„Percipio Ergo Sum“ ist das zweite Solo-Album des Multiinstrumentalisten und Produzenten Jens Lueck, den man von Syrinx Call und Isgaard kennt. Das Soloprojekt, das er zusammen mit seiner Lebenspartnerin Isgaard Marke auf die Beine stellt, trägt den Namen Single Celled Organism. Die Musik orientiert sich – wie beim Vorgänger – an Prog und Artrock. Will heißen: Es gibt große Keybaordflächen, aber auch einige durchaus harte Passagen mit treibendem Schlagzeug und lauten Gitarren.
Wie ein roter Faden ziehen sich mehrstimmige Gesangspassagen und spannende Soli durch das Album, die trotz ihrer Komplexität nie die Melodiösität verlieren. Mit Isgaard als Duettpartnerin hat Lueck das große Los gezogen. Es gibt eine erzählende Grundstimmung und immer wieder epische Momente. Jens, der am Klavier groß geworden ist und später hauptsächlich als Schlagzeuger auf der Bühne stand, hatte bei diesem Album während des Komponierens häufig die Gitarre in der Hand. Das Ergebnis sind viele unorthodoxe Gitarrenparts, die von Ingo Salzmann (der eigene Soli beigesteuert hat) und Johnny Beck sowie von Jürgen Osuchowski an der Akustikgitarre hervorragend umgesetzt werden.
„Percipio Ergo Sum“ ist erneut ein Konzeptalbum und führt die Geschichte des Vorgängeralbums „Splinter In The Eye“ (HIER unsre Review) weiter. Die beiden Protagonisten haben den Untergang der Zivilisation und den Wiederaufbau überlebt und leiden – jeder für sich ohne einander persönlich zu begegnen – unter der Vergangenheit ebenso wie unter der Gegenwart. Die „schöne, neue Welt“ missfällt beiden, jedoch auf unterschiedliche Weise.
Im Zentrum steht das so genannte TV-Girl mit seiner Wahrnehmung der Zivilisation, der Menschen und der Welt schlechthin, denn all das ist für die junge Frau, die 16 Jahre als Versuchsobjekt in einem abgeschotteten Bunker verbracht hat, komplett neu. Im Kern unterscheidet sie sich grundsätzlich von den anderen Menschen, die entweder meinungslos und uninteressiert oder maßgeblich durch das kartesianische Weltbild („cogito, ergo sum“ = „ich denke, also bin ich“) geprägt sind. Ihr Credo lautet PERCIPIO ERGO SUM (= „ich nehme wahr, also bin ich“), denn sie versteht sich selbst als Teil eines Ganzen und definiert sich über Interaktion.
Gekonnt wechselt Lueck zwischen sphärischen Passagen und starker Gitarrenarbeit. So kennt man das aus den 70ern und von Bands wie Pink Floyd, Genesis und Rush. Hier stimmt mal wieder alles: Das Konzept ist schlüssig, die Melodieführung zwar abstrakt, aber in sich stimmig. Es gibt ständige Wechsel der musikalischen Ausrichtung, ohne dass es aber zu verworren wird. Man kann der Konzeptidee folgen und wird wie durch einen dystopischen Film zu den Protagonisten und ihren Gedanken geführt.
Wer auf spannende Soundcollagen und klassische Konzeptwerke steht, liegt hier goldrichtig. Single Celled Organism kann dem aufgeschlossenen Hörer viel Freude bereiten.