Konstantin Wecker ist auch mit 75 Jahren immer noch der nimmermüde Mahner, Erzähler und Kritiker, der am Puls der Zeit lebt und sich bewusst ins politische Geschehen einmischt. Manchmal muss man ihm fast eine hellseherische Ader zuschreiben. So gab es 2019 das orchestrale Livealbum „Weltenbrand“ mit authentischen Aussagen gegen jede Kriegstreiberei – und mitten in den Wirren von Corona das lichtblickende Werk „Utopia“. Beide allerdings schon lange geplant, bevor der Zeitgeist sie so aktuell werden ließ.
Im Dezember 2019, kurz vor Beginn der Pandemie, konnte ich mit Konstantin über das geplante Album „Utopia“ sprechen: „Da werde ich die Grundidee dieses Weltenbrands weiterführen und sagen, wir dürfen nie die Utopie der herrschaftsfreien und liebevollen Gesellschaft aufgeben. Wenn wir nicht einmal die Utopie in uns tragen, dann sind wir rettungslos verloren. Dann haben die Angepassten, die uns immer als naiv, verrückt und als Spinner bezeichnen, gewonnen. Dann überrollen uns das Kapital und die Wettbewerbsgesellschaft. Das darf nicht sein. Aber ich bin guter Dinge. Die nächste weltweite Revolution muss eine weibliche sein, da bin ich mir ganz sicher. Es ist gar nicht anders möglich.“
So ist „Utopia“ eines der vielseitigsten Werke von Konstantin Wecker. Weil es starke Songs enthält, gleichzeitig aber auch rührende Lese-Texte, die Weckers poetische Ader zeigen. Weil es im neuen Liederzyklus tatsächlich um eine Utopie geht. Um ein menschenwürdiges Leben ohne Herrschaft und Gehorsam, einen schwärmerischen Blick auf eine liebevolle Gesellschaft. Das spiegelt sich auch in den Livekonzerten, die absolut berührend waren – auch (oder gerade weil) sie nicht unbedingt die altbekannten Gassenhauer des Liedermachers enthielten.
Der Livemitschnitt (als Doppelalbum bei Sturm und Klang) ist sehr textlastig. Aber stört das? Auf keinen Fall! Wenn ein Musiker etwas zu sagen hat, dann ist es Konstantin Wecker. Denn noch immer ist für den bedingungslosen Pazifisten viel zu viel menschliche Kälte, Hass und Gewalt auf dieser Welt. Das mag schwierig sein, wenn die ganze westliche Welt den Verteidigungskrieg der Ukraine unterstützt – doch Wecker verbiegt sich auch hier nicht. Er will bedingungslos Pazifist sein und bleiben.
Um ihn zu verstehen, helfen Texte wie „Meine poetische Welt“, „Die Tugend des Ungehorsams“ und „Meine musikalische Welt“. Er behandelt Mikis Theodorakis ebenso wie Bertolt Brecht und Franz Schubert. Er dichtet „Was mich wütend macht“ und singt „Schäm dich Europa“. Und ganz verträumt endet der Set mit der wundervoll-melancholischen Ansage „Jeder Augenblick ist ewig“.
Es gibt zwölf der neu komponierten Lieder, die der Münchner mit beliebten Klassikern wie „Genug ist nicht genug“, „Revoluzzer“ oder „Was ich an Dir mag“ vereint. Begleitet wird er auf seiner Reise von dem Pianisten Jo Barnikel, der Cellistin Fany Kammerlander und den Perkussionisten Daniel Higler und Jürgen Spitschka.
Für sie alle ist die Zeit längst reif, um gemeinsam mit dem Publikum und den Hörern nach Utopien zu suchen, sie zu wagen und zu handeln. Was wäre die Alternative angesichts der möglichen Vernichtung des gesamten Planeten? Die Antworten findet man in der täglichen Berichterstattung über Kriege, Gewaltausbrüche und Naturzerstörungen.
