Linas musikalische Karriere startete zunächst parallel zu ihrer schauspielerischen Tätigkeit in der „Bibi und Tina“-Filmreihe. Die ersten drei Alben erschienen im Jahresrhythmus von 2016 bis 2018 – und dann war zunächst Funkstille. Klar, Lina war nie wirklich weg vom Fenster. Sie gab Konzerte, wirkte in Socialmedia sehr aktiv und spielte im Kinofilm „Alle für Ella“ eine Musikerin, wobei es auch einen Soundtrack mit ihr auf den Leib geschneiderten Songs gab. Und doch haben die Fans ein neues eigenes Album mehr als herbei gefiebert.
Jetzt ist es endlich soweit und „24/1“ erscheint. In ihrem vierten Studioalbum erfindet sich LINA neu und emanzipiert sich von früheren Sounds durch Einflüsse von Synthie-Pop und Rap. Lina Larissa Strahl alias LINA ist jetzt 25 und befindet sich auf der Reise zur erwachsenen Künstlerin. Sie ist unterwegs, irgendwo auf der Strecke zwischen zwei Stationen und hat sich entschieden, ihren inneren Monstern in die Augen zu sehen. Sie will alle Facetten ihrer Persönlichkeit zeigen und das Spotlight auch auf die düsteren Ecken richten. Einen Tag, einen Song nach dem anderen, das ist „24/1“ und erklärt den kryptischen Albumtitel.
Tage, an denen man sich seinen Ängsten stellt, scheinen länger – in diesem Fall ist der Tag genau zwölf Tracks und ca. 33 Minuten lang. „Die Songs stehen für sich, aber wenn man rauszoomt, folgt das Tracklisting den 24 Stunden eines Tages, der morgens mit LOST KINDS beginnt und nachts mit FREUNDE ODER MEHR endet. Der rote Faden ist die Sehnsucht nach Sicherheit, die man in sich selbst nicht findet und deswegen bei anderen sucht.“
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Kein Wunder, dass die Entstehung von 24/1 kein Spaziergang war. „Früher habe ich versucht, Probleme zu überspielen, um eine Leichtigkeit auszustrahlen, die gar nicht mehr wirklich in mir wohnte“, erzählt LINA. „Wenn man älter wird, verändert sich die Sichtweise und man beginnt zu verstehen, dass die Batterie irgendwann leerläuft, wenn man sich nicht vernünftig um sich kümmert. Zwischen meinem dritten Album und jetzt musste ich viel lernen, es war ein Reality-Check. Während Viele in der Pandemie scheinbar extrem produktiv waren, baute sich in mir der Druck auf, ebenso kreativ sein zu müssen. Stattdessen übernahm mein Kopf das Ruder und ich fühlte mich wie gelähmt: Einerseits möchte man an seine Erfolge anknüpfen und sich andererseits entwickeln. Man möchte den Fans nah bleiben und gleichzeitig auch sich selbst; man will das vielleicht unvollständige Bild von sich erweitern, eigenständig Musik machen und dabei am liebsten alle mitnehmen.“
„Lost Kids“ beginnt als melancholische Pianoballade und entwickelt sich ebenso wie Linas Stimme, die zu Beginn noch sehr kindlich klingt. Mit viel Charisma singt sie sich durch eine autobiografisch angehauchte Geschichte, mit der sich viele Jugendliche und junge Erwachsene identifizieren können. Das Album ist eher nachdenklich als rebellisch. „Kakao“ erzählt von negativen Erlebnissen in der Schule, „Klippe“ mit rhythmischen Klängen von einer verirrten Liebe.
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Die Tracklist funktioniert in Form eines Konzeptalbums: Nach der Schule folgt mit „Leere Zimmer“ die innere Abkehr von einem geordneten Erwachsenenleben und „Schön genug“ beschäftigt sich als Gitarrenballade mit pubertären Selbstzweifeln. Abends geht es dann auf die Piste mit ihren sozialen Beziehungen wie in „Nüchtern“, „Lina, was ist los mit dir?“ und „Freunde oder mehr“. Gerade in den letzten Stücken des Albums klingt LINA sehr authentisch und bei sich selbst angekommen. Es sind keine Songs zum Party-Soundtrack, sondern sehr reflektierte Texte mit Ich-Botschaften.
Mit dem Berliner Songwriter und Produzenten Benjamin Bistram sowie David Bonk und Julia Bergen, mit denen sie schon seit ihren Anfängen arbeitet, hat LINA sich ein Album erkämpft, das dem Druck standhält. Geholfen hat eine Straightness und Klarheit in den Lyrics, vor der man den Hut ziehen muss: Schnörkellos, nur mit cleverer Wortwahl und entwaffnender Ehrlichkeit ausgestattet, versteckt sich hinter jedem Throwback Treibsand. „Julia, David und ich sind schon lange befreundet und verstehen uns blind, trotzdem waren die Themen, die mich auf 24/1 beschäftigen, auch für sie unerwartet. Ich will keine Haken mehr schlagen. Ich möchte auch dadurch Vorbild sein, dass ich ehrlich sage, wie es mir geht. Mir selbst hilft es auch, wenn ich Songs höre und das Gefühl habe, nicht allein zu sein. Wenn ich mich verstanden und aufgehoben fühle. In den sozialen Medien wird alles durch einen Filter geschickt, Musik ist für mich die Möglichkeit, ich selbst zu sein – oder mich zumindest auf die Suche danach zu machen.“
Es ist gut, dass sich LINA fast fünf Jahre Zeit gelassen hat für dieses vierte Album, mit dem sie die Pubertät abschüttelt und sich als anspruchsvolle neue Songpoetin etabliert. Man darf sich auf die Livetour freuen, die im April startet.
