„True love will find you“ – PASCOW beim Heimspiel 2024, Europahalle Trier

Ein Gemeinschaftsprojekt aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, das über 25 Jahre hält – das gibt es nicht oft. Manche Politiker könnten sich ein Beispiel daran nehmen und die Fusion der Bundesländer endlich vollziehen. Die Band PASCOW, benannt nach einer Figur aus Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“, wurde 1998 von Sänger Alex und Schlagzeuger Ollo in der Nähe von Birkenfeld gegründet. Im Lauf der Zeit haben sich die Aktivitäten aber ins saarländische St. Wendel ausgedehnt, wo Sänger Alexander den bandeigenen Webshop „Tante Guerilla“ führt. Ollo hingegen ist Geschäftsführer des größten regionalen Konzertveranstalters „Popp Concerts“ in der Region Trier. Die Rufe „Saarland asozial“ aus dem Publikum waren also durchaus positiv gemeint und sind keineswegs eine Beleidigung sondern vielmehr Schlachtruf sowie Ehrerbietung für das angrenzende Bundesland.

So durfte auch bereits um 19 Uhr die Band Christmas aus St. Wendel das Konzert mit deftigem Punk eröffnen. Man hat sich vor allem im Saarland einen Namen gemacht und schon große Acts supportet. Vier Studioalben sind erschienen – das aktuelle Werk von 2020 heißt passend „Hot Nights in Saint Vandal“. Der 30minütige Gig war schrill und laut. Shouter Max Mötherfucker war kaum zu verstehen, so enthusiastisch brüllte er die englischen Lyrics ins Mikro. Auf jeden Fall ein guter Einheizer für die ausverkaufte Halle.

Mit ihrem 70er Jahre Charme ist die Europahalle ohnehin ein seltsamer Ort für ein Punkkonzert. Aber wo soll man noch hin, seit das ExHaus im unendlichen Winterschlaf liegt? Der Mergener Hof ist für PASCOW definitiv zu klein. Dort sollte später die Aftershow-Party stattfinden. Also Europahalle – das Gebäude, das normalerweise für Comedy und Mainstream vorgehalten wird. Diese war ausverkauft und mit Generationen von Punkfans gefüllt. Auch viele Kids konnte ich sehen, zum Teil noch im Grundschulalter, die von den Eltern in die Gegenkultur eingeführt wurden. Gut so!

Zweiter Support waren Berlin 2.0 aus Stuttgart. Erst vor drei Jahren gegründet glänzt hier Ausnahme-Vokalistin Elena Wolf mit ihrer sonoren Stimme. Die Songs waren schnell, rotzig und trotzdem ziemlich melodisch. Dazu kam eine gehörige Portion Hardcore, mit der vor allem die Stücke des aktuellen Albums „Scherbenhügel“ dargeboten wurden. 40 Minuten lang dauerte der wilde Spaß, der mit viel Applaus bedacht wurde.

Pünktlich um 21 Uhr waren dann PASCOW am Start. Und die Lokalmatadoren hatten für ihren Tourabschluss ordentlich aufgefahren. Der Bühnenaufbau lag zunächst hinter einem Vorhang. Als Opener gab es vom Band „Blueprint“ der Rainbirds, das vom Publikum textsicher mitgesungen wurde. Dann fiel der Vorhang zu den Klängen von „Silberblick & Scherenhände“ und gab den Blick auf ein riesiges Bühnenbild frei, das einen Hinterhof zeigte. Auch die Lightshow war grandios und der Sound sowieso. PASCOW sind ganz oben angekommen, wenn ich ihren Gig mit den Konzerten der Vergangenheit im ExHaus vergleiche. Damals war alles noch rau (aber herzlich). Heute wird es zwar weiterhin wild, doch sie unterscheiden sich allein schon damit von den Vorbands, dass man Alex‘ Texte weitestgehend verstehen kann. Ein großes Plus.

