Feine Sahne Fischfilet bei ROCK AM RING 2025 – Fotos vom 6. Juni 2025
Feine Sahne Fischfilet rockten freitags mit „Wir kommen in Frieden“ die Mandora Stage bei ROCK AM RING. Hier unsere Galerie vom 6.6.2025, Credit: Julia Nemesheimer
Feine Sahne Fischfilet rockten freitags mit „Wir kommen in Frieden“ die Mandora Stage bei ROCK AM RING. Hier unsere Galerie vom 6.6.2025, Credit: Julia Nemesheimer
Der Auftakt mit Electric Callboy war genial – Roy Bianco als zweiter Special Guest aber sehr umstritten. Selten hat man eine solche Völkerwanderung unter den Fans schon am frühen Nachmittag erlebt (HIER unser Bericht). Doch es gab noch einige Highlights zu sehen, die ich euch nicht vorenthalten will.
Nachmittags spielte die wundervolle Christin Nichols auf der Orbit Stage – leider aufgrund der großen zeitgleichen Konkurrenz vor einer verschwindend kleinen Zuschauermenge. Dennoch: Sie legte eine starke Performance hin. Die Berlinerin ist nicht nur Musikerin, sondern auch Schauspielerin und hauptberufliches „badass girl“, das dem blöden System nur zu gern mit Killerlächeln den Mittelfinger zeigt. Das Wundervollste an ihr ist allerdings, dass sie noch nicht mal so tut, als ob dabei immer alles perfekt laufe. Ihre Musik atmet den Geist von Punk und New Wave. Es gibt den typischen Sound der 80er Jahre, aber auch eine gehörige Portion Melancholie.
Danach war Zeit für eine kleine Pause, um für Biffy Clyro wieder an der Hauptbühne zu sein. Die Schotten werden Jahr für Jahr größer und haben sicher bald das Zeug zum Headliner. Was man von ihnen bekommen kann? Eine perfekte Mischung aus Krach und Melodie. Hymnische Songs nehmen das Publikum gefangen, doch dann wird wieder rockig abgefeiert. Das unveröffentlichte „A Little Love“ zu Beginn, Highlights wie „Wolves of Winter“ und „Different People“ im Mittelteil, der Abschluss mit „Many of Horror“. Simon Neil war in grandioser Form und seine orchestrale Begleitung sorgte für Herzmomente.
Auf der gegenüber liegenden Mandora Stage hatte inzwischen Monchi von Feine Sahne Fischfilet das Heft in die Hand genommen. Deren neues Album „Wir kommen in Frieden“ ist gerade eine Woche alt und man konnte in Feierlaune die erste Nummer 1 in Deutschland vermelden. Die Welt fährt Achterbahn, und die fünf Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern wollten bewusst die oft jahrelangen Produktionsphasen klassischer Rockformationen hinter sich lassen, um mit ihren Songs direkter und schneller aktuelle Geschehnisse reflektieren zu können. So sind die zwölf neuen Lieder sowohl Rundum- als auch Befreiungsschlag: kraftvoll, wortmächtig und überraschend nah am Puls der Zeit.
Monchi kam einfach nicht umhin, von der Situation in seiner Heimat zu erzählen. 54 % AFD-Wähler. Da passt doch ein Titel wie „Grüße ins Neandertal“. Der Albumtitel ist ganz sicher kein Friedensangebot in Richtung von Nazis und Faschisten, sondern eine deutliche Kampfansage, die Monchi formulierte. Seit fast 20 Jahren sind FSF nun aktiv – im nächsten Jahr will man Jubiläum feiern. Doch 2025 geht es erst einmal um den Ring und den Chart-Spitzenplatz. Es gab Pyrotechnik aus den LCD-Würfeln, die auch hier für ein visuelles Erlebnis bis weit nach hinten sorgten, und der Frontmann versuchte sich im Crowdsurfen. Songs wie „Wenn’s morgen vorbei ist“ und „Komplett im Arsch“ sorgten für das nötige Gemeinschaftsgefühl, um diesen Gig zum kollektiven Erlebnis zu machen.
In der Umbaupause wurden übrigens sensationell LINKIN PARK als Headliner für 2026 angekündigt. Dazu gab es ein großes Feuerwerk, das auch als Pyro aus den LCD-Würfeln schoss. Ein grandioses Setting und eine gelungene Überraschung!
