Das traditionelle Open Air im Amphitheater Trier widmete sich in diesem Sommer vor allem italienischen Opern- und Gaumenfreuden. Dazwischen versteckte sich jedoch eine Band, deren Name zwar südländisch klingt, die allerdings aus dem hohen Norden stammt. Wie Sänger Björn Both zur allgemeinen Erheiterung bemerkte: „Wir kommen nicht vom Arsch der Welt, aber man kann ihn von da aus sehen.“
Santiano stammen aus Flensburg und legten gleich mit ihrem Debüt einen Sprung auf den Spitzenplatz der deutschen Charts hin. Das erste Album trug den Namen „Bis ans Ende der Welt“ und war der Überraschungserfolg einer deutschen Band im Jahr 2012. Bereits ein Jahr später folgte „Mit den Gezeiten“ und wieder war aus dem Stand Platz 1 drin. Die Mischung aus nordisch angelegten Schlagern mit Irish Folk und Shanty-Musik funktioniert hervorragend. Da hat Produzent Hartmut Krech den richtigen Riecher gehabt und mit den rauen Haudegen die perfekte Crew um sich geschart.
Die Band genießt selbst in Hardrock-Kreisen ein gutes Renommee und durfte schon eine Metal-Kreuzfahrt musikalisch unterstützen. Nächste Woche werden sie gar beim Wacken Open Air auftreten. Davon war allerdings in Trier wenig zu spüren. Vor der Bühne gab es zunächst mal viele Stuhlreihen, was für die rockige Musik des Quintetts Gift ist und erst spät echte Stimmung aufkommen ließ. Es scheint sich auch noch nicht bis an die Mosel herum gesprochen zu haben, welch generationenübergreifend gute Musik die Flensburger zu bieten haben. Zumindest bestand das Publikum eher aus älteren Semestern, die vielleicht der Schlagerszene zuzuordnen sind oder die sich hier zwischen Nabucco und italienischer Nacht irgendwie verirrt hatten. Auf jeden Fall schade, dass die Resonanz so spärlich war. Ein solches Konzert in Hamburg oder Rostock hätte die alte römische Arena vermutlich zum Bersten gebracht.
Sei’s drum – die nordischen Heroen machten das Beste draus und sorgten auf ihre Art für gute Stimmung. Nach kleinen Übungsphasen erschallte bald ein herzhaftes „Aye Aye“ aus allen Kehlen und auch das mit dem Radau zwischen den Songs klappte einigermaßen. Die Stücke wurden vor allem auf hochdeutsch mit einem traditionellen, folkigen Instrumentarium präsentiert. Den Anfang machte das Volkslied „Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren“ – der perfekte Beginn für Männer mit Bärten. Einige fremdsprachige Originale wie „Scarborough Fair“ und „500 Miles“ kamen mit eigenem deutschem Text, Klassiker wie „Whiskey In The Jar“ und „Irish Rover“ behielten ihre ursprünglichen Lyrics. Dazu kamen viele Eigenkompositionen, die Teile des Publikums textsicher mitsangen. Alle anderen durften üben: „Es gibt nur Wasser überall und wir haben nichts zu trinken / wir brauchen Rum“.
Der Gesang lebte von sonoren Klängen und dem rauen Flair, das die Sänger umgab. Auch konzeptionell funktionierten die Lieder um Fernweh, Freiheit und unendliche Weite perfekt. In seinen Ansagen begab sich Both immer wieder auf das Schiff Santiano und erzählte von den Reisen in fernen Gewässern. Ganz exotisch wurde es, als er mit einem Didgeridoo die Klänge des Schiffshorns imitierte und das Amphitheater vibrieren ließ. Mit den enthaltenen Pop- und Rock-Elementen wurden nicht nur Schlagerfreunde, sondern auch ein von lauteren Klängen begeistertes Publikum gut bedient. Insgesamt verbreiteten Santiano in ihrem zweistündigen Konzert eine sehr gute Stimmung und ermutigten sicher manchen Zuhörer, sich das musikalische Programm auf CD mit nach Hause zu nehmen.
Für das nächste Santiano-Konzert in Trier wünsche ich mir ein Publikum, das vor der Bühne wie ein Mann steht und die Band frenetisch abfeiert. Die Zuschauer, die es beschaulicher mögen, müssten dann weiter entfernt platziert werden. Im Amphitheater ist das leider logistisch nicht machbar. Santiano haben zumindest bewiesen, dass sie auch unter ungünstigen Voraussetzungen die Menschen begeistern können und brachten die nordfriesische Lebensart stilsicher nach Trier: „Wat mutt, dat mutt!“