Lina Larissa-Strahl ist Fans vor allem als Bibi Blocksberg aus den ersten vier „Bibi und Tina“ Filmen unter der Regie von Detlev Buck bekannt. Doch schon vorher ist ihre Karriere gut durchgestartet, als sie im Jahr 2013 den Songcontest „Dein Song“ beim KiKA gewonnen hat und ihre erste Single mit Mieze von der Popgruppe MIA: produzierte.
Seitdem ist verdammt viel passiert. Lina ist als Solokünstlerin und Synchronsprecherin überaus erfolgreich. Drei Alben hat sie von 2016 bis 2018 veröffentlicht und war mehrfach auf deutschlandweiter Tour. Und jetzt gibt es auch wieder eine zu ihrer Karriere passende Schauspielrolle. Der Film „Alle für Ella“, in dem Lina die Hauptrolle der Ella spielt, kam am 8. September in die Kinos.
Der Film handelt von einer Girlband namens Virginia Woolfpack, die sich bei einem Songcontest bewirbt. Ihr stärkster Konkurrent ist der arrogante Rapper AlfaMK, den Ella von ihrem Nebenjob als Putzhilfe kennt. Auch mit ihm nimmt sie – mehr oder weniger versehentlich – einen gemeinsamen Song auf und plötzlich ist ihre Stimme in zwei Stücken des Wettbewerbs vertreten. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich auf erwartbare Irrungen und Wirrungen hinweise, es zugleich aber auch eine (natürlich teeniekompatible) Lovestory gibt.
Dabei dreht sich alles um Musik. Beim Wettbewerb treten neben der feministischen Girlband Virginia Woolfpack und dem Rapper auch eine Heavy-Metal-Band, eine a-cappella-Gruppe und ein esoterischer Solokünstler auf. Für eine knallbunte Mischung verschiedener Musikstile ist also gesorgt.
Die Hauptdarsteller*innen sind alle schon Mitte bis Ende zwanzig, können aber locker noch als Schüler durchgehen, was für die Story wichtig ist. Lina Larissa-Strahl ist mit 24 die jüngste im Woolfpack.
Für die Teenie-Zielgruppe ist der Film sehr ansprechend gestaltet und nimmt direkt Fahrt auf. Das liegt vor allem an der mitreißenden und eingängigen Musik, für die David Bonk, Julia Bergen und Annette Focks verantwortlich zeichnen. Lina selbst bringt ihre neue Single „Offenes Verdeck“ im Abspann mit ein.
Der Soundtrack startet mit zwei wichtigen Ausschnitten aus dem Film, die die Entstehung genannter Songs beschreiben. Später gibt es die Stücke „Meine Fehler“ und „Lonely Star“ auch in kompletter Version. Außerdem das Rap-Stück „Lina Scheine“ mit Feature von Lina als Liveversion. Wer den Film gesehen hat, wird sich in den gelungenen Songs wiederfinden, die sich schnell zu Ohrwürmern entwickeln.
Von Komponistin Foncks stammen stimmungsvolle Instrumentalstücke. Außerdem runden das Esoterik-Stück „Alien Next Door“ und der harte Livesong „The Devil Will Arise“ von der imaginären Metalband Devil’s Fart das musikalische Geschehen perfekt ab. Und wie es sich für einen guten Soundtrack gehört, gibt es viele Wiederholungen wichtiger Songpassagen und ein Drumherum aus O-Tönen des Films.
Lina fährt hier mit ihren Kolleg*innen stimmlich mächtig auf. Die Ballade „Wenn ich die Augen schließe“ und der lustige „Pizza-Song“ stehen ihr ausgesprochen gut und scheinen auf ihre charismatische Stimme zugeschnitten. Den Film empfehle ich für Freunde guter Musikfilme. Auch wenn die Story jetzt nicht viel Tiefgang hat, sind Soundtrack und Performance doch sehr stimmig. Und Fans von Lina bekommen ein solides neues Album als Übergang bis zum nächsten richtigen Solowerk.
Am 18. März war LINA (Lina Larissa Strahl) mit ihrer Tour „Um zu rebellieren“ in der Garage Saarbrücken. Wir bekamen die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit der jungen Künstlerin – und erstmals nahm ich meine Tochter Miriam zu einem Interview mit. In den Backstageräumen der Garage trafen wir auf die bestens gelaunte Lina und ihren Hund Ilvie.
MHQ: Hallo. Ist es okay, wenn wir uns duzen?
Lina: Ja, klar.
MHQ: Danke. Das ist Miriam, ich bin Andreas von MusicHeadQuarter. Miriam hat bei den Fragen ordentlich mitgewirkt. Sie kennt deine Musik besser als ich und sie darf sich natürlich jederzeit einschalten.
Lina: Okay. Sehr gut.
MHQ: Hast du deinen Hund die ganze Zeit mit auf Tour?
Lina: Ja, Ilvie ist die ganze Zeit mit dabei. Das klappt auch recht gut. Wir sind nicht mit im Tourbus sondern fahren dieses Jahr separat, damit es einfacher ist. So können wir kleinere Strecken fahren und halten nach ungefähr 300 km einfach an. Von Österreich gestern waren es 700 km. Das ist dann blöd für sie, aber ich fand es gar nicht so schlimm.
MHQ: Du bist jetzt seit knapp zwei Wochen auf Tour und in Saarbrücken ist quasi Halbzeit. Kannst du etwas zum Verlauf der Tour sagen? Was dürfen wir für heute Abend erwarten?