An selbigem Ort ging es weiter mit The Prodigy, die mit „Vodoo People“ düster und laut loslegten. Keith Palmer alias Maxim zeigte sich als charismatischer Frontmann mit fantastischer Bühnenpräsenz. Immer in Bewegung und absolut stark an den Vocals. Die Mischung aus Alternative, Hardcore, Jungle und Big Beat funktioniert seit Jahrzehnten und ist immer noch Alleinstellungsmerkmal der Band. Die Bühne wurde in ein Gewitter aus bunten Klängen und markerschütternden Klängen getaucht – dazu Tracks wie „Firestarter“, „No Good“ und „Smack My Bitch Up“. Das reichte für eine mentale Reise in die 90er Jahre, die viele Fans sichtbar genossen.
Dann aber schnell zur Utopia Stage, wo Bring Me The Horizon zur ersten Headliner-Show bei ROCK AM RING einluden. Eine große Ehre, dass sie diesen Slot bekamen, aber auch absolut verdient. Die Band aus Sheffield gehört schon längst zur Speerspitze des Metal und spielt gern mit computergenerierten Mitteln, die sie gekonnt in ihre Bühnenshow einarbeiteten. Das Album „Post Human: Nex Gen“ folgt einem dystopischen Konzept. Im Bühnenbild gab es zunächst einen sakralen Aufbau, doch die SF-Momente nahmen im Verlauf des Konzerts immer mehr Raum ein.
Zum einen wurde mit gigantischen Moshpits eine famose Metalmesse gefeiert, daneben gab es aber auch die virtuelle Videoshow auf den riesigen LCD-Flächen. Man war in ständiger Interaktion mit dem Publikum und den virtuellen Animationen. Dadurch entstanden manchmal seltsame Pausen im Ablauf des Sets, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Performance war im Gesamten absolut großartig. Ein textsicheres Publikum wurde durch Stücke wie „Teardrops“ und „Shadow Moses“ geführt, es gab das schon bekannte Cover von „Wonderwall“ (OASIS) mit viel Wumms und Fan Kristina durfte die Band bei „Antivist“ stimmlich (und sehr gekonnt) unterstützen.
Zur Ballade „Follow Me“ fing die Kamera magische Momente von jungen Damen ein, die von ihren Freunden auf den Schultern getragen wurde. Danach gab es einen Tanz im Konfettiregen und die Show endete mit einer Zugabe aus „Doomed“, „Drown“ und „Throne“. Der Set hatte zwar nicht die versprochenen zwei Stunden Länge, aber er wurde zum intensiven Erlebnis und zum gelungenen Abschluss des ersten Festivaltags.
Vielen ist Monchi alias Jan Gorkow vermutlich als Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet bekannt. Wer einmal ein Konzert dieser politischen Rockband aus Mecklenburg-Vorpommern gesehen hat, dem wird vor allem der charismatische und kraftvolle, übergewichtige Frontmann in Erinnerung geblieben sein. Zu Spitzenzeiten brachte er nach eigenen Angaben 182 Kilo auf die Waage. Heute sagt er: „Ich wiege 120 Kilo und fühle mich wie ein Schmetterling“.
Vermutlich ist es nicht politisch korrekt – und fällt vermutlich unter den Tatvorwurf „Bodyshaming“ – sich über Monchis Gewicht auszulassen. Doch Feine Sahne Fischfilet haben auch nicht gerade die politische Korrektheit neu erfunden. Man erinnere sich an die Textpassage „Niemand muss Bulle sein“ aus dem Song „Wut“. Und Monchi macht mit dem Titel „Niemals satt“ seine Fressgier ganz unumwunden zum Thema. Dabei ist das aber nur der oberflächliche Anlass für diese Autobiografie. In wirklich geht es um viel mehr: nämlich um den Hunger nach Leben, den sich die Rampensau und der Grenzgänger der Maßlosigkeit nicht nehmen lassen will.
Schonungslos ehrlich und mit kumpelhafter Sprache erzählt das Buch zwei Geschichten. Im Hintergrund schwingt (natürlich) immer die Band mit und der beispiellose Aufstieg aus der Provinzstadt Jarmen vom Hansa-Rostock-Hooligan zur Galionsfigur der linken Szene. Die Band hatte er mit Schulfreunden gegründet und lange Zeit wurden sie aufgrund der expliziten Texte und der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen vom Verfassungsschutz beobachtet.
