Auf meiner Bucketlist der Konzerte, die man gesehen haben muss, fehlt mir Oasis, weil ich dafür damals eben doch noch ein wenig zu jung war. (Auch wenn den ersten beiden Alben „Definitely Maybe“ und „What’s the story morning glory?“ mein Herz voll und ganz gehört.) Aber weil die Gallagher-Brüder sich nicht mehr mögen, wenn sie das überhaupt mal gemacht haben, gibt es heute „nur“ Noel. „Nur“ steht aus gutem Grund in Anführungszeichen.
Ruhiger ist Noel Gallagher geworden, erzählt er vor kurzem noch im Interview mit dem SZ-Magazin. Aber nicht, wenn es darum geht, alle Musik die neu und nicht seine ist, schlimm zu finden. Ihm fehlt die Rebellion der Jugend, sagt er, da gibt es keine Botschaft mehr. Niemand braucht Justin Bieber oder Adele. Allerdings habe ich auch bei Noel Gallagher nicht das Bedürfnis, die Bühne zu stürmen und mit Steinen zu schmeißen. Live ist Noel recht wortkarg. Erst nach einigen Songs begrüßt er das Publikum, und wenn er dann mal redet, versteht man nicht viel.
Wie dem auch sei, das ist hier im Palladium auch gar nicht wichtig. Ich habe alleine mit seiner Musik einen verdammt guten Abend. Was für ein Sound! „In the heat of the moment“ holt mich endgültig ins Boot. Das sind alles so gute Songs, ich möchte einfach nur hier stehen und sie mir anhören.
Der Sound wabert wunderbar abgestimmt um mich herum (3. Reihe), die Gitarre kann alles. Obwohl ich sonst auf Konzerten lieber schreie und tanze, möchte ich hier einfach stehen und zuhören. Damit das Konzert gar nicht erst eintönig werden kann, obwohl die Gefahr überhaupt nicht besteht, weiß Mr. Gallagher natürlich, wie er sein Publikum bei der Stange hält. Schon als 5. Song an diesem Abend spielt er „Talk Tonight“ von Oasis und das Publikum strahlt und singt. Ich mag es hier.
Und dann erwischt es auch mich, die sich eh schon richtig gut amüsiert hat, eiskalt: Der 8. Song. Ganz ruhig spielt er die ersten Takte von „Champagne Supernova“, und plötzlich pubertiere ich wieder mit meinen Mitschülern am See und das Leben ist kompliziert und gleichzeitig wunderschön. „So many special people change“, singt er, ach was, wir alle singen, und er tritt zurück und lässt uns machen. Noel Gallaghers neueren Sachen sind gute Stücke, die ich hier ohne zu zögern mit meinem Vater, meinem besten Freund oder mit irgendwelchen ausgeliehenen Kindern hören würde. Aber diese alten Oasis-Songs gehören ihm nicht mehr, und er weiß es und er lässt sie uns.
Ab diesem Moment wird der Abend mehr und mehr zu einem Oasis-Konzert. „Sad Song“ spielt er und das wunderbare „Half the world away“. Sein neuer Song „If I had a gun“ wird mittlerweile genauso mitgesungen wie alles andere. Und dann gipfelt der Abend in der Zugabe: Ich stürze durch die Menge und während ich meine Freunde suche, spielt Noel „Wonderwall“. Natürlich ist ab diesem Punkt alles vorbei. Ich gebe die Suche auf und bleibe bei einer Gruppe englischer Fans stehen, die mich gleich in ihre Mitte aufnehmen und dann kommt der zweite Moment des Abends, für den ich viele andere Konzerte, die ich bisher gesehen habe, ohne zu zögern eintauschen würde. Wir alle zusammen reißen unsere Arme hoch und singen „Don’t look back in anger“.
Wie froh ich bin, dass mir Freunde zu diesem Konzert geraten und mir die Augustines als Vorband den letzten Schubs gegeben haben. Noel Gallagher kann noch immer perfekte Pop-Songs schreiben. Und sie live spielen. Und ich habe das allererste Mal „Champagne Supernova“ und „Dont look back in anger“ live gesehen, von denen ich schon fast vergessen hatte, wie wichtig die mir mal waren.