Wer heutzutage immer noch glaubt, die Geige sei ein langweiliges klassisches Instrument, mit dem man höchstens potentielle Schwiegermütter beeindrucken kann, der hat David Garrett noch nicht erlebt. Der sympathische Deutsch-Amerikaner mit dem lässigen Outfit hat bereits mit einigen erfolgreichen Alben bewiesen, wie gut Rockmusik und Klassik zusammenpassen, und füllt mit diesem Konzept regelmäßig die ganz großen Hallen und Arenen.
Natürlich ruft das auch Kritiker auf den Plan, die Alben wie „Rock Revolution“ und „Rock Symphonies“ den Ausverkauf klassischer Musik vorwerfen. Doch worum geht es dem Starvirtuosen aus Aachen? David Garrett möchte Menschen für seine Musik begeistern, die nicht unbedingt in ein Sinfoniekonzert gehen würden und sich an Mainstream-Melodien erfreuen, die sie aus dem Radio kennen. Das ist okay und erschließt der herkömmlichen Klassik im Sinne einer Crossover-Performance ganz neue Hörerschichten.
Wer die Rockalben liebt, wird vielleicht auch dem neuen Werk „ICONIC“ ein Ohr gönnen. Und hier gibt es dann einen Rundumschlag zu den Komponisten früherer Jahrhunderte, die David Garrett zu seinem Instrument inspiriert haben. Musik von Bach, Dvořák, Gluck, Kreisler, Mendelssohn und Schumann, um nur einige zu nennen, erklingt in neuen Bearbeitungen für Violine, Gitarre und Orchester (von Franck van der Heijden und David Garrett).
„Leider spielen seit einigen Jahrzehnten Geiger immer seltener einige der kurzen Stücke, die die Großen der 1920er- und 1930er-Jahre in ihren Konzerten aufgeführt haben, dabei bleiben sie einem sofort im Gedächtnis“, sagt Garrett. Damit meint er Virtuosen vergangener Tage wie Zino Francescatti, Arthur Grumiaux, Jascha Heifetz, Fritz Kreisler und Yehudi Menuhin. „Mir bedeutet es deswegen umso mehr, dass ich nun die Gelegenheit habe, all diese schönen Stücke wieder lebendig werden zu lassen.“
„ICONIC“ beginnt mit der verführerisch-romantischen „Estrellita“ des mexikanischen Komponisten Manuel Ponce. Das Programm unvergesslicher Melodien umfasst aber auch den berühmten „Schwan“ (aus „Karneval der Tiere“) und die sinfonische Dichtung „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns Es gibt das Salonlied „Jeanie with the light brown hair“ von Stephen Foster ebenso wie den Mittelsatz des Konzerts „Der Winter“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Die Mischung zieht sich durch einige wunderbare Epochen.
Begleitet wird der Violinist von seinem Gitarristen Franck van der Heijden, der auch das Orchester The Prezent dirigiert. In Duo-Arrangements ist er mit seinem ehemaligen Lehrer Itzhak Perlman, dem Startenor Andrea Bocelli, der Flötistin Cocomi und dem Trompeter Till Brönner zu erleben. Während Bocelli das „Ave Maria“ von Franz Schubert sehr eindringlich interpretiert, verfeinert Brönner die „Hora staccato“.
Die Dauer der Stücke schwankt zwischen zwei und vier Minuten. Kaum ein Track ist länger. So werden 22 schöne Miniaturen geboten, die gut in Erinnerung bleiben und einen Eindruck vom jeweiligen Komponisten vermitteln. Und dann hat sich auch noch das irische Traditional „Danny Boy“ eingeschlichen. Großartig!