Ebenso wichtig ist aber der Selbstfindungsprozess nach der schockierenden Entdeckung backstage bei einem Konzert 2019 in Bamberg, dass die Waage ohne Klamotten 182 Kilo anzeigt. Wer sich selbst zerstören will, googelt in dem Moment nach dem BMI und findet heraus, dass 49,4 fast das doppelte der gängigen Definition von Übergewicht ist.
Vielleicht war es Karma, dass diese Entdeckung mit dem Beginn der Corona-Pandemie einherging. Dem Jahr 2020, in dem sich Feine Sahne Fischfilet ohnehin eine mindestens einjährige Bandpause verordnet hatten. Wo will man denn auch noch hin, wenn man als deutschsprachige Band bei Rock am Ring die Hauptbühne zur besten Sendezeit geknackt hat, als Punkband auf Platz 3 der deutschen Charts gelandet ist und Charly Hübner eine Dokumentation („Wildes Herz“) zu Band und Frontmann gedreht hat?
Wir hören von seiner Essstörung, von der Zuckersucht, von der Scham, wenn man Freunden die Süßigkeiten weg frisst, von den Schwierigkeiten, sich den Arsch abzuwischen. Auf der einen Seite stehen die Maßlosigkeit, das exzessive Leben, die Gier nach immer mehr und nach Leben. Auf der anderen Seite der Wunsch, etwas daran zu ändern, eine Waage zu finden, die mehr als 160 Kilo anzeigt, mit den Kumpels beim Paragliding mitzumachen.
Und plötzlich geht es um Selbstdisziplin, um den Wunsch, etwas zu ändern. Fitnessstudio, Ernährungsberatung, Sport, Kalorienzählen, das ganze drum und dran. So wird die Biografie über zwei erstaunliche Lebensjahre und die entsprechenden Hintergründe zu einer Art Selbsthilfebuch. Aber ohne esoterisches Gelaber – allein schon die Wortwahl zwischen Arschloch und Fotze sprechen entschieden dagegen. Die Gefühle auf der Reise zwischen Erfolgen und Rückschlägen werden schonungslos offen gelegt. Und Monchi wird mir als Leser sympathischer, als er es als prolliger Frontmann je gewesen ist. Auch die Familie – vor allem die Eltern – spielen eine Rolle und machen diese seltsame Reise sehr emotional.
Monchi beschreibt mit schonungsloser Ehrlichkeit und Selbstkritik, wie er es in nur einem Jahr geschafft hat, 65 Kilo abzunehmen, und wie ihn der Kampf gegen die Maßlosigkeit seitdem täglich beschäftigt; mit vielen kleinen Erfolgen, aber genauso vielen Rückschlägen – denn die Herausforderung hat gerade erst begonnen. Auf diesem steinigen Weg ist ein besonderes Buch entstanden, das voller faszinierender Gedanken und Geschichten steckt. Monchi trägt sein großes Herz auf der Zunge – und so schreibt er auch!
Der Samstag bot eine enorme Überraschung gleich zu Beginn: FEVER 333 lieferten auf der „Crater Stage“ eine dynamische Show ganz im Stil von Rage against the Machine und Public Enemy. Dafür sollten sie später am Abend noch von Slayers Tom Araya schwer gelobt und damit geadelt werden. Die Band aus Los Angeles hat mit Jason Butler einen fantastischen Frontmann, der mit viel Enthusiasmus politische Botschaften verbreitete und ständig in Bewegung war. Er erklomm kurzerhand das Dach des Mischpults, um Deutschland als Land zu loben, in dem einer sich um den anderen kümmert und kein Schwarzer sich ob seiner Hautfarbe vor Gewalt fürchten muss. Damit sprach er vielen Teilnehmern auf diesem friedlichen Festival aus der Seele.
Auf andere Art spannend wurde es mit SEILER UND SPEER auf der Hauptbühne. Die in ihrer Heimat sehr beliebte Band aus dem Komiker und Schauspieler Christopher Seiler sowie dem Filmemacher Bernhard Speer lieferte deftigen Rock aus Österreich. Dazu gab es solide Gitarren und österreichische Vocals. Musikalisch nicht ganz mein Fall – aber bei Rock am Ring wird ja kaum eine Band verhalten aufgenommen. Auch dieses Duo aus dem Nachbarland wurde gefeiert. Und es hatte die Lacher auf seiner Seite, als der Abgang zu den Klängen von „Going to Ibiza“ erfolgte.
