Wie immer eine Woche vor dem Altstadtfest stand die älteste Stadt Deutschlands ganz im Zeichen guter Musik. Und wie immer war Vielfalt Trumpf, denn es wurden ganz unterschiedliche Geschmäcker bedient. Dabei war es diesmal ein Festival der kurzen Namen: Tom und Joja, Flo und Max, und zweimal sorgte der unglaubliche Jan für Furore. Was das Publikum angeht, zeigte sich eine Steigerung von Mittwoch bis Samstag: am Mittwoch gab es noch Sitzplätze und (vielleicht auch bedingt durch das Deutschland-EM-Spiel) einige freie Plätze, am Donnerstag bewies Max Giesinger vor ca. 2500 Zuschauer*innen enorme Publikumsnähe und am Freitag sowie Samstag feierte der unglaubliche Jan Delay bei seinen ausverkauften Konzerten vor mehreren Tausend Menschen zwei Partys, wie sie diese Stadt noch nicht oft erlebt hat.
Die Location vor dem Wahrzeichen Porta Nigra ist einfach fantastisch. Auch durch das nach rechts und hinten leicht ansteigende Gelände, das allen Anwesenden eine gute Sicht beschert. Und nicht nur das – auch die Soundkulisse ist perfekt, da die Häuserzeilen auf beiden Seiten den Klang weit in die Innenstadt tragen. Kein Wunder also, dass auch vor der Absperrung an allen Tagen eine Megaparty stattfand. Wer den Eintrittspreis scheute, ließ sich einfach mit Decke oder Klappstuhl in der Fußgängerzone nieder. Dort konnte man zumindest die Musik in bester Qualität genießen. Auch das Wetter war an allen Abenden perfekt, als habe die Porta den Sonnenschein für sich gepachtet. Man merkte am mit Regenkleidung ausgestatteten Publikum, dass es dem Frieden nicht ganz traute, aber es blieb durchgehend trocken und gab bisweilen gar strahlende Sonne sowie blauen Himmel.
Mit Tom Gaebel war am Mittwoch, 19.6., ein begnadeter Sänger, Entertainer und Bandleader zu Gast. Er begeisterte das Publikum mit seiner Show „Sinatra Summer Swing“ und hatte dafür sein starkes Orchester mitgebracht, das noch mit dem grandiosen Jazzpianisten Joja Wendt verstärkt wurde.
Die Show dauerte netto zwei Stunden und war durch eine Pause geteilt. Im Programm waren – wie der Name schon sagt – vor allem Titel, die Frank Sinatra weltweit bekannt gemacht hat. „Fly Me To The Moon“ nahm passend die Stimmung auf, die der Einzug der deutschen Mannschaft ins Achtelfinale gerade vorgelegt hatte. Dabei waren die Zuschauer*innen noch recht müde und wachten erst bei „Quando, Quando, Quando“ so richtig auf. Tom hatte die passenden launischen Ansagen und erklärte dem Publikum, was es mit dem Song „Don Camisi“ auf sich hat, den er als bekennender Don Camillo-Fan in jungen Jahren so sehr liebte. Dabei ging es um den Klassiker „Words (don’t come easy)“, der dann in einer glänzenden Swing-Version zu Gehör gebracht wurde. Ebenso wie ein deftiges Ratpack-Medley, das als Gaebels Markenzeichen gelten kann.
Nach 40 Minuten übernahm unter tosendem Applaus Joja Wendt, der natürlich mehr war als nur ein Support, sondern vielmehr eine wichtige Ergänzung der Show. Wenn seine Finger zu einem „Trier Boogie Woogie“ für 88 Tasten über den Flügel rasten, war das mehr als grandios. Joja hatte schließlich schon beim Wacken Open Air gespielt und interpretierte manche Stücke mit Rockstar-Gehabe und „Frittengabel“. Zum Schluss gesellte sich Tom Gaebel hinzu und es gab „Ol‘ Man River“ im kongenialen Duett. Allein dafür hatte sich der Abend gelohnt und man konnte getrost in die Pause gehen.
