Der 26jährige Sänger stammt aus Stuttgart, lernte zuerst Gitarre, dann Klavier und schließlich Schlagzeug. Hervorragende Voraussetzungen für eine Songwriter-Karriere. Nach zwei Singles, einer EP und dem Debüt-Album „Losgelassen“ erschien im Jahr 2012 sein zweiter Longplayer „Für den Moment“ (hier findet ihr unsere Review). Es folgten eine ausgiebige Tour und ein Heimspiel in Stuttgart, das für eine Live-CD aufgezeichnet wurde. Das dritte Album „Camille“ ging leider völlig an mir vorbei – bleibt also „Vernunft, Vernunft“, mit dem Tiemo Hauer jetzt in den Startlöchern sitzt.
Die Entwicklung über die inzwischen vier Alben geschah äußerst rasant. Zu Beginn brillierte Tiemo vor allem am Piano und schmachtete melancholische Songs. Dabei legte er textlich seine Gefühlswelt schonungslos offen und gab tiefe Einblicke in sein Innenleben. Die Arrangements waren oft verträumt, bekamen aber eine durchaus rockige Komponente. Diese hat der Songwriter inzwischen weiter ausgebaut. „Vernunft, Vernunft“ hat einige elektronische Momente, die Vocals sind bisweilen verzerrt, ohne aber ihren melancholischen Charakter zu verlieren.
Bereits der Opener „Benzin“ liefert ordentlich Rock’n’Roll, der im Verlauf des Albums noch breiteren Raum bekommt. Tiemo tut alles dafür, intensive Momente zu schaffen, Energie und Emotionen in die Songs zu stecken. Dazu tragen die eindringlichen Texte ihren Teil bei. „Uns hat keiner gefragt“ und „Der kleine Tod“ haben mich von Beginn an berührt, Songs wie „Kopfsteinpflaster“ und „In Melodien“ haben etwas länger gebraucht. Und dann ist da „Nostalgie“, das mir gleich aus der Seele sprach.
Ich muss sagen, dass mir die ersten beiden Alben mit ihren hauptsächlich ruhigen Stücken besser lagen. Der neue rockige Sound hat sich vermutlich aus den unzähligen Liveauftritten der letzten Jahre heraus entwickelt. Schon die Live-CD aus dem Jahr 2013 verlieh den Songs eine lautere Idee. Was soll’s? Ein starkes Deutschrockalbum ist „Vernunft, Vernunft“ allemal.