Dann folgte die einstündige Wahnsinnsshow von FEINE SAHNE FISCHFILET. Sänger Monchi (Jan Gorkow) freute sich wie ein kleines Kind, als er von der jubelnden und tanzenden Menge empfangen wurde. Natürlich hatten zahlreiche Bengalos den Weg auf das Festivalgelände gefunden und die Menge wurde in rote und blaue Rauchschwaden gehüllt, wie Rock am Ring sie bisher noch nicht erlebt hatte. Das Publikum feierte den totalen Abriss. Gefühlt waren ALLE vor der „Volcano Stage“ (und das um 17.30 Uhr!) und keiner, der die großen Circle Pits und das kongeniale Abtanzen mitgemacht hatte, wird ohne blaue Flecken nach Hause gegangen sein. Es gab – wie erwartet – politische Botschaften en masse, beispielsweise ein offizielles „Fick dich“ an alle AFD Wähler und die Forderung nach Straffreiheit für Seenotrettung. Ja, solche Botschaften gehören an diesen Ort, auch wenn manche fordern, die Politik außen vor zu lassen. DIE ÄRZTE sollten es Monchi später am Abend gleichtun. Monchi forderte Menschlichkeit, nicht nur gegenüber Flüchtlingen. Er vergaß auch nicht den Dank an Feuerwehr und freiwillige Helfer bei Rock am Ring – und das Heimatgefühl für Dörfer, dem er mit „Geschichten aus Jarmen“ ein musikalisches Denkmal gesetzt hatte.
Im Anschluss waren die DROPKICK MURPHYS gute Kandidaten, um mit Akkordeon, Dudelsack und viel Spielfreude die gute Stimmung in den Abend mitzunehmen. Bei ihrem Celtic Punk aus Quincy in den USA, der so irisch klang, wie man sich das nur vorstellen kann, konnten auch ergiebige Regenschauer den Spaß nicht verderben.
Danach gab es auf der „Crater Stage“ die ARCHITECTS mit feinstem Metalcore. Was für eine Energie: Growls, Hysterie und formidable Circle Pits sorgten für Stimmung. Ein bedrohlich bewölkter Himmel schaffte die perfekte düstere Atmosphäre und Shouter Samuel David Carter zeigte sich beeindruckt, dass Leute bei diesem Festival sich vom Regen nicht die Stimmung verderben ließen. Er betonte, sich in Deutschland sehr daheim zu fühlen und man bekräftigte dies mit einer enormen Portion Pyrotechnik.
BRING ME THE HORIZON, die zum Teil sicher das gleiche Publikum ansprachen, spielten leider parallel mit einer ebenso starken Powershow. Diese war mit ansprechenden Videos versehen und es gab gar Tänzerinnen auf der Bühne. Als Cheerleader feuerten sie die Menge an. Wer schafft den größten Moshpit? Hier waren vermutlich Bring me the Horizon die Sieger – zumindest am Samstag. Obwohl es zwischendurch auch durchaus poppige Klänge zu hören gab, widmete Oliver Sykes die Show Slayer als den Heavy-Metal-Urvätern.
Ein orchestrales Intro und Choräle vom Band kündigten SABATON und ihre Bombastshow an. Songs wie „Ghost Division“ wurden mit einer gewaltigen Knalleffekt-Pyro versehen. Dazu lieferten die Schweden heroischen Gesang und einen ordentlichen Klangteppich. So wurden epische und gewaltige Schlachten auf der Bühne geschlagen.
Währenddessen konnten einem die Protagonisten auf der „Alterna Stage“ fast leid tun. Vor recht überschaubarem Publikum durfte man die feinen und doch sehr stimmgewaltigen Töne von KOVACS genießen. Solch verkopfte Popmusik scheint bei RAR keine Rolle mehr zu spielen. Schade eigentlich, konnte man hier doch vor einer Dekade noch umtriebige Sängerinnen wie Kate Nash und Ellie Goulding abfeiern. Sharon Kovacs betörte die Anwesenden mit verspielt poppigen Melodien und zwei Backgroundsängerinnen.