Lina: Es ist eigentlich alles sehr angenehm und relativ stressfrei. In der Vorbereitung ist es recht schwierig, so eine Tour zu wuppen. Bei vielen Sachen hat man noch gedacht: Ob das so klappt? Ehrlich gesagt klappt aber alles so richtig cool. Es ist ein tolles Team und jetzt nach zwei Wochen merkt man, dass alles sitzt. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt um einiges entspannter ist. Es macht mir sehr viel Spaß und ist, glaube ich, für das Team die bisher coolste Tour. Für euch da draußen wird es vermutlich nicht viel Unterschied machen. Für mich ist jede Tour cool, aber dieses Jahr passiert noch mehr auf der Bühne. Das macht es spannender.
MHQ: Gibt es Rituale vor der Show? Was wirst du jetzt noch tun, bevor die Show losgeht?
Lina: In einer halben Stunde gibt es Essen. Eben habe ich tatsächlich noch eine Stunde geschlafen. Im Moment werden gefühlt alle so nach und nach krank, aber unser separater Bus schlägt sich richtig gut. Da ist noch keiner krank. Ansonsten muss ich natürlich mit dem Hund Gassi gehen, aber so ein richtiges Ritual gibt es nicht. Wir treffen uns alle und machen Videos vorher. Allein beim Essen ist man schon wieder zusammen. Letztes Jahr hatten wir ein Ritual und immer „1,2,3, whoooo“ gemacht. Das haben wir wohl verpasst dieses Jahr. Ich werde das heute mal vorschlagen.
MHQ: Wir drücken dir auf jeden Fall die Daumen, dass du in den nächsten zehn Tagen noch durchhältst und nicht krank wirst.
Lina: Ja, das schaffen wir schon. Ist halt fast immer so, dass man spätestens nach der Tour gefühlt krank ist. Wenn es stressig ist, bin ich meist gesund, und wenn ich dann mal frei habe, werde ich krank.
MHQ: Das Album heißt „Rebellin“, die Tour „Um zu rebellieren“. Am Freitag waren Hunderttausende Schüler in über 100 Ländern auf der Straße, um für den Klimaschutz und eine bessere Zukunft zu streiken. Wärst du mit dabei, wenn du noch Schülerin wärst?
Lina: Ja. Das ist zum Beispiel etwas, wo ich das rebellische Verhalten – also sich dagegen auflehnen, nicht zur Schule gehen und einfach streiken – sehr cool finde. Das macht Sinn. Es ist kein unnötiges Rebellieren, kein unnötiges Streiken für irgendwas, sondern es ist etwas für unsere Zukunft. Tatsächlich hatte ich jetzt keinen einzigen Freitag Zeit, in Hamburg oder Hannover mit dabei zu sein, aber wenn sich die Chance noch ergeben wird, bastele ich auf jeden Fall auch mein Plakat. Ich finde das wichtig und man sollte sich für die Zukunft einsetzen.
MHQ: Ist Greta Thunberg das Bild von einer Rebellin, wie du es dir vorstellst?
Lina: Ja. Ich mag es, wenn man mit Sinn rebelliert. Das ist es auch, was ich in meinen Texten sagen will. Ich glaube, das Mädchen ist ganz schön schlau. Einiges was sie sagt, macht viel Sinn und ist total wahr. Das müssen noch viel mehr sehen, damit es politisch oder gesellschaftlich umgesetzt wird. Es nützt ja nichts, wenn wir alle die Probleme kennen aber keiner macht was. Jetzt fangen die Kleineren unter uns an. Greta hat angefangen und reißt eine ganze Bewegung mit. Das hatte ich so in meinem Leben noch nicht. Auf dem Album habe ich diese politischen Themen nicht angesprochen. Da geht es eher um das rebellieren für sich selbst. Aber unsere Spenden gehen auch an den Umweltschutz.
MHQ: Studentenproteste gab es schon zu verschiedenen Themen, aber globale Schülerproteste bisher noch nicht.
Lina: Ja, die sind ja alle auch noch recht jung, so wie du, Miriam. Es ist eine mitreißende Bewegung. Ich glaube nicht, dass jeder sich total den Kopf zerbrochen hat, aber alle wissen, wofür sie auf die Straße gehen. Sie begreifen es – und das ist wichtig.
MHQ: Deine Karriere hat sehr früh angefangen. Wenn man „Dein Song“ mit einbezieht, bist du schon seit fast sieben Jahren im Geschäft. Was hat dich damals dazu gebracht, dich beim KiKA zu bewerben?
Lina: Ich hab das einfach im Fernsehen gesehen. Da war der Einspieler für „Dein Song“ und ich dachte: Das kann man doch mal machen. Bei DSDS hätte ich definitiv nicht mitgemacht, aber hier hatte ich das Gefühl, es ist was seriöses. Dann habe ich mich angemeldet – ganz unspektakulär.
Miriam: Man muss sich halt trauen.
Lina: Genau. Ich habe es halt auch meinen Eltern gesagt und die waren zuerst gegen die Castingshow. Aber ich habe ihnen das zum Durchlesen gegeben und sie merkten, dass das seriös ist und die Kreativität fördert.
MHQ: Nachdem du mit „Freakin‘ Out“ gewonnen hast, wusstest du da schon, dass du weiter Musik machen und eigene Songs schreiben willst?
