K.I.Z waren bis vor kurzem für den normalen Radiohörer unbekannt. Die vier Berliner, die seit Jahren den neuen deutschen Gangster- und Straßen-Rap aufs Korn nehmen, indem sie in ihre Texte noch viel mehr Gewalt, Drogen und Sex packen, haben aber soeben Platz 1 der Album-Charts für sich eingenommen. Würde das noch viel bedeuten, hätten wir jetzt wahrscheinlich wieder eine große Debatte über die Gefährdung der Jugend und den ganzen Kram. Aber Jauch ist im Urlaub und über Politik scheint sich ja eh niemand wirklich unterhalten zu wollen.
Mit den harten Texten von K.I.Z werden die normalen Radiohörer wahrscheinlich auch gar nicht in Kontakt kommen – die neue Single „Hurra, die Welt geht unter“ ist ganz, ganz zahm. Dafür aber richtig gut.
Darin entwerfen K.I.Z ein utopisches Zukunftsbild: „Das große Feuer“ kam, die Gesellschaft ist zusammengebrochen. Alle leben glücklich zusammen, arbeiten ein bisschen, lieben ein bisschen, ziehen gemeinsam Kinder mit einem neuen Gesellschaftsbild auf. Das klingt fast ein wenig zu sehr nach Waldmenschen und Hippies. Henning May, die Stimme von AnnenMayKantereit, die ich niemals genug loben kann, singt dazu den Refrain.
Auf dem neuen Album von K.I.Z, das genauso heißt wie die Single, findet sich der Titel als letztes Stück und macht es so fast zu einem kleinen Konzeptalbum. Sie entwerfen darin auf ihre übliche Art kleine Welten, werfen den Blick auf verschiedene Probleme in unserer Gesellschaft und brechen mit dem Gewohnten.
Gleich im ersten Track „Wir“ z.B. nehmen sie den typischen „Ich bin der Tollste“-HipHop auf und drehen ihn noch ein Stück auf. Ein schöner Text, der das ganze Gehabe karikiert und der Lächerlichkeit Preis gibt.
Danach nehmen sie Track für Track durch Übertreibung und ironische Brechung die Gesellschaft, in der wir leben, auseinander. Am besten funktioniert das bei den kapitalismuskritischen Songs wie in „Boom Boom Boom“ (auch eher zahm, denn auch dieser Track hat ein Video bekommen), „Glücklich und satt“ oder „Geld“, oder wenn sie mit der geläufigen Wahrnehmung spielen wie in „Käfigbett“. Grausamer wird es bei Themen wie Mord, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Nazis, etc. Leider provozieren diese Songs hauptsächlich und gehen nicht in die Tiefe. Da pflügen K.I.Z lieber den gesamten Acker um und hinterlegen das mit tanzbaren Beats und harmlosen Melodien. So sieht es hier aus, lasst uns nicht drüber nachdenken, ab in die „Rudelbumsdisco“.
Das Album ist ehrlicher und erwachsener als seine Vorgänger – das zeigen sie unter anderem mit einem persönlichen Stück wie „Freier Fall“. Provoziert wird auch hier wieder an allen Ecken und Enden, wenn auch diesmal ruhiger.
Als Konzeptalbum möchte ich „Hurra, die Welt geht unter“ dann doch wegen dem letzten Song, der oben erwähnten Single, bezeichnen. All die Augenblicke, die das Album in jedem Song vorher beschreibt, sind darin nun verschwunden. So sieht es jetzt aus. Hurra, die Welt ist untergegangen, mit der ganzen Gewalt, der Angst, dem System und der Grausamkeit. Ein großes Aufatmen zum Ende. Ein Neuanfang.
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