Reinhold Beckmann ist Journalist, Schriftsteller, TV-Produzent – und inzwischen sollte es sich herum gesprochen haben, dass er auch als Musiker agiert. Seit inzwischen neun Jahren ist er mit seiner Band unterwegs und legt mit „Haltbar bis Ende“ bereits das dritte Album vor. Ich hatte das Glück, ihn vor wenigen Wochen live im luxemburgischen Ettelbrück zu erleben. Dort sind Konzerte im kleinen Rahmen und mit strengen Hygieneregeln erlaubt. Es war wohl auch für Reinhold etwas Besonderes, dort nach monatelanger Pause zu spielen. Fast wäre der Auftritt noch im letzten Moment gescheitert, da der begleitende Gitarrist aus privaten Gründen zuhause bleiben musste, doch Beckmann ging das Wagnis ein, zum ersten Mal komplett solo mit Gitarre aufzutreten – und es war ein sehr bewegendes Konzert, in dem er viel von sich und den neuen Songs erzählte.
Jetzt liegt mir mit „Haltbar bis Ende“ das dazu passende Album vor. Die Stimme des bekannten Moderators ist unverkennbar. Er singt mit smarter, bisweilen lakonischer Chanson-Stimme und erinnert mich stellenweise an den Liedermacher Klaus Hoffmann. Die Stücke sind oft selbstironisch und aus dem Leben gegriffen. „Alles schon probiert“ handelt von Religion und Selbstverwirklichung, „Der Lack ist ab“ vom gemeinsamen Älterwerden.
Die Beziehungssongs haben oft eine ganz besondere Note. „Dirty Dörte“ ist ein recht lasziver Blick zurück in die Jugendzeit und „Immer nur die Schweiz“ beschäftigt sich mit einer langweiligen Beziehung, bei der ein Teil immer möglichst neutral bleiben will.
Ganz bewegend erklingt „Vier Brüder“, dessen Songwriting für Beckmann sicher nicht einfach war. Er erzählt von seinen Brüdern Alfons, Hans, Franz & Willi, die in den Krieg ziehen mussten und nicht zurück kamen. Dieser Song erhält im Booklet eine erklärende Einleitung, in der Reinhold berichtet, wie er gemeinsam mit seiner Mutter im Jahr 2018 Alexander Gauland nach seiner „Vogelschiss“-Ansprache wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verklagt hat. „Eine Hand hat fünf Finger / wenn vier fehlen, ist das noch ’ne Hand?“ Das sind Verse, die noch lange nachwirken.
Zwischen Blues und Chanson, zwischen Jazz und Pop legt Reinhold Beckmann ein Album vor, das ein weites Feld absteckt und doch ganz homogen klingt. Den Abschluss bildet – nach zehn Eigenkompositionen – der Song „Wenn’s vollbracht ist“ auf Bob Dylans „When The Deal Goes On“. Für mich ist ein Vorteil, dass ich die Stücke mit den Geschichten verbinde kann, die Reinhold im Konzert erzählt hat, doch es funktioniert auch ohne das Hintergrundwissen. Die Lyrics sprechen meist für sich.