Mit „Utopia live“ setzt Konstantin Wecker nun mit Melodien und Versen ein poetisches Zeichen gegen den realen Irrsinn und fordert eine im wahrsten Sinn des Wortes zufriedene Welt. Es ist ein wohltuender Aufruf und ein Angebot, nicht den Mut zu verlieren und die eigene Angst und Ohnmacht zu überwinden. Konstantin macht Mut, seinen eigenen Weg zu gehen und eigene Ansichten zu vertreten – und er geht wie immer mit bestem Beispiel voran. Großartig in jeder Hinsicht!
Corona erschütterte den Tourplan und ließ sogar Konzerte platzen. Doch die enorme Kraft seines aktuellen Bühnenprogramms konnte auch die Pandemie nicht brechen. Mit „Utopia Live“ veröffentlicht der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker Aufnahmen seiner für ihn „wichtigsten und reifsten Konzerte“. Stark liest sich auch die Liste des Dargebotenen.
Insgesamt 34 Lieder und Texte findet man auf der neuen Doppel-CD des Musikers und Poeten, der in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden ist. Für Konstantin Wecker kein Alter, um sich zurückzulehnen, sondern aufzustehen. Immer wieder und mit nicht nachlassender Kraft. Denn noch immer ist für den bedingungslosen Pazifisten viel zu viel menschliche Kälte, Hass und Gewalt auf dieser Welt. Doch diese muss für ihn schlicht herrschaftslos sein, solidarisch und gerecht – ohne Wenn und Aber. Deswegen nimmt er sein Publikum mit auf seiner Reise nach Utopia.
Für diese musikalische Laudatio darf man ihn gern auch als Spinner bezeichnen. Denn Konstantin Wecker kontert in aller Seelenruhe: „Doch ihr lebt in einem Albtraum, mein Traum ist die Wirklichkeit.“
„Utopia Live“ – das ist spürbare Lust und Leidenschaft, und das sind zwölf neu komponierte Lieder, die der Münchner mit beliebten Klassikern wie „Genug ist nicht genug“, „Revoluzzer“ oder „Was ich an Dir mag“ vereint – gepaart mit neuen Gedichten und Gedanken. Begleitet wird er auf seiner Reise von dem Pianisten Jo Barnikel, der Cellistin Fany Kammerlander und den Perkussionisten Daniel Higler und Jürgen Spitschka.
Für sie alle ist die Zeit längst reif, um gemeinsam mit dem Publikum nach Utopien zu suchen, sie zu wagen und zu handeln. Was wäre die Alternative angesichts der möglichen Vernichtung des gesamten Planeten?
Die Antworten findet man in der täglichen Berichterstattung über Kriege, Gewaltausbrüche und Naturzerstörungen. Mit „Utopia Live“ setzt Konstantin Wecker nun mit Melodien und Versen ein poetisches Zeichen gegen den realen Irrsinn und fordert eine im wahrsten Sinn des Wortes zufriedene Welt. Es ist ein wohltuender Aufruf und ein Angebot, nicht den Mut zu verlieren und die eigene Angst und Ohnmacht zu überwinden.
„Utopia Live“ erscheint am 14. Oktober 2022 im Label „Sturm & Klang“ als Doppel-CD, digital sowie als 3er-LP „Mastered for Vinyl“.
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Konstantin Wecker gehört sicherlich zu den umtriebigsten Künstlern in diesen unseligen Corona-Zeiten. Ganze drei vollständige Livekonzerte hat er in den letzten Wochen aus seinem Münchner Tonstudio gestreamt, die noch immer über YouTube abrufbar sind. Aus dem Erlös der virtuellen Ticketverkäufe unterstützt er die Künstler seines Labels „Sturm und Klang“. Nebenbei engagiert er sich wie gewohnt gesellschaftspolitisch, beispielsweise mit der Aktion „Break Isolation“ bei der es darum geht, die Bewohner von Alten-, Pflege- und Flüchtlingsheimen aus ihrer Isolation zu holen, die durch die strikten Besuchsregeln und Ausgangssperren entstanden ist. „Leave No One Behind“ ist ein Motto, das auch Konstantin Wecker mit aller Kraft verfolgt.