Wegen der baulich bedingten Zuschauerbegrenzung der Halle konnte man trotz des Ausverkauft-Status im hinteren Bereich noch locker stehen. So waren auch die anwesenden Kinder in Feierlaune, während es vorn vor der Bühne eine gewaltige Pogo-Party mit Crowdsurfern und Circle Pits gab. Alex nahm das zum Anlass, immer wieder zur Rücksichtnahme aufzurufen. Viele Ansagen kamen aber auch von Ollo, der in Trier deutlich in Erinnerungen schwelgte.

Gastsängerin Hanna Landwehr hatte ich erst am Dienstag als Support von Alin Coen in Neunkirchen erlebt. Damals noch ganz beschaulich und akustisch. Jetzt zeigte sie ihre andere Seite und stieg zu „Königreiche im Winter“ ein, um später immer wieder das Line-up zu bereichern. Stimmlich sehr stark und im Duett mit Alex eine echte Bereicherung. Ihren Solosong „Wunderkind“ absolvierte sie mit Bravour und bot so den einzigen Ruhepunkt in einem ansonsten durchgehen stürmischen 90minütigen Set.

Highlights gab es en masse. „Wenn Mila schläft“ als Klassiker für die Fans der ersten Stunde. „Himmelhunde“ mit einem Statement gegen Trans- und Queerfeindlichkeit. „Mailand“ gegen rechte Parolen und für Anarchie. Violonistin Laura sorgte bei vielen Songs für ungewöhnliche Klänge, die ein wenig an New Model Army erinnerten.

Zu „Sturm, der durch Erlen zieht“ erzählte Ollo vom Konzert der Ramones, das vor Jahrzehnten just hier in der Europahalle stattgefunden hatte und zu dem die Brüder unbedingt herkommen wollten. Mit ÖPNV war man damals wie heute nicht gesegnet, also lieh man sich das Auto der Eltern und kurvte ohne Führerschein von Gimbweiler nach Trier. Ob sich die Anekdote wirklich so zugetragen hat? Keine Ahnung. Aber auf jeden Fall wäre sie Stoff für ein kultiges Roadmovie.

Im Zugabenblock gab es mit „Nach Hause“ einen Song fürs ExHaus. Ollo fand melancholische Worte: „Für alle, die im ExHaus groß geworden sind und alle, die nicht im ExHaus groß werden konnten“. Es ist eine Schande für Trier, dass dieses so wichtige Jugendkulturzentrum im Dornröschenschlaf liegt und regelrecht verwaist. Dass aber auch die Europahalle den (Konzert-)Geist vom ExHaus atmen kann, zeigten die Zuschauer*innen im wildesten Circle Pit des Abends. Ergänzend gab es „Daniel & Hermes“ als Hommage an alle Kulturschaffenden, die so viele Hindernisse überwinden müssen. „True love will find you“, heißt das Mantra aus dem Song, das vielen nach dem Konzert im Ohr geblieben ist.

Schluss war nach knapp 95 Minuten und 25 Songs. Punkkonzerte sind nicht episch lang, aber prägnant, solide und auf den Punkt. PASCOW haben zum Tourabschluss ein grandioses Statement abgeben, das lange in Erinnerung bleiben wird. Jetzt geht es in ein wohlverdientes Sabbatjahr nach fast zwei Jahren Dauer-Touren. Aber es bleibt zu hoffen, dass die Zeit für ein achtes Album genutzt wird. Deutschland braucht Bands wie PASCOW (und Kettcar und Love A und Turbostaat und die Beatsteaks) zur Zeit mehr denn je!

(Alle Fotos von Simon Engelbert, PHOTOGROOVE)

Setlist PASCOW, Europahalle Trier am 26.10.204

Silberblick & Scherenhände
Toulousi
Jade
Königreiche im Winter
Monde
Diene der Party
Die Realität ist schuld, dass ich so bin
Wenn Mila schläft
Himmelhunde
Herz
Tom Blankenship
Merkel-Jugend
Im Raumanzug
Marie
Mailand
Spraypaint the Walls
Kriegerin
Wunderkind
Sturm, der durch Erlen zieht
Gottes Werk und Teufels Beitrag
Mond über Moskau
Too doof too fuck

Nach Hause
Daniel & Hermes
Trampen nach Norden