Wie viele andere Fans auch bin ich gestern mit sehr gemischten Gefühlen in die Trierer SWT Arena gegangen. Eine „Originalshow“ mit dem Orchester Pepe Lienhard und dem großartigen Udo Jürgens nicht leibhaftig auf der Bühne sondern über LCD-Leinwand eingespielt? Wird das passen? Wird die Stimmung eines echten Konzerts aufkommen? Werden wir mehr geboten bekommen, als einen Kinofilm mit Livemusik? Die Ticketpreise waren ja doch ganz ordentlich – trotzdem war die Arena ordentlich gefüllt, was sich schon bei der Parkplatzsuche zeigte.
Es ist jetzt fast zehn Jahre her, dass Udo Jürgens plötzlich im Alter von 80 Jahren verstarb. Auf seinen Live-Konzerten präsentierte er sich immer als großer Sänger und Charmeur. Sicher nicht stimmlich perfekt, aber stets mit einem Augenzwinkern, mit sehr sympathischem Auftreten und in ständiger Kommunikation mit seinen Fans. Man bekam ein Bild von ihm als ehrlicher Künstler, der nicht übertreibt, der sich nicht bei seinem Publikum einschleimt, der sich aber von der Begeisterung tragen lässt und in emotionalen Momenten auch mal feuchte Augen bekommt. Dabei wusste vor allem der emotionale und nachdenkliche Udo zu gefallen, der viele persönliche Songs interpretierte.
In Trier endete die erste Staffel der „Da Capo“ Shows, die ab April 2025 fortgesetzt werden. Und man hatte bei dieser Produktion einiges aufgefahren: Das große Orchester mit Bläsern und Streichern unter der Leitung des Saxofon-Meisters Pepe Lienhard, ein vierköpfiger Backgroundchor, Udos Duettpartnerin Dorothea Lorene als Stargast und Tobias Licht als Moderator des Abends. Das alles versteckte sich zunächst hinter einem Vorhang, der dann schnell zu einem instrumentalen Medley der größten Udo-Hits fiel und das Orchester im besten Glanze zeigte.
Es ging nicht direkt mit den großen Hits los, sondern mit Stücken wie „Hautnah“ und „Alles aus Liebe“. Die meisten Mitschnitte stammten vom letzten Konzert, das Udo am 7. Dezember 2014 in Zürich gespielt hatte. Zunächst fand ich es etwas befremdlich, das Orchester live und Udo nur aus den Boxen zu hören, doch die Bildregie hatte ganze Arbeit geleistet. Livebild und Einspieler wurden perfekt zusammengeschnitten und ich ertappte mich immer wieder dabei, das reale Geschehen mit der Aufnahme in Einklang bringen zu wollen. Dennoch war ich in den ersten 20 Minuten nicht wirklich emotional gepackt, doch spätestens mit „Ich würd es wieder tun“ war es dann um mich (und viele andere) geschehen:
Von Zeit zu Zeit werf ich den Blick
Auf meinen bunten Weg zurück
Auf das was war, und dabei wird mir klar
Ich würd es wieder tun, ich würd es wieder tun
Die Berg- und Talfahrt durch die Zeit
Selbst alles das, was ich bereut
An dem ich hing – und das in Brüche ging
Ich würd es wieder tun, ich würd es wieder tun
Fast als hätte Udo geahnt, dass er hier ein abschließendes Statement singt. Dazu war er dann oft in Großaufnahme zu sehen. Man konnte seiner Mimik und den Blicken folgen, auch manche Ansagen wurden im Konzertablauf belassen. So folgte zu „Der Mann ist das Problem“ eine durchwachsene Lebensbeichte von Udo und passend sang Tobias Licht, der selbst ausgebildeter Musicaldarsteller ist, eine Kurzversion von „Frauen“. So war die Show hervorragend von Track zu Track abgestimmt.
Dorothea Lorene sang das Duett „Ich will – ich kann, I can – I will“ live mit Udo von der Leinwand und rief erste Begeisterungsstürme hervor. Sie ist einfach eine stimmgewaltige Erscheinung. Es gab viel Abwechslung im Geschehen, denn Tobias interpretierte als smarter Sänger ein Medley aus Udo-Klassikern und dann wurde der ganz neue Song „Als ich fortging“ aufgeführt, den das Orchester live spielte während Udo aus dem Off dazu sang. Dieses Stück hatte man im Nachlass des verstorbenen Künstlers gefunden und zu Ende produziert.
