Am 27.9.2018 war Passenger zu Gast in der ausverkauften Live Music Hall in Köln. Ich durfte zunächst ein Interview mit dem sympathischen Briten führen, musste mich danach aber wie alle anderen in die einige Hundert Meter lange Schlange durch die Kölner Lichtstraße einreihen. Kein Problem – in der wärmenden Abendsonne. Und eine gute Möglichkeit, die Atmosphäre der gespannt Wartenden zu schnuppern.
Vor einem Jahr sah ich ihn auf einem wundervollen, atmosphärischen Open Air in Luxemburg. Damals noch mit großer Band. Und er jagte den Zuhörern einen gehörigen Schrecken ein: jetzt sei erst einmal eine längere Pause angesagt. Eigentlich allzu verständlich, ist Mike David Rosenberg aus dem britischen Brighton doch seit Jahrzehnten auf fortwährender Tour. Bevor er pausierte, sollte allerdings noch ein neues Album erscheinen: „The Boy Who Cried Wolf“. Wie immer voller eingängiger und emotionaler Akustik-Balladen. Und schon ein Jahr später erschien das neue Album „Runaway“. Übrigens das zehnte Studioalbum in elf Jahren. War wohl nichts mit Pause. Die Gründe dafür erläutert Mike HIER im Interview.
Nun aber zum Konzert. Den Anfang machte Steph Grace aus Australien. Eine junge Songwriterin, die wie Passenger mit Straßenmusik angefangen hat und nun die große Chance erlebt, mit ihm auf Tour zu gehen. Ein schöner Support, der einen magischen Moment zu bieten hatte: Als Steph einen Song für ihren verstorbenen Vater ankündigte, ging plötzlich ein Handylicht in der Menge auf, dem viele viele Weitere folgten. Steph Grace war überwältigt von diesem Zeichen und brach mitten im Song in Tränen aus. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr das Publikum so aufmerksam zuhörte. Aber es war nun mal ein ganz besonderer Gig mit einem speziellen Publikum. Auch Passenger lobte die Kölner später für ihre Stille zwischen den Songs. Steph Grace hat sich auf jeden Fall mit diesem kurzen Support in die Herzen der Zuschauer gespielt. Man hoffte, noch mehr von ihr hören zu dürfen.
Passenger erschien kurze Zeit später allein mit Gitarre auf der Bühne und begann den Set mit dem ruhigen „Fairytales & Firesides“. Er hatte schon im Interview gesagt, dass es nach der großen Tour mit kompletter Band wieder an der Zeit ist, zurück zu den Wurzeln zu gehen. So spielt er die momentane Europatournee allein ohne Brimborium. Nur Stimme und Gitarre. Selbst die Rhythmus-Elemente erzeugt er auf dem Gehäuse selbst.
Trotzdem gab es aber nicht nur stille Momente. Schon „Life’s For The Living“ wurde als Rockhymne ordentlich abgefeiert, gefolgt von dem nicht weniger starken neuen Song „Hell Or High Water“. Das ruhige „David“ widmete Passenger einem Obdachlosen, den er einmal vor einem Hostel getroffen und mit dem er sich mehrfach unterhalten habe. Eine Geschichte, voll aus dem Leben gegriffen. Und er erzählte nicht nur bei den Ansagen zwischen den Songs, sondern auch im Stück selbst. Die Leute hingen an seinen Lippen, was Passenger auch erfreut bemerkte.
Ein besonders intimer Moment entstand bei der Ballade „To Be Free“, die Passenger seinen Großeltern widmete. Der Großvater stammte aus Köln, die Großmutter aus Polen. Beides Juden, die während der Nazizeit aus Deutschland fliehen musste. Er appellierte an die Fans, allen Flüchtlingen zu helfen, was ihm großen Applaus einbrachte. Während des Songs kochten die Emotionen hoch – vielleicht als Passenger klar wurde, dass er hier in Köln singt. Dem Ort, aus dem sein Großvater fliehen musste. Zumindest brach ihm für einen kurzen Moment die Stimme. Die Liebe des Publikums war ihm sicher.
Eine Coverversion von „Sound Of Silence“ leitete er mit der Geschichte von einem jungen Fan ein, der ihm unlängst versicherte, was für einen tollen Song er da geschrieben habe. „Wenn ihr den zufällig mal trefft: Bitte erzählt ihm nicht, dass das Stück nicht von mir ist.“ Was man dann aber hören durfte, war eine Hammerversion des altbekannten Titels mit viel Energie und enormer Lautstärke. Aus der Ballade wurde ein starker Rocksong.
Das lustige „I Hate“ mutierte zur lang ausgedehnten Mitsingnummer. Dann sagte Passenger mit vielen Worten die neue Single „Survivors“ an. Die Leute hörten so gebannt zu, dass er irgendwann die bange Frage stellte, ob noch Überlebende anwesend seien. Eine Frau rief „We are here“ und Passenger konnte erlöst in den Song starten. Auch zu „Let Her Go“ entstand ein Moment, den Passenger bisher noch nicht erlebt hatte: Im Publikum gab es einen Heiratsantrag und die Menge jubelte dem frisch verlobten Paar zu. Passenger änderte dann auch prompt eine Textzeile in „Don’t Let Her Go“.
Bereits nach einer Stunde begann der Zugabenblock. Solo gibt Passenger keine ellenlangen Konzerte, aber diese sind so intensiv, dass sich kaum einer darüber ärgert. Nochmal eine Coverversion: Bruce Springsteens „Dancing In The Dark“. Und den Abschluss bildete eine ausgedehnte Version von „Holes“, die wieder zum Mitsingen anregte. Man kann nur sagen, dass die 75 Konzertminuten absolut rund waren und Passenger das Publikum im Sturm eroberte. Der ehemalige Straßenmusiker weiß noch gut, wie er mit der Menge umzugehen hat. Und er entließ eine bestens gelaunte Zuschauerschar in die Kölner Nacht.