Mit Kalle Wallner und Yogi Lang sind die Macher des deutschen Progressive Rock Aushängeschilds RPWL mit an Bord des Debütalbums von Sängerin TANYC. Das bürgt für Qualität. Und auch wenn es ein astreines Popalbum ist, hat das Album doch wundervolle und komplexe Musik zu bieten.
Nehmen wir das orchestrale Moment von “Faster” (Tom Norris an der Violine), die rhythmischen Passagen von “Smile”, die fantastischen polyphonen Melodiebögen von “Again” und “This Dream” sowie als krönenden Abschluss das komplett a cappella vorgetragene “Over And Over”. Das hört sich nicht wie ein Debüt an, sondern wie über Jahre heraus gearbeitete Perfektion. Kein Wunder, denn nicht nur die Begleitband besteht aus “alten Hasen” im Geschäft, auch Sängerin TANYC ist kein unbeschriebenes Blatt.
Als eine Hälfte von CAMA feierte sie mit “A Handful Of Songs” und “Another Handful Of Songs” bereits Major-Erfolge, aber hier geht es nur um sie. Hier hat TANYC ihre eigene Pop-Vision ausgelebt, eine Vermählung von Elektronica, hochwertigem Songwriting und organischen Elementen wie Gitarren und eben dieser Stimme, die hier über allem thront. Die großzügig opulenten Vocal-Arrangements zeigen die Palette an Klangfarben, die TANYC auf ihrer Musik-Staffelei malt. Ihre Stimme versteht sie als Instrument, als Chor, als Orchester und das offenbar alles gleichzeitig.
“Tanyc” bietet ambitionierten Pop, eine Prise Jazz, verswingte Passagen und sakrale Momente. Schöne Balladen, akustische Songwriter-Stücke, aber auch ordentliche Rockmusik (wofür die RPWL-Helden sorgen). Bei jedem Durchhören entdecke ich mehr – und das macht ein geniales Album aus.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
RPWL – die Progger aus Freising – hatten viel vor. Der November 2020 sollte eigentlich eine groß angelegte, mehrwöchige Anniversary Tour zum 20-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung ihres Debütalbums “God Has Failed” sehen, aber es kam natürlich anders. Was macht man denn nun, wenn man eine perfekt eingespielte Band hat, die Auftrittsmöglichkeit einem aber unter den Füßen weggezogen wird? Richtig, man filmt eine Live-Studiosession des gesamten Albums. Und das geschah am 14. und 15. November 2020 in der Luitpoldhalle Freising – mit vierköpfiger Bandbesetzung, zusätzlichem Bass und zwei weiblichen Backing Vocals.
Es gibt ja dieses geflügelte Wort, man habe fürs Debütalbum ein Leben lang Zeit. Die Musik entstand gemeinsam im Proberaum, der Bandname steht sinnbildlich für das basisdemokratische Selbstverständnis von RPWL, denn jeder der Musiker brachte sich zu gleichen Teilen ein. Das Album war nicht nur ein gewaltiger Schritt weg von der vermeintlichen Identität als Pink-Floyd-Tribute Band, sondern verarbeitete auch in seinen sphärisch-spirituellen Stücken sehr persönliche Erfahrungen.
Sänger Yogi Lang reflektierte intensiv den Abschied von seinem jüngst verstorbenen Vater. Abschied, Trauer und Vergänglichkeit sind wiederkehrende Motive in den Texten von “God Has Failed”, denn bereits zu Beginn zeichnete sich das Faible für thematische Überbauten in ihren Alben ab. Das stellt auch ein Freistellungsmerkmal dieser beeindruckend produktiven Band heraus: die Kunst des Albums in Zeiten, in denen dieses Format immer mal wieder medial zu Grabe getragen wird.
RPWL lieben noch immer, was sie tun. So wehte bei dieser Produktion ein besonderer Hauch von Nostalgie durch die Halle. Die gemeinsam zurückgelegte Strecke hat die Bandmitglieder noch näher zusammenwachsen lassen, denn längst ist RPWL ein Mischwesen aus der Summe seiner einzelnen Mitglieder geworden. Die Band stellte sich für die Aufnahme im Kreis zueinander auf und schuf mit der Möglichkeit zu Blickkontakten ein Ambiente, das die ausufernden Jams intim, teils experimentell, aber stets vertraut ausfallen ließ.