Vor der Pause gab es noch viele weitere Highlights wie das berührende „Mein Bruder ist ein Maler“, „Immer wieder geht die Sonne auf“ mit Sängerin Julia Schiwowa, den gefeierten Klassiker „Ein ehrenwertes Haus“ und den Superhit „Griechischer Wein“. Bei letzterem wurde deutlich, wie sehr Udo diesen Song liebte und auf der Bühne zelebrierte. In Großaufnahme konnte man seine feuchten Augen bei der Interpretation sehen und spüren, wie er die Einsamkeit des Gastarbeiters nachempfand. Ganz großes Kino – im wahrsten Sinne des Wortes – mit dem nach 75 intensiven Minuten die Pause eingeläutet wurde.
Auch im zweiten Teil gab es immer wieder kleine Anekdoten aus Udos Leben. Vor allem Pepe Lienhard hatte einiges zu erzählen und schilderte auch die letzte Begegnung der beiden am Abend vor Udos Tod.
Mit Dorothea gab es ein glanzvolles Mash-Up aus „Ich war noch niemals in New York“ und dem englischen „New York, New York“. Wenn Udo von der Leinwand manchmal seine kleinen Ansprachen an das Publikum richtete, war es bisweilen extrem still in der Arena. Alle hingen an seinen Lippen – und das waren wahrhaft magische Momente. Und dann ein Song wie „Der gekaufte Drachen“. So intensiv, so stark, so kritisch.
Während er so erzählte mit dem Glas in der Hand
Sah niemand den Kleinen, der im Türrahmen stand
Als er anfing zu reden, war es plötzlich ganz still
Denn er sagte: „Papa ich weiss nicht, ob ich das will“
Ich will mit Dir einen Drachen bau’n
Mit Dir einen Drachen bau’n
Für so was hast Du niemals Zeit
Udo hatte neben seinen Schlagern auch immer ein Gespür für emotionale und hintergründige Texte. Schön, dass diese in die DA CAPO Show Einzug gehalten haben und man sich nicht allein auf die Gassenhauer verlässt. Auch Udos Songwriter-Tätigkeit für andere Künstler wurde nicht vergessen, so sang Dorothea Lorene den englischen Titel „If I never sing another song“, den Udo ursprünglich für Frank Sinatra geschrieben hatte, der dann aber hauptsächlich von Sammy Davis Jr. performt wurde. Ein grandioses Beispiel für Udos Kompetenzen in Jazz und Swing.
Inzwischen waren viele Zuschauer*innen von den Sitzen und hatten sich zum Happening direkt vor der Bühne eingefunden – so als könnten sie dem Meister wahrhaftig zujubeln. „Mercie Cherie“ und „Mit 66 Jahren“ beendeten den Hauptset des Abends, aber jeder weiß doch, dass Udo immer im Bademantel zurückkam und weitere Hits am Piano spielte. Würde das auch jetzt der Fall sein? Ja! Das Orchester hatte schon Feierabend, aber von der Leinwand gab es Udo ganz allein am Klavier mit einem Medley aus „17 Jahr blondes Haar“, „Vielen Dank für die Blumen“ und „Liebe ohne Leiden“. Er forderte das Publikum zum Mitsingen auf und alle waren folgsam. Zum Schluss verblasste der Konzertfilm und es wurde ein bewölkter blauer Himmel gezeigt. So bewegend endete das Konzert und viele Fans gingen mit Tränen in den Augen nach Hause, voller Trauer und schöner Melancholie. Ob ich das Konzert empfehlen kann? Auf jeden Fall! Ein schönes Andenken an einen großen Künstler, absolut glanzvoll umgesetzt. 2025 geht’s weiter:
09.04.2025: Bremen, Halle 7
11.04.2025: Bielefeld, Stadthalle
13.04.2025: Lingen, Emsland Arena
23.04.2025: Dortmund, Westfalenhalle
26.04.2025: Neu-Ulm, ratiopharm arena
27.04.2025: Frankfurt am Main, myticket Jahrhunderthalle Frankfurt
29.04.2025: Erfurt, Messe Erfurt
30.04.2025: Leipzig, QUARTERBACK Immobilien ARENA
01.05.2025: Chemnitz, Stadthalle Chemnitz – Stadthallen-Saal
02.05.2025: Regensburg, Das Stadtwerk.Donau-Arena
03.05.2025: Fulda, Kongress- und Kulturzentrum Fulda Hotel Esperanto