Auf der Hauptbühne kam endlich der große Moment, auf den 85.000 Fans gewartet hatten. Die Bühne war schwarz verhangen für DIE ÄRZTE. Es gab ein „Drei ???“-Intro und der Vorhang fiel. Fuck – noch ein Vorhang! „Country Roads“ erklang und die Menge sang den „take me home“-Part, der augenscheinlich dem Nürburgring gewidmet war, begeistert mit. Farin, Bela und Rod starteten dann mit „Unrockbar“ durch und gaben recht bald das Motto des Abends vor: Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist („Lied vom Scheitern“). Besonders umjubelt wurden Klassiker wie „2000 Mädchen“ und moderne Klassiker wie „Lasse redn“. Es gab eine zünftige La Ola gegen die Kälte und man drückte sein Bedauern darüber aus, dass man parallel zu Slayer spielt – doch die Welt kann nicht „Perfekt“ sein.
Für mich dann aber der willkommene Anlass, mit einem lachenden und einem weinenden Auge die Bühne zu wechseln. Es war einfach Ehrensache, auch die fulminante Abschiedsshow von SLAYER zu genießen. Mit Flammenwerfern auf der Bühne präsentierten die Veteranen eine heiße Show. Von Müdigkeit war absolut nichts zu spüren. Fast ohne Ansagen folgte Klassiker auf Klassiker und es war ein Traum, diese gigantische Show zu sehen.
Da Slayer nur 70 Minuten spielten, war ich pünktlich zum „Schrei nach Liebe“ zurück bei der ärztlichen Versorgung an der „Volcano Stage“. BelaFarinRod hatten ja auf eigenen Wunsch 150 Minuten zur Verfügung und vertrödelten diese nicht nur mit ihren Hits, sondern auch mit einer dialoglastigen Comedyshow und diversen Späßen. Wenn es wirklich die letzte Tour der Ärzte sein sollte (was natürlich keiner glaubt und hoffentlich nur aus Marketingzwecken befeuert wird), haben sie hier am Ring eines der besten Konzerte ihrer Karriere geboten. Es gab „Westerland“ als Karaoke Version vom Publikum, „Zu spät“ im Handy Lichtermeer und „Du willst mich küssen“ wurde zumindest angespielt. Wie schon erwähnt war auch Zeit für politische Botschaften. Und man warnte vor den neuen Nazis, die keine Skinheads mehr sind, sondern Dackel-Krawatten tragen.
Das Feiern wollte kaum ein Ende nehmen. Alles fror in der Eifelnacht, doch keiner wollte das spüren. „Junge“ konnte man im Zugabenblock entspannt eröffnen – dann wurde wieder zünftig Party gemacht. Doch irgendwann fielen auch die letzten Partybiester in ihre Zelte.
Hier findet ihr unsere Fotos vom zweiten Tag Rock am Ring 2019.
Hier unsere Fotogalerie zu Feine Sahne Fischfilet in Trier, 22.11.2018
Punk-Konzerte in ausverkauften Hallen kommen nicht allzu häufig vor. Und bis vor kurzem tauchten Feine Sahne Fischfilet auch keineswegs in der Riege der massenwirksamen Publikumshelden auf. Klar haben sie schon bei vielen Festivals gespielt, beispielsweise beim „Love Gets Dangerous“ im ExHaus Trier, oder die Broilers vor der ausverkauften Arena Trier supportet, doch die Headliner-Show in der Europahalle ist schon etwas Besonderes für die Band aus MeckPomm. Und dass hier gleich an zwei Abenden hintereinander die Halle voll bis zum Rand ist, ist natürlich Folge der „Dessau-Affäre“. Einladung und Ausladung durchs Bauhaus Dessau. Die damit verbundenen politischen Querelen – und schon wird man zum Vorzeigeobjekt der linken Szene. Mit Recht! Denn auch viele gemäßigte und sogar konservative Kräfte konnten diesen Eiertanz und das Duckmäusertum vor den neuen Rechten nicht nachvollziehen.