Lina: Ja. Ich habe damals den Peter Hoffmann kennen gelernt, der dann mein Produzent war. Inzwischen sind es mehrere Produzenten. Ludi Boberg heißen die beiden. Mit denen schreibe ich auch. Der Peter hatte mich damals schon angesprochen. Sein Studio ist in Hamburg – nicht so weit weg von Hannover. Das hat irgendwie gut gepasst und er ist ein sehr netter Mensch. Silke Grän ist auch seit dem ersten Jahr mit dabei und wir haben am Anfang entschieden, dass wir mit einem Album noch vier Jahre warten, bis ich 18 bin. Damit ich nicht mit 16 mein erstes Album raus bringe und mit 18 denke: Ach du großer Gott. Man hat mir einfach noch Zeit gelassen. Und dann kamen die „Bibi und Tina“ Filme dazwischen. Gleichzeitig habe ich noch die Schule fertig gemacht. Es wäre vielleicht gegangen, aber irgendwas hätte gelitten: das Abi, die Filme oder die Musik. So war es halt eine lange Zusammenarbeit und ich denke, es hat sich bisher gelohnt.
MHQ: Hast du denn schon frühzeitig Songs für das erste Album geschrieben?
Lina: Ja, aber die meisten Songs haben es nicht auf ein Album geschafft. Die ersten Songs, die auch verwendet wurden, habe ich mit 17 zwischen dem dritten und vierten Film geschrieben. Der erste Song fürs Album war „Ohne dieses Gefühl“ im Jahr 2015. Meistens haben wir ein Jahr vorher angefangen, fürs neue Album zu schreiben. In einem Jahr, in dem es gut läuft und die Kreativität da ist, funktioniert das ganz gut. Aber mit Nummer 4 warten wir noch.
Miriam: Konntest du dir damals schon vorstellen, so berühmt zu werden, wie du es heute bist?
Lina: Nein. Ich fühle es ja auch immer noch nicht so. Wenn du das selber bist, ist es ganz skurril, finde ich. Nein, das hätte ich nicht gedacht. Dass es mal so besonders wird, dass Leute Fotos mit mir machen wollen, hätte ich nicht gedacht.
MHQ: Wenn du mit Songs deine Karriere beschreiben müsstest, welche wären das?
Lina: Meinst du irgendwelche beliebigen Songs?
MHQ: Oder deine eigenen…
Lina: Ich finde, „Rebellen“ beschreibt es ganz gut. Dass man sich da durchboxen muss, damit man ernsthaft wahrgenommen wird. Trotz der beiden Echo-Nominierungen war ich für die Leute immer noch „Bibi und Tina“ und wurde nicht im Radio gespielt. Deshalb ist es ganz wichtig, immer auf sich zu vertrauen. Darum finde ich auch, dass „Rebellin“ ein toller Albumname ist. Es geht darum, für sich selbst zu rebellieren. Natürlich sage ich da draußen, dass ihr es für euch tun sollt, aber das Album ist auch ein Statement für mich. Ich will als ich selbst gesehen werden und nicht als die Filmrolle von damals. Auf den Konzerten spielt es zum Glück keine Rolle mehr und in Interviews nur manchmal. Manchmal ist das ärgerlich, aber ich bin auch sehr stolz auf die Filme.
MHQ: Ehrlich gesagt, habe ich mich schon gefragt, ob du noch über die Filme reden willst.
Lina: Genau. Eigentlich ist das ja gegessen und schon drei Jahre her. Letztens war ich bei einem Fernsehsender. Es sollte im Interview um die Tour gehen, aber es ging nur um „Bibi und Tina“. Es ist doch nicht so uninteressant, was ich jetzt mache. Ich habe dann die ganze Zeit versucht, meine Antworten ins Musikalische zu lenken. Aber du darfst mich trotzdem was zu den Filmen fragen.
Miriam: Glaubst du, dass du auch ohne „Bibi und Tina“ so berühmt geworden wärst?
Lina: Das ist eine tolle Frage, Miriam, total schön. Ich glaube, es wäre etwas in dieser Art passiert, einfach weil durch „Dein Song“ auch schon viel passiert ist, es hätte nur etwas länger gedauert. Das hat ganz viel mit Glück zu tun. Vielleicht wäre das Glück auch ohne „Bibi und Tina“ da gewesen, aber es hat die Sache auf jeden Fall beschleunigt. Es war der erfolgreichste Familienfilm seit 2005 mit krassen Zuschauerzahlen. Das war so ein Hype und das konnte ja keiner wissen. Detlev Buck hatte beim ersten Teil gesagt: „Wir machen mal den Film. Viel Spaß uns allen. Einen zweiten Teil wird es wahrscheinlich nicht geben.“ Dann war aber bei der Hälfte des Films schon klar, dass es definitiv einen zweiten geben wird, weil sich alles so cool angefühlt hat. Ich glaube, es wär also ähnlich, aber ich habe den Filmen schon viel zu verdanken.
MHQ: Es passiert ja noch einiges in diese Richtung. Der Soundtrack zu den „Bibi und Tina“ Filmen wurde durch Stars wie Johannes Oerding, Sido und The BossHoss neu eingesungen. Es gibt die Musicals. Berührt dich das? Oder lässt dich das kalt?
Lina: Die Musicals hatte ich damals bewusst abgesagt. Die wollten unbedingt Lisa und mich als Darsteller, aber mir war klar, dass ich das nicht machen möchte. Ich wollte meine Musik machen. Hätte ich die Musical-Rolle angenommen, wäre es komplett in diese „Bibi“-Schiene gerutscht und das wollte ich nicht. Es war ein guter Schritt, es nicht zu machen. Problem ist, dass nicht wirklich öffentlich kommuniziert ist, dass die Original-Darsteller nicht mit dabei sind. Auf den Plakaten sind die Darsteller ja auch nur von hinten zu sehen. Das gab schon böse Mails von Eltern, die sich wegen ihrer enttäuschten Kinder beschwert haben, aber ich kann nichts dafür. Ich habe immer öffentlich gesagt, dass ich es nicht bin. Es war eine gute Entscheidung, auch wenn die Musicals vielleicht ganz toll sind.