Im zweiten Teil gab es Bossa Nova Songs mit Gitarre und auch Klassiker wie „Strangers in the Night“. Toms Stimme ist einfach perfekt für diese Musik – smart und elegant. Joja lieferte den „Hummelflug“ mit HipHop Grooves und konnte im Duett mit dem Publikum zudem als Sänger bei „Got My Mojo Workin'“ glänzen.
Zum Finale gab es von Gaebel natürlich „New York, New York“ und „My Way“ sowie eine äußerst lebendige Version von „Ich wär so gern wie du“ aus dem Klassiker „Dschungelbuch“. Diesen besonderen musikalischen Abend zweier hervorragend aufgelegter Stars wird man in Trier so schnell nicht vergessen.
Auch am Donnerstag, 20.6., war die Eröffnung mit Florian Künstler mehr als nur ein einfacher Support. Der Künstler aus Lübeck, der tatsächlich diesen Nachnamen trägt, ist nämlich momentan selbst auf gut besuchter Tour und war erst kürzlich in der Garage Saarbrücken zu Gast. Das Jahr 2023 kann der Lübecker Singer-Songwriter wohl als das Jahr seines Durchbruchs in der deutschen Musikszene abspeichern. Zuerst erreichte sein Hit „Kleiner Finger Schwur“ Millionen von Nutzern der Plattformen TikTok und Instagram und dann stiegt sein Debüt-Album „Gegengewicht“ von 0 auf Platz 11 in den deutschen Album Charts ein. Seitdem hat sich im Leben von Florian Künstler so einiges positiv verändert, vor allen Dingen kommen deutlich mehr Menschen zu seinen Konzerten und zeigen sich zutiefst berührt von den emotionalen Texten des charismatischen Sängers.
In Trier brachte er seinen gefühlvollen Wohlfühlpop mit positiven Botschaften sehr sympathisch unter die Menschen. Hymnen wie „Vergiss die guten Tage nicht“ und „Tausende mehr“ brachten alle zum Mitsingen. Es gab „Das größte Kompliment“, „Gegengewicht“ und natürlich „Kleiner Finger Schwur“, wobei ein Raunen durchs Publikum ging – „ach der ist das“. Florian sagte, er fühle sich wie nach einem Sauna-Aufguss, so warm war es an dem Abend. Doch nach seinem halbstündigen Slot verließ er ebenso glücklich wie das Publikum die Bühne. Vielleicht hat er genug neue Freunde gewonnen, um in Kürze selbst als Hauptact vor der Porta zu spielen.
Max Giesinger hatte übrigens seinen ersten richtigen Gig in Trier, auch wenn er in der Region nun wirklich kein Unbekannter ist. Der gebürtige Karlsruher war schon mehrfach in Luxemburg und im Saarland am Start. Für den Showauftakt gab es einen fallenden Vorhang und viel Konfetti – ein Auftakt nach Maß. Schon zu „Irgendwann ist jetzt“ und „Legenden“ stand Max mitten im Publikum. Seine Nähe zu den Fans ist ohnehin berüchtigt, und hier schrieb er schon früh im Konzert fleißig Autogramme.
Das nächste Album ist nach eigenen Worten so gut wie fertig und einzelne Titel wie „Butterfly Effect“ wurden schon live geübt. Es gab aber auch bekannte melancholische Sachen wie „Die Reise“. Einfach grandios, wenn Max seine Geschichte in Songs erzählt.
Mitten im Publikum war eine zweite Bühne aufgebaut. Dorthin begab er sich und lieferte das neue „Wimpernschlag“ ebenso wie das nachdenkliche „4000 Wochen“ über die begrenzte Lebenszeit. Auf Wunsch des Publikums spielte er dann noch „Stand By Me“ und „Highway To Hell“ bevor es mit der Party auf der Bühne weiterging. „Auf das, was da noch kommt“ wurde ebenso abgefeiert wie „Wenn sie tanzt“ und „Ohne dich“ als Cover der Münchner Freiheit. Mit „Zuhause“ ging der Abend dem Ende zu, doch es gab in der Zugabe noch das neue Stück „Menschen“ mit der Band als Chor und natürlich „80 Millionen“ für das Max zunächst wieder ins Publikum ging. „Für immer“ beendete den Set um 22.45 Uhr und entließ die Trierer in eine laue Sommernacht.