Sei’s drum. Trier harrte dem Auftritt mit gespannter Erwartung und wurde nicht enttäuscht. Es gab ein bunt gemischtes Publikum: Die knallharte Punk-Fraktion in Bühnennähe, immer in Bewegung und in Feierlaune, das eher abwartende Publikum auf den abgesetzten Stufen im hinteren Hallendrittel. So wurden beide Seiten gut bedient. Als Support waren Enraged Minority am Start. Ihr Musik war – nun ja – nicht gerade filigran. Leider auch sehr dumpf abgemischt. Und das Textverständnis ging (selbst bei den Ansagen) gegen Null. Egal. Die Rolle als Einheizer hat die Band gut erfüllt. Sie zeigte sich auch dankbar gegenüber Feine Sahne Fischfilet und verwies glücklich darauf, dass man „ja sonst nur den Support in kleinen Zentren geben darf“. Also genau die Rolle, die FSF bis vor kurzem relativ oft inne hatten. Dementsprechend verausgabte man sich auch in dem 40minütigen Set. Vor allem Sänger und Schlagzeuger agierten, als hinge ihr Leben davon ab. Es gab Songs für Karl Marx und für die kurdische Freiheitsbewegung. Ein knallbunter, energischer Mischmasch, der die Lust auf die Hauptband steigerte.
Feine Sahne Fischfilet starteten ihr Konzert hinter geschlossenem Vorhang. Zunächst gab es ab 21 Uhr eine Reihe bekannter Punkklassiker vom Band abgespielt, beispielsweise den uralten Yankees-Hit „Halbstark“ (interpretiert von den Toten Hosen). So war das Publikum kollektiv gut eingesungen, als der Vorhang für FSF fiel. Der Jubel machte deutlich, dass da die neuen Helden der Szene auf der Bühne standen. Das aktuelle Album heißt „Sturm & Dreck“ und so prangte der Titel auch in großen Lettern im Bühnenhintergrund. Sänger Monchi (Jan Gorkow) ging von Beginn an auf Tuchfühlung mit den Fans. Dafür gab es ein Richtung Zuschauer raus geschobene, kleines Podest, über das er in voller Größe in Richtung der tanzenden Meute ausgreifen konnte. Mittendrin statt nur dabei. Wie sein Künstlername schon vermittelt, sieht Monchi eher wie ein großer Kuschelbär aus als wie das neue Aushängeschild des Politpunks.
Los ging es mit „Zurück in unserer Stadt“. Bei den vielen Auftritten, die FSF schon in Trier hatten, sehr passend. Schon beim zweiten Song „Alles auf Rausch“ wurde die Europahalle zum Hexenkessel mit kleiner Pyroshow im Publikum und einer wild tanzenden Meute. „So lange es brennt“ war dann der erste ältere Titel und machte deutlich, dass hier nicht nur das aktuelle Werk abgefeiert werden soll. Musikalisch war die Band ganz vorne – traditionell wurde der Punk hier schließlich von zwei Bläsern mit Funk-Einlagen verschärft. Das gibt ein glänzendes Alleinstellungsmerkmal.
Monchi war in Topform und die Band in bester Spiellaune. Einige Follower wurden zum Abfeiern auf die Bühne geholt, es gab einen Ritt durch die Zuschauermenge per Bananenboot, und was an Bier ins Publikum verschüttet und gespuckt wurde, grenzte schon an Alkoholmissbrauch. Natürlich wurden auch ernste Töne angeschlagen. „Ich mag kein Alkohol, nur das Besoffensein“ kann schon nachdenklich machen. Die Schlacht um die Stadt Kobanê stand symbolisch für den Bürgerkrieg in Syrien und wurde im Song „Suruç“ besungen: „Wir haben’s verteidigt. Bauen’s gemeinsam wieder auf.“
„Lass uns gehen“ war nach 80 Minuten der letzte Song vorm Zugabenblock. Doch damit war das Konzert noch lange nicht beendet. 1200 Zuschauer holten die Band schnell wieder auf die Bühne zurück. Monchi lobte den Verein Mare Liberum für sein Engagement, der mit Infostand im Foyer vertreten war und an beiden Tagen vor dem Konzert mit Veranstaltungen in der Tufa auf seine Arbeit der Rettung in Seenot geratener Flüchtlinge aufmerksam machte. „Zuhause“ folgte als Song für eine grenzenlose Welt und später das tröstliche „Wir haben immer noch uns“.
Außerhalb der Europahalle war der Abend zum Glück ziemlich unspektakulär. Keine protestierenden Nazis, keine Bombendrohung. Es war ein Abend zum Feiern, was die Anwesenden ordentlich taten. Heute Abend geht’s weiter. Wer Lust bekommen hat: sorry, ausverkauft.