Miriam: Das zweite Musical ist nicht so toll. Es geht um ein Fest, dass Bibi und Tina organisieren sollen, und es sind genau die gleichen Songs. Ich fand es langweilig.
Lina: Ach so. Ich dachte, die machen einfach das Gleiche nochmal. Tatsächlich habe ich die Musicals nie gesehen. Und das mit dem Soundtrack: Da waren schon coole Leute dabei. Sido zum Beispiel. Hätte ich nicht gedacht. Aber wenn sich so viele dafür begeistern, dann ist es auch cool. Rosenstolz haben damit echt einen Punkt gelandet.
MHQ: Sind Lieder dabei, die dir persönlich was bedeuten?
Lina: Alle bedeuten mir was. Aber in meiner eigenen Musik kann ich sagen, was ich will. Hier war alles fertig und ich habe quasi nachgesungen. Aber in Bibi ist mein Charakter drin. „Up, up, up“ liegt mir immer noch am meisten am Herzen, weil es der Erste war. Und „der letzte Sommer“ ist auch etwas traurig.
MHQ: Kommen wir wieder zu deinen eigenen Songs. Wieviel von dir fließt darin ein?
Lina: Viel! Wen man das Album hört, kann man darauf schließen, dass es um mich geht. Da ist viel von mir selbst drin. Es hat eine Art Tagebuch-Charakter, aber zu persönlich will ich es nicht machen. Es ist ein Tagebuch für die Öffentlichkeit, da hält man sich zurück. Man kann Dinge umschreiben und phantasievoll werden. Dinge, die einen persönlich betreffen oder auch passiert sind. Von daher liegt alles nah an mir dran. Ludi Boberg, mit denen ich zusammen schreibe, kenne ich jetzt auch schon seit sieben Jahren. Das sind gute Freunde und so ist es ein enger Kreis. Dieses Album haben wir noch mit mehreren Leuten zusammen geschrieben, auch mit Leuten aus Schweden. Da ist „Game Over“ entstanden und es war sehr aufregend für mich, mit Leuten zu schreiben, die schon so lange im Geschäft sind. Aber das hat dem Album sehr gut getan.
MHQ: In deinem Song „Hype“ geht es darum, seinen Platz in der Welt und auf der Bühne zu finden. Das klingt sehr autobiographisch.
Lina: Es geht vor allem darum, dass durch Social Media heutzutage ganz viel gehypt und gepusht wird. Gestern hat mich unser Drummer nach einem Song gefragt: Ist der neu? Und ich sagte: Nee, zwei Monate alt. Dass man jetzt sagt, der ist alt, weil er zwei Monate alt ist, ist ja auch nicht normal. Es gibt soviel und man wird gefühlt überschüttet. Auch durch die Technik. Die Fotografen sagen: Jeder, der eine gute Kamera hat, kann jetzt gute Bilder machen. Oder jeder, der Autotune hat, kann irgendwie singen. Ich glaube, es ist schwierig, seinen eigenen Weg zu finden und Qualität hervorzubringen. Es geht darum, dass der ganze Hype auch irgendwann verglüht. Es kann so schnell wieder vorbei sein, darum sind wir alles mit Ruhe und Bedacht angegangen. Man sollte nicht immer für die Masse produzieren, sondern auch für sich selbst. Damit man selbst zufrieden ist. Wenn ich das Album doof fände, würde es mir auch nichts bringen. Dann wäre ich einfach unglücklich. Man hat eine Message, steht zu sich selbst und versucht, sich im ganzen Trubel irgendwie durchzusetzen. Den normalen Weg zu gehen.
Miriam: Was hat dich zu dem Song „Limit“ inspiriert? Ist dein eigenes Leben gerade so anstrengend?
Lina: Das ist alles sehr ironisch gemeint. Die Sachen, die ich da aufzähle, sind ja nicht wirklich anstrengend. Bei anderen Menschen ist das gar kein Problem. Es sind die kleinen Dinge im Leben, über die man sich dann ärgert. Und darin bin ich einfach sehr gut. Gestern bin ich über eine Türschwelle gestolpert, die es gar nicht gab. Von daher: Man könnte auch „Lina am Limit“ sagen. Es ist einfach sehr lustig gemeint.
MHQ: Deine Fans interessiert es sicher, wann Album Nummer 4 erscheint, aber dafür ist es vermutlich noch etwas früh. Wird es vielleicht eine live CD oder eine DVD deiner aktuellen Show geben?
Lina: Wir sind noch nicht dran, ein viertes Album zu schreiben. Diesmal wollen wir uns mehr Zeit lassen. Dieses Jahr kommt definitiv kein Studioalbum raus, aber vielleicht was anderes. Aber das will ich noch nicht verraten.
MHQ: Wirst du auch weiter schauspielern oder hast du das erstmal auf Eis gelegt?
Lina: Ich werde auch noch einen Film drehen – zu 98 %. Es ist noch nicht ganz sicher, ob er wirklich noch dieses Jahr gedreht wird. Aber da gibt es auch noch einige Überraschungen und ich will nicht fünf Sachen gleichzeitig machen. Ich will ja auch noch studieren dieses Jahr – aber ich glaube, das schaffe ich auch schon nicht mehr. Mein Herz geht in der Musik auf, aber wenn es passt und der Regisseur Potential sieht, dann werde ich auch weiter schauspielern. Ich freue mich auf das Projekt, auch wenn der Fokus in den letzten Jahren auf der Musik lag.