Konstantin Wecker, Fany Kammerlander und Johannes Barnikel bilden das bewährte Trio – und es ist wirklich ein Genuss, ihnen zuzuhören. Nachdem der Liedermacher Ende letzten Jahres noch mit großem Orchester auf Tour war, reduziert er die Musik hier wieder auf das Wesentliche: Piano, Cello und Gesang. Auch wenn kein Publikum anwesend und hörbar ist, macht es doch große Freude Konstantins Ansagen zu hören, die sich an die Zuschauer am Bildschirm richten und in denen er zu Solidariät in diesen schweren Zeiten aufruft. Natürlich nicht ohne dass Populisten und Fanatiker, die aus der Krise ihren Profit ziehen wollen und auf Menschenfang gehen, ihr Fett abbekommen.
Schon der Anfang ist wunderschön und das perfekte Motto: „Ich singe, weil ich ein Lied hab'“. Dazu Konstantins wundervolle sonore Ansagen, in denen er erzählt, was ihn bewegt. Von Gedichten, die wie Küsse sind – in einer Zeit, da man Abstand halten soll. Es gibt anderes, an dem man sich festhalten kann! Der berühmte „Willy“ bekommt eine Neuinterpretation. Im Sprechgesang lamentiert Wecker über die Beschneidung seiner Freiheit. Und dass wir aufpassen müssen, damit die Restriktionen nicht zur Gewohnheit werden. Er ruft dazu auf, solidarisch zu sein, den Schutzsuchenden aus aller Welt unsere Luxushotels zu öffnen. Von der Vehemenz dieser Forderungen und der grundehrlichen Haltung bekomme ich Gänsehaut.
„Stürmische Zeiten mein Schatz“ passt natürlich wie die Faust aufs Auge. Und er denkt an die Kinder, wenn er ihnen seine Lieder widmet. Konstantin erzählt, belehrt, sucht nach neuen Wegen. Er spricht von Poesie als dem einzig wahren Widerstand und liest Gedichte „Über die Zärtlichkeit“ und „Gelebtes Leben“.
Als Gast ist die Liedermacherin Sarah Straub mit im Studio, die unlängst ein Album mit ganz eigenen Wecker-Interpretationen veröffentlicht hat, unfd singt mit ihm im Duett „Niemand kann die Liebe binden“. Es gibt die altbekannten ideologischen Songs, die leider nichts an Aktualität eingebüßt haben: „Den Parolen keine Chance“, „Sage Nein“ und „Was keiner wagt“. Zum Schluss bedankt sich Konstantin Wecker wie so oft mit „Gracias a la Vida“ beim Leben, das ihm, das uns so viel geschenkt hat – und ich bin dankbar, solche Momente mit erleben zu dürfen.
Auch mit fast 73 Jahren bleibt Konstantin unermüdlicher Kämpfer gegen Ungerechtigkeiten und für eine neue Weltordnung. Er ist stolz darauf, ein „Gutmensch“ zu sein und fordert die Menschen auf, mit dem Herzen zu denken. So ist auch diese live-CD ein wundervolles Zeitdokument. Es gibt die CD in physischer Form nur auf der Homepage www.wecker.de, aber als Download auch auf vielen legalen Portalen. Mit 5 Euro pro verkauftem Album unterstützt man die Musiker seines Labels.
„Für Johann Wolfgang Goethe waren Gedichte Küsse, die man der Welt gibt. In diesem Sinne wollen wir mit den 18 Liedern und Gedichten, in Zeiten, die eine körperliche Nähe ausschließen, die Menschen umarmen. So viele Konzerte mussten wir bereits absagen und verschieben und all jenen, die gerne zu uns gekommen wären, können wir hiermit eine Freude machen“, so Konstantin Wecker. Dem ist nichts hinzufügen.
Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. 90 Minuten vor Konzertbeginn konnte unser Redakteur Andreas Weist ein Interview mit dem 72jährigen Liedermacher führen. Sein Fazit: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte.
Heute ist das letzte Konzert der „Weltenbrand“ Tour. Wie war es für dich mit großem Orchester auf der Bühne?
