Purple Schulz kann sein Publikum auch nach Jahrzehnten noch überraschen. Das weiß jeder, der ein aktuelles Konzert des Kölner Künstlers besucht hat. Er gehört nämlich nicht zu denen, die ihre alten Hits für Nostalgiker abnudeln und möglichst wenig daran verändern. Im Gegenteil: Seine Songs sind immer in Bewegung. Neben den vielen neuen Titeln, die er von den letzten beiden Alben zu Gehör bringt, gibt es auch die Klassiker in zum Teil überraschenden Versionen.
Ganz im Vordergrund steht aber das aktuelle Album „Der Sing des Lebens“, das vor einem Jahr als Doppel-CD erschien und kürzlich auch im Vinylformat herausgebracht wurde. Zehn Songs, die am Abend im Schleppi allesamt gespielt werden sollten. Purple ist sehr überzeugt von diesem Album – und das kann er auch getrost sein. Die Zuschauer hingen an seinen Lippen, folgten den Textzeilen und sangen immer wieder die Refrains mit, auch wenn sie den Song zum ersten Mal hörten.
Purple Schulz saß häufig am Keyboard, das die Lieder mit atmosphärischen Melodien und gekonnt eingespielten Samples vertonte. An seiner Seite hatte er den Gitarristen Markus Wienstroer, der je nach Stimmung des Songs auch mal zur Violine griff. Was die beiden im Duo zustande brachten, war auf jeden Fall einer kompletten Begleitband würdig. Auch hier zeigte Purple, dass man mit reduzierten Mitteln manchmal viel mehr erreichen kann.
Die Bestuhlung war etwas seltsam im gut gefüllten Saalong. der mit vielleicht 150 Zuschauern die Grenzen seiner Auslastung erreicht hatte. Es gab Tischreihen, aber das ist Purple ja von seinen Engagements bei der Kölner „Stunksitzung“ gewohnt. Publikumsnähe kam trotzdem auf, wie man bemerken konnte, wenn die Zwischenrufe eines Zuschauer auf der rechten Seite bisweilen überhand nahmen. Purple versuchte, darüber hinweg zu gehen, doch es gelang ihm nicht immer. Viele Songs des Kölners brauchen nun mal eine andächtige Stille. Und wenn diese nicht gegeben ist, kommt er aus dem Konzept.
Im ersten Konzertteil gab es fast nur neue Titel, die Purple fast komplett mit seiner Frau Erie geschrieben hat, der er Richtung Merchandise-Stand immer verliebte Bemerkungen zurief. Die beiden sind schon ein tolles Paar. „Das ist nicht fair“ funktionierte als Protestsong neuer Generation. Es ist nämlich ein Lied für alle Retter und Pfleger, deren Arbeit oft nicht gewürdigt wird. So kam dann auch eine altehrwürdige „Protestgesang-Mundharmonika“ zum Einsatz. Das Lied „Schweigen“ wurde von Purples ältestem Sohn Ben Schulz geschrieben und er durfte es sich für Album und Tour ausleihen. Mit „Es reicht“ gab es einen weiteren politischen Song – und „Da denkste jetzt mal drüber nach“ ist quasi eine Beschwerde in Richtung Gott ob der Zustände in unserer Welt.
Vor der Pause verwandelte Purple Schulz sich vom Singer / Songwriter in einen Schlagersänger mit Migrationshintergrund. Schwarze Perücke, angeklebter Bart, ein Anzug nach Art alter Küchentapeten – und schon konnte die „integrative Kraft des deutschen Schlagers“ mit dem Song „Wir werden das schaffen“ zelebriert werden. Im Anschluss war Zeit für eine 20minütige Pause und man konnte sich auf Teil 2 freuen.
Der begann dann standesgemäß mit dem ersten Song des Abends, der aus dem letzten Jahrtausend stammte: „Nur mit dir“. Das Stimmengewirr zu Beginn verwandelte sich dann auch schnell in ein andächtiges Zuhören, das zumindest mal für einige Minuten anhielt. Man konnte in Erinnerungen schwelgen und darüber nachdenken, in welchen Situationen man dieses Lied schon gehört hatte. Purple bemerkte aber, dass es so viele Stücke über das erste Mal gibt, aber kaum eins über „Das letzte Mal“. Darum hatte er auch noch ein solches Lied mitgebracht.
„Das ist die Zeit“ wurde nachdenklich mit Gedanken über den Terror in Deutschland eingeleitet. Es folgte der Klassiker „Sehnsucht“ in einer solcherart reduzierten Version, dass jeder im Saal Gänsehaut haben durfte. Purple erzählte vom Klavierunterricht bei Frau Bauer und seiner Liebe zu Johann Sebastian Bach. Er spielte dessen Melodien auf dem Klavier und verknüpfte sie schließlich in einem Zaubermoment mit „Kleine Seen“. Das kann man nur als magisch bezeichnen.
„Verliebte Jungs“ wurde ebenso zur rockigen Mitmachnummer wie „Gerade noch gefehlt“. Jetzt war die Stimmung bei allen im Saal angekommen und das reguläre Konzert konnte mit „You can’t always get what you want“ von den Rolling Stones abgeschlossen werden. Sogleich gab es stehende Ovationen für die beiden Protagonisten auf der Bühne und natürlich Zugabe-Rufe nach dem zweistündigen Konzert.
Im Zugabenblock wurde „Ich hab Feuer gemacht“ zu Gehör gebracht und der noch fehlende Song des aktuellen Albums: „Nimm es mit“. Ich muss sagen, dass ich als langjähriger Purple-Konzertgänger diesmal einige Titel schmerzlich vermisst habe, insbesondere „Kinderleicht“, „Schöne Leute“ und „Immer nur leben“. Doch man kann nicht alles haben – und es war okay, dass der Fokus momentan auf dem neuen Album liegt. Purple Schulz macht intelligente Popmusik für Erwachsene. Verspielt und kabarettistisch, mit sehr viel Lebenserfahrung. Seine Songs rühren oft zu Tränen. Und wer ihn live sieht, fragt sich, warum dieser fantastische Künstler oft nur ein kleines Publikum hat. Doch es sind treue Fans. Und wer ihn einmal erlebt hat, den lässt die Magie des Abends für lange Zeit nicht mehr los.
Die von Anderswelt-Event organisierten Konzerte kann man eigentlich blind besuchen, denn die Veranstalter finden immer wieder solche verborgenen Schätze, die es zu entdecken gilt. Die nächsten stehen schon an: Am 19. Mai 2018 gibt es Ray Wilson in Kaiserslautern, und am 22. Juni 2018 ein Doppelkonzert mit Joseph Prasons und Julian Dawson im pfälzischen Offenbach-Hundheim. Die Atmosphäre dieser ganz besonderen Ereignisse ist absolut empfehlenswert.
Setlist, 28.4.2018 – Saalong, Gasthaus Schleppi, Schönenberg-Kübelberg
Ab heute ist für immer
Das ist nicht fair
Du bist da
Geheimnis
Schweigen
Es reicht
Da denkste jetzt mal drüber nach
Wir werden das schaffen
Nur mit dir
Das letzte Mal
Das ist die Zeit
Sehnsucht
Kleine Seen
Ich wünsch mir du bleibst
Verliebte Jungs
Gerade noch gefehlt
Ich hab Feuer gemacht
Nimm es mit