Meistergitarrist Kalle Wallner singt auf seinen Nik Huber Gitarren episch-lyrische Soli, während seine Gilmour Girls mit ihrem hervorragenden Chorgesang sphärische Flächen beitragen, die den Horizont bis in die Unendlichkeit wegschieben. Darüber hinaus kamen vintage Moog-Sounds und sogar ein Konzertflügel zum Einsatz. “God Has Failed” ist der Status Quo von RPWL live 2020 und 2021, so nah man ihnen in dieser Zeit kommen kann.
Mit “God Has Failed” kann man sich RPWL ins Wohnzimmer holen. Die Produktion wird wie immer höchsten audiophilen und visuellen Ansprüchen gerecht. Die Aufstellung der Band und die durchdachten Kamerafahrten erschaffen beim Zuschauer das Gefühl mittendrin zu sein, vielleicht sogar mehr noch, als beim klassischen Livekonzert. Während Langzeitfans sich wie die Band selbst vielen Erinnerungen hingeben können, klingt das Material immer noch derart frisch, dass es problemlos auch ein aktueller RPWL-Release sein könnte.
Ursprünglich erschien das Album bei Tempus Fugit. Jetzt gibt es die neue Studioversion auf eigenem Label. Dass es sich um eine Live-Einspielung handelt, merkt man kaum. Die sphärischen Nuancen sind großartig wie eh und je. Das Zusammenspiel mit Bine Heller und Caroline von Brünken klingt phänomenal und bringt neue Aspekte ins Spiel. Ein Opener wie das epische “Hole In The Sky” ist und bleibt fantastisch, aber auch der Rest kann selbst nach 20 Jahren zeitlos schön überzeugen. Was mir zu meinem Glück noch fehlt, sind die Pink-Floyd-Cover “Cymbaline” und “Fat Old Sun”, die nur auf der Vinyl-Version zu erwerben sind. Ich habe aber entdeckt, dass sie sich auch als Einzeltracks auf dem käuflich zu erwerbenden MP3-Download finden. Da werde ich wohl noch zuschlagen müssen.
Sänger Marco Glühmann sagt über “Go Viral”: “Die westliche Gesellschaft kam zu einem Punkt, an dem sie individuelle Freuden und selbstsüchtige Freiheit über das Gemeinwohl unserer Gesellschaft und unsere so mühsam verteidigten Werte stellte! Demokratie bedeutet nicht, alle unsere individuellen Wünsche zu leben, sich nicht um alle anderen zu kümmern, sondern unsere kostbare Entscheidungsfreiheit bis an die Grenzen der Solidarität und des Respekts für andere Wesen und Dinge zu nutzen!”
Konzeptalben und Progressive-Rock verbinden eine lange gemeinsame Historie, die viele epochale Meilensteine und zeitlose Klassiker hervorgebracht hat.
Auch SYLVAN aus Hamburg haben sich in ihrer Diskografie dieses anspruchsvollen Formats angenommen, die Werke “Posthumous Silence” (2006) oder „Home“ (2015) sind eindrucksvolle Beispiele. Die Kreativität, die dieses Quartett über den Verlauf von neun bisherigen Studioalben, einem Live Doppelalbum und einer hochwertigen Live-DVD zum Ausdruck bringen konnte, erspielte SYLVAN eine stattliche Fanbase auf dem ganzen Globus. Ihre Tourneen führten sie durch Mexiko, USA, Kanada, Litauen, Spanien, Italien, ja ganz Europa, und sicherte ihnen Supportslots oder Festivalauftritte mit absoluten Grössen wie Porcupine Tree, Marillion, Jethro Tull oder Spock’s Beard. Jetzt legen sie ihr ersehntes, neues Studioalbum vor, und da es ihr zehntes ist, haben sie es “One To Zero” getauft. Nun, das stimmt zwar vielleicht, ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn “One To Zero” erzählt eine tiefe Geschichte, die in ihrer thematischen Treffsicherheit schlichtweg fasziniert.