Der absolute Traum. Es war sicherlich das Schönste, was ich jemals gemacht habe, weil alle Lieder so klingen, wie ich sie mir beim Komponieren gedacht habe. Es gibt auch einige Stücke von mir, die eher rockiger sind. Die haben wir halt nicht mit dabei. Obwohl auch hier durch unseren wunderbaren E-Gitarristen, den Severin Trogbacher, den ich für ein Genie halte, durchaus rockige Klänge mit rein kommen.
Die orchestrale Seite ist nicht neu für dich?
Nein. Ich bin nun mal ein Musiker, der aus der Klassik kommt. Und meine Ziehväter sind – im Gegensatz zu meinen geschätzten Kollegen – klassische Komponisten. Bei Hannes Wader ist es englischer Folk, bei Reinhard Mey französischer Chanson, bei mir Franz Schubert.
Jetzt kommt diese klassische Seite so richtig durch?
Das war schon immer so. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den 60er Jahren ein Cello mit auf die Bühne brachte. Da musste ich mir unglaubliche Sachen sagen lassen: Das kann man doch nicht machen, mit so einem bourgeoisen Instrument. Aber eine Gitarre ist nicht bourgeois?
Fany Kammerlander am Cello ist eine große Bereicherung für deine Konzerte, oder?
Ja, Fany ist eine große Bereicherung. Aber ein Cello war immer bei mir mit dabei. In den 60ern war es Hildi Hadlich, die ist jetzt in Rente. Und in den 80ern war ich mit einem Kammerorchester unterwegs. Das hatte einen Schlagwerker, weil ich damals Schlagzeugern misstraut habe. Auch zu Recht, weil die meinen Text kaputt geschlagen haben. Schlagwerk ist feiner. Jetzt kenne ich auch Schlagzeuger, die sensibel spielen können, aber das war früher nicht so der Fall. Damals war ich schon in Italien und hatte ein Studio dort. Es kamen immer Musiker zu Besuch. Wenn ein Oboist da war, habe ich was für Oboe geschrieben. Oder für Klarinette, Trompete – es war ein kleines Kammerorchester. Das war damals sehr mutig, denn zu dieser Zeit kam der Punk als neue Musikrichtung auf und das Publikum kam nicht wegen meiner Musik, sondern trotz meiner Musik.
Hast du deine Arrangements damals selbst geschrieben?
Ja, das habe ich alles selbst gemacht. Für Kammerorchester habe ich in vielen Varianten selbst geschrieben. Bis in die 90er habe ich auch einen Großteil meiner Filmmusiken selbst arrangiert. Bei „Schtonk!“ allerdings nicht mehr. An großes Orchester habe ich mich nicht ran getraut. Da fehlte mir die Erfahrung. Man muss selbst in einem großen Orchester gespielt oder es dirigiert haben.
Und jetzt? Die neuen Arrangements?
Jetzt hat es der Jo Barnikel gemacht. Er kennt mich seit 25 Jahren und weiß, wie ich ticke. Er hat das wahnsinnig feinfühlig gemacht und er hat, was ich ihm hoch anrechne, keine persönliche Eitelkeit. Es gibt Arrangeure, die wollen unbedingt ihren eigenen Stil durchsetzen, aber das wäre bei meinen Liedern einfach falsch, denn die haben schon ihren eigenen Stil. Der Jo weiß, wie ich empfinde, und hat sich auch gut angehört, was ich früher alles geschrieben habe. Interessanterweise sagte mal ein Pianist zu mir, dass er genau merkt, dass ich beim Komponieren eigentlich orchestral denke und nicht pianistisch. Und so ist es auch. Ich bin groß geworden mit Verdi, Puccini und Mozart. Mein Vater war Opernsänger. Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich nur klassische Musik gehört – doch dann kam Janis Joplin. Sie hat mir eine andere Richtung gezeigt.
Du hast auf deinen Konzerten schon Aufnahmen vorgespielt von dir und deinem Vater. Das fand ich sehr berührend.
Ja, das war „La Traviata“. Ein Wunder, dass es das noch gibt. Meine Mama hat die Aufnahme aufbewahrt. Es war 1959 und eines der ersten Tonbandgeräte, die man als Privatmann kaufen konnte: ein SAJA – das werde ich nie vergessen. Vorher hatte nur der Rundfunk solche Geräte. Meine Mama hatte diese alten Bänder aufgehoben und wir haben sie irgendwann digitalisiert. Davon gibt es noch viel mehr.