Hier findet ihr unsere Fotos vom Deichbrand Festival vom 20. – 23. Juli 2017 bei Cuxhaven.
Seht hier unsere Fotos vom Love Gets Dangerous Festval im ExHaus Trier – 12.9.2015
Die Open Air-Saison in der Region Trier ging auf der Sommerbühne des ExHauses zu Ende – wie sich das gehört. Leider nur vor 700 Zuschauern. Das lag bestimmt nicht am Line Up, denn die Veranstaltung war ausverkauft. Doch brandschutzrechtliche Bestimmungen machen neuerdings den wirklich großen Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung. Schade, denn das Ambiente stimmt noch immer. Der beschauliche Innenhof ist perfekt dafür, es in Deutschlands ältester Stadt ordentlich krachen zu lassen.
Das Festival „Love Gets Dangerous“ stand ganz im Zeichen der antifaschistischen Musikszene. Punk und linker HipHop waren die Markenzeichen der drei deutschsprachigen Headliner, die ab 19 Uhr die Bühne stürmten. Zuvor hatte ich leider Giulio Galaxis und The Baboon Show verpasst. Vor allem letztere sollen den Nachmittag ordentlich gerockt haben, doch man hat ja noch einen Brotjob und muss manchmal Kompromisse schließen.
Wie auch immer. Mit Love A ging es ordentlich zur Sache. Die Post-Punkband hat ihre Wurzeln in Trier und so wurden die Lokalmatadore ordentlich abgefeiert. Das aktuelle (dritte) Album trägt den Titel „Jagd und Hund“ und ist äußerst vielseitig. Einige Prisen Indierock und New Wave mischten sich auch im ExHaus zwischen die typischen Punk-Kracher. Leider ist es ja allgemein üblich, die sinnschweren Worte in diesem Musikstil zu vernuscheln. Aber was die Botschaft war, konnte auch so jeder ahnen: „Nazis raus“ und „Fickt das System“.
Eine Stunde ging viel zu schnell vorbei. Und dann war der HipHop dran. Passt sowas heutzutage? Jawollja, denn die Antilopen Gang ist so herrlich revolutionsromantisch. Schlagzeilen machte die Band im Sommer mit einem Gratiskonzert vor dem Flüchtlingsheim in Freital. Coole Sache. Für ihre Überzeugungen stehen die Rapper ebenso ein wie der Punk von nebenan. Man singt auch gerne mal „Fick die Uni“ – schließlich ist Trier Studentenstadt. Und der Schlagzeuger hämmert wie irre auf den Bestand eines Schrottplatzes ein. Es war auf jeden Fall eine irre Show. Und es wurde lauter und auch bunter auf der atmosphärisch beleuchteten Bühne.
Feine Sahne Fischfilet schließlich hatten nicht nur den geilsten Namen, sondern inzwischen auch ein Stammpublikum in Trier, da sie Ende letzten Jahres als Support der Broilers die Arena gerockt und so manchen Ersttäter überzeugt hatten. Die Punks aus MeckPomm mit ihrem sympathisch rundlichen Frontmann Monchi nahmen wie immer kein Blatt vor den Mund. Warum auch? Dem Verfassungsschutz sind sie eh ein Dorn im Auge und T-Shirt Aufschriften wie „Niemand muss Bulle sein!“ unterstreichen die Differenzen, die man mit der Staatsgewalt hat.
Musikalisch war die Band ganz vorne – traditionell wird der Punk hier schließlich von einigen Bläsern mit Funk-Einlagen verschärft. Das gibt ein glänzendes Alleinstellungsmerkmal an einem solchen Festivalabend. Stimmungsmäßig wurden dann auch wieder Bengalos gezündet, was bei diesen Konzerten dazu gehört, und im Rudeltanz einige blaue Flecken verteilt.
Der krönende Abschluss der Festivalsaison in Trier ist jedenfalls gelungen. Um 23 Uhr dürfte jeder ausgelaugt genug gewesen sein, um beseelt den Heimweg anzutreten. Die Botschaft des Abends ist auch bei jedem angekommen: Es geht um Liebe, nicht um Hass!
Hier findet ihr unsere Fotos vom zweiten Tag von Rock am Ring am 06. Juni 2015 auf dem Flugplatz in Mendig