coole Socke. Das stellt er gleich zu Anfang seines heutigen Konzertes im Kölner Carlswerk Victoria wieder unter Beweis, als er lässig mit Sonnenbrille und Basthut auf die Bühne schlendert und erst einmal ein Foto von den jubelnden Fans macht. Der Domstadt gebührt neben Berlin am morgigen Tag als einziger deutschen Stadt die Ehre in den Genuss der Live-Premiere von „JPEG Raw“ zu kommen. Am Ende des Abends hat Gary Clark Jr. das Album fast komplett durchgespielt. Einzig „Hearts In Retrograde“ bleibt außen vor.
Begleitet wird Gary Clark Jr. dabei von einer vierköpfigen Band und drei Background-Sängerinnen. Sie alle legen offensichtlich Wert auf geregelte Arbeitszeiten, weshalb wie angekündigt um 20 Uhr „Maktub“ den pünktlichen Start ins Set markiert. Kein Firlefanz, keine Vorgruppe, let the music do the talking. Einziger Special Effect ist ein am Rand der Bühne einsam vor sich hin kokelndes Räucherstäbchen. Beim folgenden „When My Train Pulls In“ zelebriert Gary Clark Jr. erstmals (und nicht zum letzten Mal) sein außergewöhnliches Können an der Gitarre. Bis auf die Körperstatur erinnert vieles an ihm an den verstorbenen Prince, zu dessen legendärem Tribute-Konzert in Los Angeles er vor vier Jahren nicht umsonst „Let’s Go Crazy“ und „The Cross“ beisteuerte. Doch während Prince 2011 einen Auftritt in Köln schonmal wegen Tonproblemen abgebrochen hat, sprüht sein Alter Ego im Hier und Jetzt nur so vor Spielfreude. Überflüssig zu erwähnen, dass der Sound im Carlswerk Victoria absolut perfekt ist und diesmal niemand Gefahr läuft deswegen früher nach Hause geschickt zu werden. Im Gegenteil. Am Ende werden Gary Clark Jr. und seine Band ein 135 Minuten langes musikalisches Feuerwerk abgebrannt haben.
Zu Raketen wie „Hyperwave“ darf getanzt werden. „This Is Who We Are“ rollt als monströses Klangmonster über die Kölner hinweg und das im Original mit Stevie Wonder eingespielte „What About The Children“ lässt die Legende aus Minneapolis ein weiteres Mal auferstehen. Die einzige Verschnaufpause für die mittlerweile komplett durchgeschwitzten Fans bietet „To The End Of The Earth“, während Gary Clark Jr. und seine Gitarre nicht nur aufgrund der tropischen Temperaturen im Carlswerk Victoria förmlich miteinander verschmelzen. Dennoch lässt er zwischendurch auch seinen Bandkollegen, allen voran Keyboarder Dayne Reliford, genug Raum, um ihr eigenes Können zu zeigen. Mit „Our Love“ geht es dann langsam dem Ende des regulären Sets entgegen und in der Halle kann man angesichts der unglaublichen Fingerfertigkeiten, mit denen Gary Clark Jr. sein Instrument bearbeitet, eine Stecknadel fallen hören. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob die Kölner vor Staunen oder vor Erschöpfung so still sind. Als wolle er das selbst herausfinden springt Gary Clark Jr. beim letzten Song „Habits“ in den Fotograben, um die Fans in den ersten Reihen persönlich abzuklatschen.
Bei den beiden Zugaben „Gotta Get Into Something“ und „Funk Witch U“ kommt er mit einem Glas Rotwein zurück auf die Bühne und prostet der jubelnden Menge vor sich aufrichtig dankbar zu. Als schließlich der letzte Ton verklungen ist macht er noch ein paar Abschiedsfotos und entlässt die vollauf zufriedenen Kölner nicht ohne das Versprechen bald wiederzukommen in die lauwarme Sommernacht. Gary Clark Jr.’s stilsicheres Spiel mit den verschiedensten Genres ist ebenso eindrucksvoll wie seine Fähigkeit unterschiedliche musikalische Entwicklungen so miteinander zu verbinden, dass sie ein stimmiges Ganzes ergeben und dabei keine Sekunde abgekupfert oder altbacken klingen. Es ist fast so, als würde man mit ihm durch eine Stadt gehen, von deren Häusern schon die Farbe abblättert, um sie dann neu zu streichen und ihnen so einen frischen Glanz zu verleihen. Ohne Zweifel hat Gary Clark Jr. seinem eingangs erwähnten Ruf heute ein weiteres denkwürdiges Kapitel hinzugefügt.