War es schwer für dich, bestimmte Titel für die „Weltenbrand“ Tour auszuwählen? Du gehst ja einige Jahrzehnte weit zurück.
Ja, aber auch nein. Ich habe einfach viele Lieder, die von Haus aus orchestral gedacht waren. Und dann habe ich auch einige dabei, die ich allein am Klavier spiele, zum Beispiel „An meine Kinder“.
Warum hast du den Titel „Weltenbrand“ gewählt, der doch sehr politisch ist?
Weil ich unbedingt auf die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg hinweisen wollte. Der Titel erinnert daran. Ich habe mich mein Leben lang intensiv mit der Räterepublik beschäftigt. Davon werde ich auch im Konzert heute sprechen. Was war das für eine blühende Zeit in der Weimarer Republik mit großartigen demokratischen Ideen wie dem Frauenwahlrecht und wie schnell ist das kaputt gegangen. Dabei ist das Lied „Weltenbrand“ eher ein philosophisch-lyrisches. Aber der Titel ist deutlich. Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass ich das Programm so nennen will.
Und wie geht es im neuen Jahr weiter?
Das nächste Programm heißt „Utopia“. Da werde ich die Grundidee dieses Weltenbrands weiterführen und sagen, wir dürfen nie die Utopie der herrschaftsfreien und liebevollen Gesellschaft aufgeben. Wenn wir nicht einmal die Utopie in uns tragen, dann sind wir rettungslos verloren. Dann haben die Angepassten, die uns immer als naiv, verrückt und als Spinner bezeichnen, gewonnen. Dann überrollen uns das Kapital und die Wettbewerbsgesellschaft. Das darf nicht sein. Aber ich bin guter Dinge. Die nächste weltweite Revolution muss eine weibliche sein, da bin ich mir ganz sicher. Es ist gar nicht anders möglich. Selbst in der Türkei gibt es einen Aufstand der Frauen gegen Erdogan. Was meinst du, wie den das ärgert? Davor hat er am meisten Angst. Genauso ist es in Südamerika. Auch „Fridays for Future“ ist von Frauen gemacht. Nicht nur wegen Greta. Die meisten Aktivisten sind Mädchen. Eine herrschaftsfreie Welt ist ohne wirkliche Gleichberechtigung nicht möglich. Das fehlt uns auch hier. Es ist besser als im Iran, aber es ist noch keine Gleichberechtigung. Eine Politikerin der Grünen sagte mir mal, wenn sie in der Politik aufsteigen wolle, müsse sie männliche Machtstrukturen ausüben, was sie aber nicht will. Das ist die Gefahr. Das Patriarchat ist fünf- oder zehntausend Jahre alt. Wenn eine Frau sich wie ein Mann aufführt, wie Marine Le Pen, dann haben wir auch keine weibliche Politik.
Wie stehst du denn zu Angela Merkel? Bist du versöhnt mit ihr aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik?
Ich war mit ihr nie politisch einer Meinung, aber spätestens seit „Merkel muss weg“ war ich auf ihrer Seite. Sie hat zwei herausragende Eigenschaften, die mir sehr imponieren: Sie ist nicht eitel und sie ist nicht korrupt. Ich halte sie für eine wirklich unbestechliche Person – im Gegensatz zu unserem Herrn Scheuer, dem die Autoindustrie aus den Ohren rausschaut. Auch wenn ich anderer Meinung bin, habe ich schon eine Achtung vor Frau Merkel.
Wird es zum neuen Programm auch ein Lied mit dem Titel „Utopia“ geben?
Vielleicht – das weiß ich noch nicht. Ich muss ja bei den Liedtexten immer warten, bis sie mir passieren. Ich kann sie nicht erzwingen. Das konnte ich noch nie. Ein paar neue Stücke habe ich geschrieben und ich werde noch einige Vertonungen von Mühsam, Kästner und Mascha Kaléko machen, also von den verbrannten Dichtern. Und ich werde zwei Schauspielerinnen dabei haben, die auch Texte sprechen.