Miriam: Es gibt ja auch den Song „Ohne dich“. Machst du das gerne? Liebeslieder ein bisschen anders schreiben?
Lina: Ich glaube, das ist eine Frage der Leichtigkeit. „Ohne dich“ ist ja schon fast sarkastisch. Ich schreibe, als wäre es mir völlig egal, aber das ist es nicht. Wenn du einen solchen Song schreibst, bist du schon ganz gut drüber weg. Wenn man noch sehr traurig wäre, würde es einem schlechter gehen. Es ist ganz wichtig, dass man den Punkt im Leben findet, wo man wieder lachen kann.
MHQ: Vielen Dank, dass du dir soviel Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen dir eine tolle Show!
Im Anschluss durften wir eine fantastische Show in der Garage erleben – mit kreischenden Mädels, die ganz vergessen hatten, dass man nach einem Song auch klatschen kann. Die Setlist war bunt gemischt durch drei LINA-Alben und brachte als Überraschung eine wundervolle Version von „Freakin‘ Out“ mit LINA allein am Piano.
Wir danken Dennis Schnell von „add on music“ für die Vermittlung des Interviews und Silke Grän für die herzliche Betreuung vor Ort.
Irgendwie hatte ich die Illusion, dass das schon alles nicht so dramatisch wird. Lina Larissa Strahl, die sängerisch und tänzerisch äußerst begabte Bibi aus der beliebten „Bibi und Tina“ Filmreihe an einem frühen Sonntagabend in der Garage Saarbrücken. Da werden viele Mädchen mit ihren Müttern sein. Es wird friedlich ablaufen. Man wird gemütlich vor der Bühne stehen. Pustekuchen!
Das Konzert war natürlich ausverkauft, denn Lina umgibt inzwischen der Nimbus einer deutschen Miley Cyrus (zum Glück ohne Skandälchen). Und meine zehnjährige Tochter wollte unbedingt mit. Wir kamen also gegen 18 Uhr in die Garage Saarbrücken und alle waren an ihren Plätzen. Die Bühne noch durch einen Vorhang abgedeckt. Der Innenraum des großen Clubs voller Mädels, die in Abständen lautstark „Lina, Lina“ skandierten, und rundherum mehr oder weniger besorgte Mütter und Väter, die verzweifelt versuchten, ihre Töchter im Blick zu behalten, was aber kaum gelingen konnte.
Damit ihr mich nicht falsch versteht: Die Organisation in der Garage fand ich sehr gut. Ordner und Linas Management waren sehr besorgt um die Kinder. Es wurde darauf geachtet, dass nicht zu sehr gedrückt wird – und die Mädels waren auch noch empfänglich für Anweisungen wie „Jetzt bitte mal alle einen Schritt zurück, damit es an der Bühne weniger eng ist“. Trotzdem herrschte auch gepflegtes Chaos und der Flair eines echten Rockkonzertes. Ich zumindest war froh, dass meine Kleine entschieden hatte, in meiner Nähe zu bleiben und das Geschehen aus der Ferne zu betrachten.
Fast pünktlich um 18.35 Uhr fiel der Vorhang und Lina konnte ihre Deutschrock- / Deutschpop-Show starten. Der Jubel, als das Idol endlich sichtbar auf der Bühne stand, war grenzenlos. Und man kann nur staunen, welche Entwicklung die inzwischen 20jährige Lina Larissa Strahl in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Mit 15 gewann sie das Finale des KIKA Komponistenwettbewerbs „Dein Song“. Das junge Mädel aus der Nähe von Hannover wurde direkt im Anschluss von Detlef Buck gecastet und begann parallel ihre Schauspielkarriere. Der Clou dabei: Sie sang selbst den Soundtrack für die „Bibi und Tina“ Filme ein und konnte damit schon vor ihrem Solo-Debüt auf drei goldene Schallplatten blicken.
Aus den „Bibi“-Schuhen ist Lina inzwischen raus gewachsen und geht nun (die Parallelen zu Miley Cyrus sind unverkennbar) ihren eigenen Weg als Solokünstlerin. 2016 erschien das Debüt „Official“, schon ein Jahr später das selbstbewusste Zweitwerk „Ego“. In ihrer 90minütigen Show sang sie ausschließlich Titel dieser beiden Alben mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Album, das fast komplett gespielt wurde – und das Publikum sang textsicher mit.
Zum Start gab es „Fan von dir“ als Titelsong der Tour und „Egoist“. Es folgte der Appell an die Zuschauer, gut aufeinander aufzupassen. Lina wirkte von Beginn an sympathisch. In ihrem Auftreten und ihrem Kontakt zum Publikum. Sie war ziemlich in Schwarz gekleidet mit stylischer Jogginghose. Diese brauchte sie auch für diverse Tanzeinlagen. Sie verließ die Bühne zwar nie, war aber ständig in Bewegung und hielt den Kontakt zum Publikum.
„Lieblingslied“ und „Spiel“ kamen gut an. Ebenso wie die Mitsingnummern „Das Beste“ und „Ich brauch kein Happyend“ vom ersten Album. Ihr Freund Tilman Pörzgen, der Lina auf der Tour bisweilen gesanglich begleitet, war bei diesem Termin leider nicht dabei, weshalb das Publikum seine Parts übernehmen musste. Das wurde dann sogleich filmisch festgehalten, „damit er zuhause vielleicht ein Tranchen verdrückt“.