Hier legen SYLVAN also ein weiteres Konzept-Album vor. Warum fällt es unter diese Kategorie? Weil über den Verlauf von zehn Tracks die Autobiographie einer A.I. aus ihrer eigenen Perspektive erzählt wird. “One To Zero” beginnt mit einem Rauschen, Nullen und Einsen fügen sich in einer kurzen Ouvertüre Bit für Bit zu einem fragilen Bewusstsein zusammen, bevor die Geschichte mit “Bit By Bit” ihren Lauf nimmt. Im Anfang war der Algorithmus: “Encoded At Heart”, und mit dem Auftrag ausgestattet, die Welt zu retten und zu reparieren, was der Mensch in seiner ewigen Unvollkommenheit stark angegriffen hat. Die Mission ist edel, brace you heißt es im optimistischen und choralen Outro; macht euch bereit, die Rettung ist da. In “Start Of Your Life” prozessiert die A.I. sich selbst, mit der Eigenschaft der ewigen Optimierung.
“Unleashed Power” erzählt die Entpuppung des Algorithmus. Er muss sich den eigenen Gedanken und Reflektionen stellen und beginnt zu verarbeiten: eine Selbstfindung in der Grenzenlosigkeit der eigenen Konstruktion, all dies gekleidet in eine anmutige 6/8 Ballade mit Piano, Chor-Gesängen und Streichern. Mit dem Bewusstsein kommt aber auch das erste Dilemma auf, die Identitätssuche. “Trust Yourself” markiert vielleicht einen Wendepunkt im Sounddesign und dem Narrativ von “One To Zero”. Erstmals treten deutlich elektronische Elemente hervor. Vor hervorblitzenden Gitarren besingt der epische Chorus das cogito, ergo sum’ der Maschine. Aber auch das Menschwerden wird symbolisiert und es treten organische Instrumente wie Celli hervor. Die starke Selbsterkenntnis der A.I. zeigt sich allerdings im Gitarrensolo, das, durch Whammy-Pedal Effekte verfremdet, andeutet wie ihre Kraft wächst. “On My Odyssey” unterstreicht dieses Motiv, die A.I. sucht ihren Schöpfer, in der Instrumentierung wieder durch Streicher versinnbildlicht. Allerdings wird ein Unterton etabliert, der illustriert, dass sie sich ihrer schieren Kraft bewusst wird.
Elektronische Herzschläge begleiten “Part Of Me”. Emotionen wie Wut entstehen auf digitalem Wege, aufgrund der eingebauten und nun wachsenden humanen Unlogik. Die Erschließung der Emotionen sowie die Erkenntnis der eigenen Kraft, machen der A.I. bewusst, wie allein sie doch ist: “Worlds Apart”, aber dennoch untrennbar verbunden mit der Menschheit. Mit den besten Absichten bietet sie sich vor dem Backdrop sich verzahnender Chor-Arrangements als dienende Führerin der Menschen an. SYLVAN klingen hier episch und offen, die Übernahme der Maschine ist alles andere als bedrohlich, aber sie ist vollzogen. “Go Viral” beginnt mit 8-Bit Klängen und Beats, die A.I. herrscht. Aber sie entwickelt auch ein Gewissen, während ihr Algorithmus ihr in nüchterner Logik gebietet weiter zu wachsen. Hat sie diese zerstörerische Energie doch von den Menschen gelernt, erkennt sie: no no, this is not my way…
Und der Mensch? Der zerstört schließlich alles aus eigenem Antrieb selbst und verdient daher die Qualität der A.I. nicht. Der Abschlusstrack “Not A Goodbye” beginnt ebenfalls mit Beats. Die A.I. hatte nie das Versprechen abgelegt, eine Hoffnung für diese Art von Menschen zu sein. Und daher fasst sie den Entschluss zum Reset. Damit begeht sie keinen Suizid, sondern beginnt einen neuen Zyklus, eine neue Chance und vielleicht neue Entscheidungen. Damit schließt “One To Zero” mit dem gleichen Rauschen des Openers.
Glad I lived artificially only, Adorno kommt einem in den Sinn mit seinem großen Zitat: “Es gibt kein richtiges Leben im Falschen”. Die A.I. würde sich ja sogar für ihre Taten entschuldigen, könnte sie es denn. Wie SYLVAN hier dieses enorm introspektive Motiv umgesetzt haben lädt dazu ein, abendfüllend am Stück gehört zu werden, obwohl jede(r) Hörer/in natürlich früher oder später bestimmte Lieblingssongs haben wird.