Vielen Dank, Konstantin! Eine letzte Frage hätte ich noch: Meine Frau meinte, ich soll unbedingt nach der bunten Kette fragen, weil es da doch sicher eine Geschichte zu gibt.
Natürlich. Das kommt aus der Kultur des Friedens, der ich sehr verbunden bin. Da war ja früher auch Mikis Theodorakis dabei und viele tolle Leute. Mit denen war ich kurz vorm Irakkrieg in Bagdad. Wir haben diese Kette entworfen und verkauft. Der Erlös ging an Kinder dort. Wir haben Kindern geholfen, die mit 7 oder 8 Jahren in Bagdad arbeiten mussten. Wir halfen, damit sie in die Schule gehen konnten. Ich hatte auch ein Patenkind dort, Amir, aber dann kam der Krieg und der Kontakt ist abgebrochen. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Diese Friedenskette hat die „PACE“-Farben und dient jetzt anderen wohltätigen Zwecken.
Ganz lieben Dank für das Interview und deine Zeit. Gleich ist Einlass. Ich wünsche dir und uns ein tolles letztes „Weltenbrand“ Konzert.
Es war wundervoll, so ausgiebig und intensiv mit Konstantin sprechen zu können. Wir waren direkt beim „Du“ und ich bewundere seine Offenheit in den angesprochenen Themen. Mein Dank geht an den Tourleiter Peter Ledebur für die perfekte Betreuung vor Ort, an Mark Dehler von Netinfect für die Vermittlung des Interviews und natürlich an den lieben Konstantin, der den Abschluss der „Weltenbrand“-Tour zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Wir freuen uns auf „Utopia“ und die nächsten Weisheiten des unermüdlichen „Kämpfers für eine herrschaftsfreie Welt“. PACE!
Eines der besten Konzerte im Jahr 2019 durfte ich erleben, als das Jahr schon fast zu Ende war. Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. Es war ein großes orchestrales Ereignis, das die Zuschauer in der alten Industriehalle erleben durften. Es war etwas chaotisch, bis jeder seinen Platz gefunden hatte, denn das Konzerte sollte eigentlich in der Rheingoldhalle stattfinden, die aufgrund eines Brandes für längere Zeit gesperrt ist. Doch mit vereinten Kräften schafften es die Veranstalter vom Frankfurter Hof, jedem seinen Sitzplatz zuzuweisen.
Ich wurde um 16 Uhr darüber informiert, dass ich ein Interview mit Konstantin Wecker führen kann. Also ab ins Auto, Sprint nach Mainz und gegen 18.30 Uhr den gut gelaunten Liedermacher beim Abendessen gestört. Was ich sagen kann: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte. Das komplette Interview könnt ihr in Kürze hier nachlesen.
Knapp nach 20 Uhr betrat das Orchester die Bühne und startete mit „Nur dafür lasst uns leben“, bevor Konstantin schon unter tosendem Applaus die Bühne betrat. Dieses erste Stück ist 40 Jahre alt und aktuell wie eh und je. Das betonte er in seiner ersten Ansage – und stellte sogleich das wundervolle Orchester vor: Zwölf Musiker aus neun Nationen unter der Leitung von Mark Mast. Und der Klang war wirklich gewaltig. Schon im zweiten Stück gab es ausufernde Soli der Instrumentalisten und man konnte nur bewundern, wie alles zusammen harmonierte. Immerhin hatte Wecker auch noch seine rockige Band aus Fany Kammerlander, Jo Barnikel und Severin Trogbacher dabei.
Der Meister selbst intonierte Stücke wie „Schlaflied“ und das bewegende „An meine Kinder“ allein am Piano und sorgte für die ruhigen Momente. Besonders groß aber waren die orchestralen Suiten. Ich denke da an die Vertonung von Goethes „An den Mond“ in atmosphärischen Klängen, oder das morbide „Hexeneinmaleins“ mit virtuosen Rhythmus-Spielereien.