Lina bot den zum Teil recht jungen Mädchen alle Facetten eines großen Livekonzerts. Zu „Glitzer“ gab es mehrfach Konfettiregen. „100 Prozent“ wurde mit Nebelsäulen auf der Bühne bedacht. Zu „Egal“ lieferte die durchweg gute Band ein waschechtes Gitarrensolo und in Anlehnung an den musikalischen Zeitgeist gab es auch eine Reihe von HipHop-Passagen.
Viel zu schnell ging das Konzert dem Ende zu und es gab Fotosessions der Band mit dem Publikum als Hintergrund, bevor die drei Zugaben starteten. „Ohne dieses Gefühl“ und „Tanzen ist Gold“ beschlossen den fetzigen Set. Die Fans sind durchweg auf ihre Kosten gekommen und ich denke, auch manche Eltern waren beruhigt, dass ihr Kinder jetzt „ordentliche Musik“ hören und nicht mehr irgendwelchen Kinderkram. Mir zumindest ging es so.
Gegen 20 Uhr leerte sich die Garage und der Verkauf von Lina-Devotionalien hatte kräftig geboomt. So dürfte das Konzert nachhaltig in Erinnerung bleiben. Und ich denke, dass das auch für Linas Musik gilt. Ihre Songs glitzern in jugendlicher Frische, sind aber keineswegs elektronische Kunstprodukte, sondern gestandene Popsongs, die auch durchaus eine gewisse Rock-Attitüde haben können. So ähnlich hat Nena auch mal angefangen.
Lina hat es gewiss nicht nötig, ihr Ego aufzupolieren. Gehört sie doch zu den wenigen Castingstars, die es wirklich geschafft haben, sich eine nachhaltige Karriere aufzubauen. Manch einer, der keine pubertierende Tochter zuhause rumlaufen hat, wird sich jetzt fragen: Bei welchem Casting hat sie denn mitgemacht? Es war nämlich eher eine Nischen-Geschichte. Der Kinder-Songwriter-Contest „Dein Song“ im KiKa.
2013 war Lina Larissa Strahl 15 Jahre alt und gewann das Finale von „Dein Song“. Das junge Mädel aus der Nähe von Hannover wurde direkt im Anschluss von Detlef Buck gecastet und begann parallel ihre Schauspielkarriere. Der Clou dabei: Sie sang selbst den Soundtrack für die „Bibi und Tina“ Filme ein und konnte damit schon vor ihrem Debüt auf drei goldene Schallplatten blicken.
Das Debütalbum 2016 trug den Titel „Official“ und schon ein Jahr später geht es mit „Ego“ weiter. Das Ergebnis ist ein Mix aus jugendgemäßen Themen und flippiger Fröhlichkeit. Songs zwischen bockig und verliebt sind das Richtige für die Zielgruppe. Da darf es auch mal schwermütig werden, wenn parallel der Rockfaktor stimmt. Lina hat eine prägnante Stimme, die sehr angenehm und nicht so kindlich hysterisch klingt.
Lina forscht – direkt an den Synapsen zwischen Seele und Geist, an der Schnittstelle zwischen Neugier und dem grenzenlosen Lebenshunger einer erfrischenden, jungen Künstlerin. Sie sagt: „Ein klares Bild von sich selbst, das hat man nicht einfach, das entsteht und verändert sich. Ich bin mir bewusst, dass ich für viele ein Vorbild bin, aber ich erzähle mir das nicht jeden Tag vor dem Spiegel. Ich versuche, eine gute Philosophie vorzuleben, aber vor allem versuche ich eines nicht: mich zu verstellen, nur weil ich diese Rolle habe. Im Gegenteil: Ich bin wie ich bin – und hoffe, dass es trotzdem klappt. Denn diese Songs sind mein Leben, in einer musikalischen Form.“
Die Songs von „Ego“ glitzern in jugendlicher Frische, sind aber keineswegs elektronische Kunstprodukte, sondern gestandene Popsongs, die auch durchaus eine gewisse Rock-Attitüde haben können. Titel wie „Lieblingslied“, „100 Prozent“, „Dreist“ und „Leicht“ geben das Lebensgefühl der Generation wieder, die zu Linas Zielgruppe gehört. Alles richtig gemacht!
Auf Tour geht’s Anfang 2018 – beispielsweise am 4.3. in der Garage Saarbrücken. Nicht verpassen!
Seit März 2014 reitet die Filmreihe „Bibi und Tina“ von Erfolg zu Erfolg. Regisseur Detlev Buck hat sich damit zweier Figuren angenommen, die bereits Generationen von Kindern durch ihre ersten beiden Lebensjahrzehnte begleitet haben. Bibi Blocksberg gibt es als Hörspielreihe seit 1980. Die Bücher und Zeichentrickfilme dürften sich ebenfalls in den meisten Haushalten finden. Bibis Freundin Tina trat erstmals in der Folge „Der Reiterhof“ auf – und damit hatte man endgültig den Nerv aller Mädels getroffen. Die altbekannte kleine Hexe mit weltbester Freundin inmitten von Pferden. Da öffnen sich die weiblichen Herzen ganz automatisch. Seit 1991 gibt es „Bibi und Tina“ als eigenständige Nebenreihe und mit den Kinofilmen hat das Zweiergespann der Solo-Bibi endgültig den Rang abgelaufen.
Das liegt nicht nur an den jugendgemäßen Themen, sondern auch an den sehr aufwändig produzierten Soundtracks, die jeweils zu Chartstürmern wurden. Kein geringerer als Peter Plate (Rosenstolz) hatte zusammen mit Ulf Leo Sommer und Daniel Faust die Musik zu den Filmen geschrieben. Ein Trio, das bereits Sarah Conner mit ihrem deutschen Album auf Platz 1 der Charts hievte. Die Songwriter haben ein solch glückliches Händchen, dass auch der Soundtrack zum dritten „Bibi und Tina“ Film „Mädchen gegen Jungs“ die Chartspitze eroberte.