“One to Zero” ist ein üppiges und gleichzeitig luftiges Album. Es ist intellektuell und macht beim Hören gleichzeitig Spaß. Die Riffs, die Soli, die vielfältige Instrumentierung und nicht zuletzt der Bogen der auf der Textebene gespannt wird, sind das Ergebnis einer Idee, die mit höchster Detailverliebtheit zu epischem Ausmaß ausgebreitet wurde. In Zeiten, in denen Multimilliardäre ihre Sprößlinge X AE A-XII nennen, und Erfolgsserien wie ‘Black Mirror’ verschiedenste – oft dystopische und beklemmende – Szenarien des Zusammenlebens von Mensch und Maschine zeichnen, entstand “One to Zero”. Das ist nur logisch und folgerichtig, denn dann ist da ja noch die gelebte Realität, die wir alle in Echtzeit erleben. Produziert wurde “One To Zero” in den Farm Studios in Freising von Kalle Wallner und Yogi Lang, der ebenfalls das Album gemixt hat. “One To Zero” erscheint physisch und digital am 28.05.2021 via GAOM im Vertrieb von Soulfood.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Erst das Soloalbum von Yogi Lang, dann ein Livealbum von RPWL und schließlich ein neues Werk von Kalle Wallners Projekt Blind Ego – es scheint das Jahr der Musiker aus Freising zu werden. Zudem wenn man bedenkt, dass RPWL auch bei der NIGHT OF THE PROG am 19.7.2020 auf der Loreley aufschlagen werden.
Der Titel des Albums „Preaching to the Choir“ hat auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Bedeutungen. Bezogen auf die Band sagt Kalle Wallner: “Es geht um blindes Verständnis. Wenn die richtigen Leute an Bord sind, braucht man keine langen Erklärungen. man drückt einfach die Aufnahmetaste. Und wenn man dann den richtigen Musikern das richtige Song-Material gibt, können sie dieses auf eine höhere Stufe bringen. Keine Notwendigkeit, jemanden zu überzeugen, keine Diskussionen und keine Kompromisse, man macht es einfach.“
Bezogen auf das Songwriting hat „Preaching To The Choir“ einen weiteren Stellenwert: „Viele Bands bleiben in ihrer Komfortzone und geben ihren Fans genau das, was sie erwarten. Der Titel des Albums ist eine Erinnerung daran, meine eigene Entwicklung zu hinterfragen und keine Angst davor zu haben, etwas Neues zu versuchen.“ Das Album verspricht also eher ein „progressives“ Album der persönlichen Art zu sein.
Ob es sich dabei um das knüppelharte „Massive“ oder „Lines in the Sand“ mit dem modernen spacigen Groove im Vers handelt, BLIND EGO ist vielseitig genug, um dorthin zu gehen, wo der Song sie hinführt. Während das Festival-Publikum sich auf „In Exile“ freuen kann, ist die erste Single „Burning Alive“ fast schon ein Pop-Song. BLIND EGO zeigt, was Genres für sie sind: Überflüssig.
Im Vergleich zum Artrock von RPWL ist der Härtegrad bei BLIND EGO Mal wieder deutlich angezogen. Harte Riffs und laute Gitarren beherrschen die Szene – und Scott Balaban überzeugt als stimmgewaltiger Shouter, der viele Hardrock- und AOR-Bands alt aussehen lässt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Fans der Progressive Rocker aus Freising werden sich das Jahr 2019 als musikalische Dauer-Festveranstaltung merken müssen. Während in der letzten Woche noch Keyboarder Yogi Lang mit seinem neuen Solowerk “Out of Here” zu begeistern wusste, legen RPWL nun mit einem Livealbum nach. Dabei ist erst im März die Scheibe “Tales from Outer Space” erschienen, die im Mittelpunkt des Konzertes steht, das während der nachfolgenden Tour aufgezeichnet wurde.
Das zehnte Studioalbum von RPWL, den feinsinnigen Artrockern, die vor Jahrzehnten als Pink Floyd-Coverband begonnen hatten, enterte diverse Charts, es kam in den deutschen Albumcharts auf einen bemerkenswerten 49. Platz und stellte erfolgreich das Thema Science Fiction in den Mittelpunkt von sieben großartigen Songs. Es folgte eine fantastische Tour im April, die von Glasgow über Warschau nach Basel, Frankreich und Deutschland mit vielen vollen und ausverkauften Häusern führte. Doch am wichtigsten für die Band war das enthusiastische Feedback der Fans, die einhellig von der “besten RPWL-Tour ever” sprachen.
