Nach zwei Tagen Fury in the Slaughterhouse wurde es am Samstagabend lauter vor der Porta Nigra in Trier. Jennifer Weist, Hardrock-und Punkqueen aus Berlin, rockte den Vorplatz des altrömischen Stadttores mit ihrer Band, die sich Jennifer Rostock nennt. Zutaten dafür waren ein Hello Kitty-Keyboard, Einhornwichse, eine Regenbogenfahne und sehr viele Fickfinger. Doch dazu später.
Ich muss gestehen, dass ich am dritten „Porta hoch 3“ Abend etwas spät an war und die Punkrocker von Radio Havanna nur in der Endphase ihres Auftritts zu hören bekam. Locker vor dem Calchera sitzend mit einem Eisbecher in der Hand. Von dort verfolgte ich ein sehr gelungenes „Alles nur geklaut“ (Coversong von den Prinzen) und stimmungsvolle, gegen die AFD gerichtete Ansagen, die auf solchen Konzerten – mit Recht – einfach dazu gehören. Ein Bengalo-Feuer war zum Ende hin perfekte Bühnenbeleuchtung und brachte das Publikum zum Ausrasten.
Die halbstündige Pause wurde zum Abkühlen gebraucht, dann ging es fast pünktlich um 21.05 Uhr mit Jennifer Rostock weiter. Die Sängerin betrat die Bühne und zeigte zur Freude der Zuschauer fast alles: ihre Tattoos und viel Haut. Die Kleidung bestand aus Schuhen, Knieschonern, Hot Pants, einem Bustier und einer knappen Jeansjacke. So ist man das von Jennifer Weist gewohnt und so löste sie von Beginn an Jubelstürme aus.
Das Konzert ging mit „Baukräne“ gleich in die Vollen und sorgte für Ausgelassenheit vor und auf der Bühne. Songs wie „Kein Bock aber Gästeliste“ und „Kopf oder Zahl“ heizten ordentlich ein. Jennifer wies darauf hin, dass die Band die fantastische Kulisse der Porta Nigra während des Konzerts gar nicht sehen konnte („schön für euch“) und ging gleich mal in Kontakt zu den Zaungästen auf den umliegenden Balkons.
Jeder Song wurde laut rausgebrettert und es ging munter durch die fünf Studioalben der Band, allerdings mit deutlichem Schwerpunkt auf dem aktuellen Werk „Genau in diesem Ton“. Die Aussage ist stimmig und wurde schreiend mit starken Riffs und aggressiver Attitüde umgesetzt. Ein Pendeln zwischen Punk und deutschsprachigem Hardrock. So lieben wir die Band, die ursprünglich von der beschaulichen Insel Usedom stammt. Davon merkte man hier nichts mehr, wenn die laut vorgetragenen Vocals und ein wahres Bassgewitter auf den Hörer einprasselten.
Das Konzert war eine Riesenparty und meist wurden die Songs einfach raus gebrettert, zwischendurch mal wieder ein Schnaps getrunken und Nico (Sänger der deutschen Mathcore-Band War from a Harlots Mouth) als Shouter zur Verstärkung geholt.
Mittendrin gab es einen kleinen Akustik-Block, stilecht per Hello Kitty-Keyboard begleitet. „Irgendwo anders“ hieß der erste leise Song, und dann gab es Jennifers Herzenssong „Jenga“, der von ihrem Ex-Lover handelt und den sie dann prompt einem getrennten Pärchen aus der zweiten Reihe widmete, das immerhin noch gemeinsam zu ihrem Konzert gekommen war.
Ruhephase vorbei – Jennifer erinnerte an das 10jährige Jubiläum der Band, prophezeite noch einige Überraschungen bis Ende des Jahres und weiter ging es mit harten elektronischen Klängen, starken Growls und dem Song „I love you, but I’ve chosen Dispo“. Zum Titel „Neider machen Leute“ kam eine Schaumkanone zum Einsatz und brachte „Einhornwichse“ (O-Ton) unter die feiernde Menge. Solche Accessoires liebt die Sängerin. Sie holte dann prompt zu „Ein Schmerz und eine Kehle“ eine Regenbogenfahne auf die Bühne, um ein politisches Statement abzugeben, und dirigierte einen großen Circle Pit in den Zuschauerreihen.
Bereits nach 65 Minuten Verausgabung gab es mit „Wir waren hier“ den letzten Song vor der Pause. Die Zugaben boten wieder volles Programm von harten Riffs bis Hardrock-Röhre. Gastsänger Nico versuchte sich als Stagediver und wurde (wie übrigens auch viele Zuschauer) vom Security-Personal über die Absperrung gehievt. Auch Jennifer hatte einige Worte für die AFD übrig und forderte alle Zuschauer auf, diesen jetzt und immerdar den ausgestreckten Fickfinger zu zeigen: „Nazis raus, Schwanz rein“ war die Abschluss-Parole.
Nach 95 Minuten Dauer-Power beendete ein ausuferndes „Hengstin“ das vermutlich lauteste und aggressivste Konzert, das die Porta Nigra je erleben durfte. „Genau in diesem Ton“ passt hervorragend in unsere Zeit. Maul halten? Auf keinen Fall! Das überwiegend junge Publikum feierte jedenfalls noch lange weiter.
Die tolle durchsichtige Bühne bleibt noch bis zum Altstadtfest stehen und erlebt heute das Philharmonische Orchester des Theaters Trier mit einem Klassik-Programm. Toller Kontrast! Und auch das Bespielen antiker Stätten geht weiter, nämlich im Amphitheater Trier: Dort gibt es am 21.7.2017 die Beginner, am 22.7. In Extremo auf ihrer „Burgentour“ und am 23.7. den genialen Helge Schneider. Nix wie hin!
Setlist – Jennifer Rostock in Trier, 17.6.2017
Baukräne
K.B.A.G.
Kopf oder Zahl
Mein Mikrofon
Irgendwas ist immer
Kaleidoskop
Irgendwo anders (akustisch)
Jenga (akustisch)
I love you, but I’ve chosen Dispo
Neider machen Leute
Feuer
Ein Schmerz und eine Kehle
Deiche
Wir waren hier
Wir sind alle nicht von hier
Schlaflos
Es war nicht alles schlecht
Hengstin