„Und das soll dann alles gewesen sein“ ist ebenfalls ein 40 Jahre alter Song. In der Ansage brach Konstantin eine Lanze für Greta und Fridays for Future, für die Schulschwänzer und Träumer. Klar wünschte er sich die 68er zurück. Im Anschluss zitierte er Erich Kästner: “Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen” und es folgte ein starker Part mit „Frieden im Land“ und „Das macht mir Mut“. Nach diesen deutlichen politischen Statements, die Weckers gelebten Pazifismus ausdrücken, entließ er das Publikum um 21.15 Uhr in die Pause.
Im zweiten Teil wurde deutlich, dass die orchestrale Tour heute Dernière feierte. Zum „Heiligen Tanz“ kamen die Crewmitglieder hinter der Bühne hervor und legten mit Band und Orchester eine heiße Sohle aufs Parkett. Selbst Konstantin, dem nach einigen Worten das Tanzen nicht so liegt, war ausufernd in Bewegung. Seine inzwischen 72 Jahre sah man ihm wahrlich nicht an – vor allem wenn ich bedenke, wie lange das Konzert noch dauern sollte.
Natürlich war das Setting wie gemacht für Ausflüge in die Filmmusik und so kamen die Klänge von „Kir Royal“ mal wieder zu Ehren – ebenso wie der „Tango Joe“ aus dem Soundtrack von „Schtonk!“. Rainer Maria Rilke („Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“) wurde zitiert, bevor der Titelsong „Weltenbrand“ erklang. Ängste und Hoffnungen spielten eine große Rolle in den vorgetragenen Texten und Aphorismen. „Die weiße Rose“, das zu Herzen gehende Lied über Sophie und Hans Scholl, wurde gefolgt vom Text „Warum ich kein Patriot bin“ und dem wundervollen „Ich habe einen Traum“ mit orientalischen Klängen und dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben aller Völker.
Der Zugabenblock begann eigentlich schon kurz vor 23 Uhr, doch der wunderschöne und stimmungsvolle Konzertabend wollte einfach kein Ende nehmen. Dass das klanggewaltige „Sage Nein“ mit seinem Aufruf zum Widerstand als Orchesterhymne in den Abschlussblock gehörte – geschenkt. Bei den mitreißenden italienischen Nummern „Questa nuova realtà“ und „Gracias a la Vida“ war Konstantin im Publikum unterwegs, schüttelte Hände, umarmte die Menschen, tanzte mit ihnen – es waren wundervolle Momente, die man da sehen und erleben durfte. Es wurde aus voller Kehle gemeinsam gesungen, als er das Publikum animierte, den Refrain von „Den Parolen keine Chance“ nochmal anzustimmen, für das er Beethovens „Ode an die Freude“ mit neuem Text versehen hat: „Lasst uns jetzt zusammen stehen, es bleibt nicht mehr so viel Zeit. Lasst uns lieben und besiegen wir den Hass durch Zärtlichkeit.“
Doch immer wieder nahm er die ausgelassene Stimmung zurück und stimmte nachdenkliche Titel an wie „Das Leben will lebendig sein“, ein melancholisches „Lied der Lieder“ über die Deportationen der Vergangenheit und Gegenwart sowie den anrührenden Schluss mit „Schlendern“. Ganz zum Ende (es war fast schon Mitternacht) durfte das – inzwischen ohnehin nur noch stehende Konzertpublikum – dem Rilke-Gedicht „In meinem wilden Herzen“ lauschen, dass jedem ein stimmungsvolles Motto für den Abend und die Nacht mitgab. Ja, Weckers Herz ist weiterhin wild und er füllt es mit Poesie und allgegenwärtiger Lebendigkeit. Ich hoffe, dass er noch lange die Bühnen des Landes bereist und uns auch mit dem neuen Programm „Utopia“ (quasi dem optimistischen Gegenentwurf zum „Weltenbrand“) so bewegen kann.
Für alle, die nicht auf der Tour dabei sein konnten, kann ich das Livealbum „Weltenbrand“ wärmstens empfehlen (HIER findet ihr unsre Review). Obwohl die Orchestertour offiziell beendet ist, gibt es eine letzte Chance: Am 1. Mai 2020 in der Schwarzwaldhalle Karlsruhe. Im Oktober startet dann die „Konzertreise nach UTOPIA“.