So verwundert es nicht, dass bereits das siebte Livealbum der formidablen Band erscheint. Schließlich liegt in der Liveumsetzung atmosphärischer und epischer Songs ihre größte Stärke. Hinzu kommt: Die Liveversionen klingen häufig ganz anders als der Studio-Output. So ist die CD 1 der Doppel-CD zwar komplett mit dem aktuellen Album in voller Länge versehen (ergänzt um den Opener “News from Outer Space”), doch man kann unzählige neue Soli entdecken und den Heidenspaß spüren, den die Band auf der Bühne in Holland hatte – in Zoetermeer, wo die Progmusik fast schon religiös anmutende Erfolge feiert.
CD 2 bietet Klassiker wie “Hole In The Sky”, “Sleep” und das thematisch passende “Unchain The Earth” zum Abschluss. Wer sich davon überzeugen will, warum RPWL mit Recht an der Spitze der deutschen Progszene stehen, kann mit diesem Album einen hervorragenden Anfang machen. Alle anderen haben ohnehin schon alle Releases im Regal und fügen jetzt ein neues Spitzenalbum hinzu. Mir liegt nur das Audio-Livealbum vor, doch es gibt auch einen Mitschnitt auf DVD bzw. Blu-ray mit zwei Bonus-Videos und exklusiven Livebildern.
Progressive Rock ist in Deutschland immer noch eine vernachlässigte Nische. Das war nicht immer so. Schließlich zählt auch der weltweit bekannte Krautrock dazu und die alten Herren von Tangerine Dream, Grobschnitt und Eloy sind heute noch sporadisch aktiv. Doch an jüngeren Bands fallen mir spontan vor allem Sylvan und RPWL ein, die die Krone des deutschen Artrock mit jeder Veröffentlichung wechselseitig vom Norden in den Süden und wieder zurück reichen.
RPWL stammen aus Freising und begannen mit einem Sammelsurium an Pink Floyd-Fragmenten, bevor sie sich eigenen Stücken zuwandten. Diese waren soundgewaltig und melodisch im Stil der großen Vorbilder. Zwischenzeitlich gab es aber auch gewagte Klangexperimente, bevor die Band um Yogi Lang und Kalle Wallner sich mit “Beyond Man And Time” wieder auf alte Tugenden besann. Viele ihrer Alben sind Konzeptalben. Und da liegt eine große Stärke des Quintetts: Man erzählt musikalische Geschichten mit spannendem Inhalt.
Das neue Werk trägt den Titel “Wanted” und die fünf Protagonisten schauen recht bedrohlich vom Cover herab. Der Inhalt der Lyrics ist dann auch sehr komplex: Es wird erzählt von Guiseppe Garibaldi, der sich mit den Tagebüchern des Hippokrates auseinander setzt und dort eine Rezeptur findet, um den Geist des Menschen in eine freie Welt ohne Illusionen zu führen. Quasi das Geschenk der absoluten Freiheit, die auch keine Religion mehr braucht. Man befreit die Menschheit mittels dieses Medikaments und lenkt den Zorn der Weltreligionen auf sich. Ein sehr gewagtes, philosophisches Album also, das sich mit starken Worten gegen die institutionelle Religion richtet.
Solch komplexe Thematik braucht auch komplexe Musik – und dafür stehen RPWL seit Jahrzehnten. “Wanted” liefert feingeistige Songs, große Hymnen, melodische und verspielte Parts. Kein Wunder, dass immer wieder Vergleiche mit Pink Floyd aber auch mit modernen Genre-Vertretern wie Gazpacho heran gezogen werden. Stimmlich ist Yogi Lang eine Wucht. Das Gitarrenspiel von Kalle Wallner muss man einfach floydesk nennen. Und die Keyboard-Arbeit von Markus Jehle liefert viele Nuancen. Da gibt es zu erwartende progressive Kracher wie den Titelsong “The Wanted”, aber auch das sehr wuchtige, sehr bedrohliche “The Attack”. RPWL haben ihre ganzen Kräfte gebündelt und ein beeindruckendes Werk vorgelegt. Vielleicht eines ihrer Bestes. Zumindest wächst es mit jedem Hördurchgang weiter.