Was lag also näher, als die beliebten Songs auch auf die Bühne zu bringen? Anfang 2016 entstand die Idee, ein Musical zu den Filmen zu konzipieren. Sommer und Plate erarbeiteten das Drehbuch zu „Bibi und Tina – die große Show“ und betteten in Zusammenarbeit mit Daniel Faust die Musik aus den Filmen ein. Das Musical feierte am 26. Dezember 2016 in Hannover Premiere und ging gleich auf große Deutschlandtour. Am 5. Januar 2017 fand sich ein jubelnde Masse an Mädchen, Müttern und Omas gemeinsam mit einigen wenigen männlichen Wesen (ja – auch einige kleine Jungs wollten oder mussten mit) in der Arena Trier ein, um ihre Lieblingsstars hautnah und live zu erleben.
Man muss erst einmal eine passende Idee haben, um die Titel aus drei Filmen in eine neue, bühnenreife Handlung zu betten und sie einem durchaus kritischen Publikum mit einfachen Handlungsmomenten und dennoch sinnvoll zu präsentieren. Für das Bühnengeschehen der „großen Show“ nahm man sich die gängigen Castingformate zum Vorbild: Die bekannten Charaktere aus den Filmen (Bibi, Tina, Alex, Holger, Sophia, Frau Martin, Graf Falko von Falkenstein und selbst der zwielichtige Hans Kakmann) werden Teil einer Show, die ihren Gewinner zum internationalen Wettbewerb nach Schweden schicken will.
Susanne Martin und Graf Falko sind das Moderatorenduo, die Gegenspieler Sophia und Kakmann machen jeweils ihr eigenes Ding, die vier übrigen Protagonisten bilden das Quartett „Vier gewinnt“. Nachdem die Konstellationen klar sind, gibt es Song um Song. Und alles wird ziemlich einleuchtend in die Handlung eingebettet, sodass sich auch das intelligente Publikum nicht anhand einer lustlosen Aneinanderreihung von Hits verarscht vorkommen muss. Nein – hier passt textlich alles. Egal, ob die Rahmenhandlung musikalisch interpretiert wird oder die Darsteller ihre Rolle charakterisieren.
Als Darsteller treten übrigens nicht die Schauspieler der Filme in Erscheinung, sondern eine neu gecastete Musical-Crew. Alle machen ihre Sache sehr gut. Vor allem Eve Rades als Bibi will ich hervorheben, die mit jugendlichem Elan über die Bühne fegt und der auch das berühmte „hex, hex“ gut über die Lippen kommt. Friedrich Rau gibt den Holger als energischen Gitarristen, der die Band musikalisch zusammenhält. Thomas Schumann spielt den wandlungsfähigen Kakmann ebenso ambitioniert wie Katharina Beatrice Hierl die ehrgeizige Sophia mit ihrer schrillen Cheerleadertruppe. Allein Vera Weichel als Tina bleibt etwas blass und kann sich gegen den Wirbelwind Bibi kaum durchsetzen. Aber das mag auch Teil ihrer Rolle sein, da sie die Sängerin mit Lampenfieber darstellt und zu den Twists im Showablauf beiträgt.
Für die Mitsing-Generation an jungen Mädels gibt es jedenfalls Hit um Hit: Natürlich den Titelsong aller Filme, das „Bibi und Tina Lied“. Dann „Ordinary Girl“ von Sophia, „Mädchen auf dem Pferd“ von Holger und Kakmanns „Ich will mehr“. Aus dem neuen Film stammen „Mädchen gegen Jungs“, „Feuer, Feuer!“, „Omm“ und das melancholische „Happy End“.
„98 Prozent“ interpretiert der wichtigste neue Charakter der Show: die ehemalige Casting-Queen Anni-Fried aus Stockholm, sehr schrill und herrlich extravagant gespielt von Nina Janke. Auch die großartige Liveband sollte man nicht unerwähnt lassen, die der Produktion den nötigen Drive mitgibt. Alles in allem ist das bunte Spektakel sehr gelungen. In Trier kamen die Zuschauer voll auf ihre Kosten und man konnte jederzeit leuchtende Augen sehen, während die kleinen Münder begeistert alle Songs mitsangen.
Während die Kinder eine Geschichte von Zusammenhalt und Treue sehen, dabei erkennen, wie aus Rivalität eine dicke Freundschaft wird und wie man gemeinsam Lampenfieber überwindet, bekommen die Erwachsenen einen durchaus satirischen Einblick in den Casting-Wahnsinn und das Drumherum einer großen Fernsehproduktion.
Der Hit des Abends war „Up, up, up (Nobody’s perfect)” als vom Publikum gewählter Siegertitel der Band Vier gewinnt. Und auch wenn es einige Tiefs zu überwinden gab, bis das Happy End endlich stattfand: Am Ende feierte die Arena mit stehenden Ovationen die 25 Ensemblemitglieder, es gab nicht enden wollende Zugaberufe und gemeinsam mit allen Anwesenden zelebrierte man den „Up, up, up“-Song inklusive Choreographie ein zweites Mal. Viele kleine Mädels (darunter meine neunjährige Tochter), die hier vermutlich ihre Weihnachtsgeschenke eingelöst hatten, gingen nach der netto zweistündigen Show zufrieden nach Hause. Was will man mehr?
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