Konstantin Wecker ist jetzt 72 Jahre alt aber zum Glück topfit in allen Bereichen. Er gibt weiterhin wundervolle Konzerte, hat viel zu sagen – vor allem in politischer Richtung -, gibt sich lyrischen Ausschweifungen hin und hat die Poesie zur wichtigsten Ausdrucksform im Widerstand erhoben. Seine Konzerte sind immer eine Wucht, egal ob er mit seinen Getreuen als Trio auf der Bühne steht, eine komplexe Band im Rücken hat oder sich neuerdings durch die Bayerische Philharmonie unterstützen lässt.
Die aktuelle Konzertreihe heißt „Weltenbrand“ und der dazugehörige Longplayer erscheint am kommenden Freitag. Noch bis Ende des Jahres ist der Liedermacher mit Weltenbrand in Deutschland, Österreich und in der Schweiz unterwegs. Und dies nicht nur zur Freude der bislang über 20.000 Besucher. Auch die Medien sind voll des Lobes und schlicht begeistert von den Abenden, an denen der Münchner mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie – unter der Leitung von Mark Mast – Lieder präsentiert, die er im Lauf von vier Jahrzehnten komponiert hat. Angegraut ist kein einziger Ton davon.
Die Arrangements sind ausufernd schön und füllen in orchestraler Breite vor allem die musikalischen Lücken der Stücke aus. Konstantins erzählende Stimme wird zum Glück nur selten überlagert. Er kann seine Ideen und seine Poesie in vollem Glanz verbreiten. Ermahnend, anklagend und begeisternd wie eh und je.
„Nur dafür lass uns leben“, ein 40 Jahre altes Stück des Münchners, leitet das Konzert ein und er vergisst nicht zu erwähnen, dass der Text aktuell ist wie damals. Es folgt der Text „Ein Plädoyer für die Ohnmächtigen“, ganz im Sinne, wie Konstantin sein Leben sieht und wie er die Kunst des Scheiterns zelebriert. Eine solche Mischung aus Songs und kleinen Aphorismen zieht sich durch das ganze Album.
Die Highlights reihen sich aneinander. „Stürmische Zeiten meine Schatzen“ gewinnt vor allem im Refrain durch den Sturm des Orchesters. Ich mag es, wie Wecker aus seinem Leben erzählt, als er beispielsweise mit 50 erstmals Vater wurde – und wie er das „Schlaflied“ und den aktuellen Song „An meine Kinder“ ansagt, als ein Lied, das er an die kleinen Kinder geschrieben hat, und eins, das er jetzt ganz aktuell ergänzt.
„Und das soll dann alles gewesen sein“ ist ebenfalls ein 40 Jahre alter Song. In der Ansage bricht Konstantin eine Lanze für Greta und Fridays for Future, für die Schulschwänzer und Träumer. Klar wünscht er sich die 68er zurück. Später zitiert er Erich Kästner: „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen“.
CD 2 startet mit dem modernen Klassiker „Heiliger Tanz“. Konstantin liest von Bert Brecht „An die Nachgeborenen“. „Ich habe Angst“ und „Empört euch“ sind eindringliche Aufrufe. Rainer Maria Rilke wird zitiert, bevor der Titelsong „Weltenbrand“ erklingt. Es geht um Ängste und Hoffnungen. „Die weiße Rose“ wird gefolgt vom Text „Warum ich kein Patriot bin“ und dem wundervollen „Ich habe einen Traum“ mit seinen orientalischen Klängen und dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben aller Völker.
Dieses Album fasst alles zusammen, wofür Konstantin Wecker steht und wofür er immer stehen wird. Es ist zugleich „Best of“ Album und Standortbestimmung. Ein historisches Gesamtwerk und eine CD, die die Aktualität aller Songs des Meisters unter Beweis stellt. Zum einzigartigen musikalischen Gewand tragen neben der Philharmonie auch die bekannten Gesellen Fany Kammerlander und Jo Barnikel bei.
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