Mit Nachdenklichkeit und Melancholie war dann am Freitag/Samstag Schluss. Jan Delay wollte mit den Leuten feiern und das gelang ihm aufs Heftigste. Bei „Porta hoch drei“ hat der Künstler aus St. Pauli jedenfalls den Vogel abgeschossen – in jederlei Hinsicht. Alles hat getanzt, gesungen, gesprungen, gefeiert – mit Megastimmung vor und hinter der Abstimmung. An den Fenstern und selbst auf den Dächern (!) der Häuser in der Simeonstraße gab es ein umtriebiges Publikum. Ob die Porta jemals eine solche Sause erlebt hat? Das darf bezweifelt werden.
Vor den Topact hatte man aber noch einen Support gesetzt. Haiyti nannte sich die deutsche Rapperin aus Hamburg, deren Set mit DJ Beat und AutoTune nicht so wirklich der Bringer war. Immerhin brachte sie die ersten Menschen zum Tanzen und damit war die Mission wohl erfüllt.
Meister Jan Delay kam mit seinem „Intro“ und einem fröhlichen „Hallo, Hallo“ auf die Bühne, die er fortan fest im Griff hatte. Eine starke Band im Hintergrund, drei Bläser links, drei stimmgewaltige Backgroundsängerinnen rechts – damit ging es direkt in die Vollen. Der Abend stand unter dem Motto „25 Jahre Jan Delay“ und bezog sich damit auf die grandiose Solokarriere, die er neben seiner Arbeit mit den Beginnern um die Jahrtausendwende startete.
Der Discosound ging schon bei „Klar“ durch Mark und Bein. Dafür braucht man eine sehr gute Anlage, eine perfekt aufgelegte Band und herausragende Leute am Mischpult. Alles gegeben, wie man bei „Türlich, Türlich (wir brauchen Bass)“ unumwunden feststellen konnte. Nach dem funky „Showgeschäft“ kam auch noch Kollege Denyo für die kleine Prise Rap auf die Bühne und es gab neben „Spaß“ und „Hammerhart“ ein tanzgewaltiges „Beginners Medley“. Wer da noch nicht mitsingen konnte, tat es schließlich beim souligen Nena-Cover „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“.
Zwischendurch erzählte Jan von seiner Karriere und den durchaus unterschiedlichen musikalischen Ideen, die er stets mit entsprechenden Songs illustrierte. Die Reggae-Phase musste das Publikum entscheiden, indem Jan vier Songs zur Auswahl gab. Gewonnen hatte „Wassermann“. Selbst Rio Reiser kam zu souligen Ehren, als Jan seine ganz spezielle Version von „Für immer und dich“ unters Volk brachte.
„Sie kann nicht tanzen“ wurde sogleich mit großer Bewegung gekontert. Hier waren alle Generationen am Feiern – auch viele Kids hatten sich zur musikalischen Früherziehung mit ihren Eltern eingefunden. Den üblichen Dreikampf von Stopptanz (Freeze), Aus-der-Hocke-hochspringen und Wedeln mit Weste oder T-Shirt meisterte Jan gemeinsam mit dem Publikum. Nach 90 Minuten führte dies zum ersten Finale mit „Oh Johnny“.
Erst pünktlich um 23 Uhr sollte das Konzert enden, um Trier zur Ruhe kommen zu lassen. Im Zugabenblock wurde nochmal mit „Mercedes Dance“, „Pump Up The Jam“, „Eule“ und „St. Pauli“ aufgewartet. Jan Delay hatte Trier im Sturm erobert und seine Konzerte waren durch und durch stimmig. Wetter, Atmosphäre, Sound, Party, Stimmung – da blieben keine Wünsche offen. Aber eigentlich, wie ein Zuschauer in der Reihe hinter mir sagte: „Die Konzerte vor der Porta sind immer geil. Egal wer spielt.“ Will man dem noch was hinzufügen? Diese Kulisse bringt jeden Künstler und jede Künstlerin zu Höchstleistungen. Wir freuen uns schon auf 2025!
Alle Fotos auf dieser Seite von Simon Engelbert, PHOTOGROOVE