Es war schon wieder soweit: André Rieu und sein Johann-Strauss-Orchester machten Station in der Arena Trier und ich war bereits zum dritten Mal mit dabei. Dem Holländer gelang es mal wieder, unzählige Musikrichtungen, die man im orchestralen Gewand präsentieren kann, in ein festliches Konzertereignis zu integrieren. Walzer und Marsch, Operette und Musical, eine Prise Pop, ein Hauch Schlager – selbst ein weltmusikalischer Part war zu finden.
Das Publikum zeigte sich generationenmäßig gut durchmischt und in gespannter Erwartung. Die Bühne voller Instrumente (ca. 50 Mitwirkende waren im Orchester zu finden, wenn man die Backgroundsänger und Stamm-Solisten mit zählt), im Hintergrund nahm eine LCD-Wand die ganze Breite der Bühne ein und vermittelte je nach Song die entsprechend Stimmung. Von der Decke hingen gar einige stilisierte Kronleuchter, die zumindest einen kleinen Hauch von Ballsaal in der sonst bisweilen etwas kalten Arena vermittelten – ein stilvolles Ambiente.
Wie es für André Rieu und seine Mitstreiter schon Tradition ist, zogen die Protagonisten ihre Instrumente schwingend und winkend mitten durch die Zuschauer zur Bühne. Schon hier wurde geflirtet und gelacht. Alle schienen (den ganzen Abend über) zu Späßen aufgelegt. Entweder saß da eine Riesentruppe guter Schauspieler auf der Bühne oder es macht unbändigen Spaß für André Rieu zu arbeiten. Ich tippe mal auf letzteres, denn der Stargeiger ist einfach ein sympathischer Vogel.
Ständig stand André Rieu im Dialog mit dem Publikum. Er bezeichnete Trier kokett als „Zentrum des Universums“, beschwörte die heilende Wirkung seiner Musik und zeigte sich zu Tränen gerührt. Für die bis auf den letzten Platz gefüllte Arena hatte man opulent aufgefahren: das Orchester in eleganter Kostümierung, ein ewig-lustiger Backgroundchor aus beschwingten Damen und drei platinbehaftete Tenöre, die immer wieder für klangliche Abwechslung sorgten. So gab es schon zu Beginn mit einem Walzer, dem spanischen Song „Granada“ und der Opernarie „Ach ich hab in meinem Herzen“ einen musikalischen Rundumschlag. Das Orchester in bombastischer Spiellaune, die Tenöre mit hymnischer Stimmgewalt.
Weiter ging es mit dem berührenden Poptitel „This Land Is Mine“ („A Land Were Children Can Run Free“), nach welchem die Akteure wohl auch den letzter Zweifler auf ihrer Seite hatten. Danach folgte ein Stilbruch zum unvermeidlichen „Schneewalzer“. Der Schunkelvirus hatte nun auch die meisten Anwesenden erfasst. Neben den Tenören waren drei Sopranistinnen unterschiedlichster Klangfarbe mit dabei. Inklusive dieser weiblichen Unterstützung sang man das volkstümliche „Die kleine Kneipe“, das vom ganzen Rund der Arena lautstark angestimmt wurde, und die Hymne „You’ll Never Walk Alone“. So hatte das Publikum schon in der ersten Hälfte eine Reise durch Jahrzehnte und Jahrhunderte hinter sich.
Nach der Pause gab es Franz Lehars „Gold und Silber“ als prächtig angelegten Walzer. Hier zeigte selbst Rieu einmal Starallüren – und das mit Recht. Anscheinend hat er sich in der Vergangenheit oft geärgert, dass die zu spät aus der Pause zurück kehrenden Besucher das erste Stück der zweiten Hälfte massiv störten. Kurzerhand ließ er also ein Absperrband an den Zugängen befestigen und wies seine Ordner an, die Zuspätkommenden erst beim Applaus in den Innenraum zu lassen. Dem Genuss des großartig dargebotenen Paradestücks „Gold und Silber“ tat das sehr gut.
Danach waren wieder die Solisten dran. „Memory“ aus „Cats“ in einer sehr virtuosen Fassung. Dann erschien ein argentinischer Akkordeonspieler mit einer ruhigen und einer schmissigen Melodie. Schließlich eroberte die dunkelhäutige Sopranistin Kimmy Scota die Herzen der Zuschauer, indem sie zunächst ein afrikanisches Wiegenlied und dann das rhythmisch virtuose „My African Dream“ sang, das Kimmy Nelson Mandela widmete. Die ersten stehenden Ovationen des Abends waren der Dank dafür.
Zum Ende des Hauptteils war Walzerkönig Strauss an der Reihe und André Rieu präsentierte (wie immer) den popkulturellen Klassikhit „An der schönen blauen Donau“ – und ja, es wurde getanzt im Publikum. Für den Maestro ein Höhepunkt jedes Konzertabends. Sehr effektvoll waren danach zu einem Auszug aus „Carmina Burana“ fast alle Protagonisten des Abends auf der Bühne und ließen den Hauptteil zu Ende gehen.
Jetzt sollte man meinen: noch 1-2 Zugaben und alle gehen zufrieden nach Hause. Doch da kennt man den sympathischen Geiger schlecht. Rieu begann ein Spiel mit dem Publikum, schickte es mehrfach wef („ihr seid müde!“), kündigte immer wieder das letzte Stück statt. Doch der Abend wollte kein Ende nehmen. In ausgelassener Stimmung und inmitten hundertfach herab geregneter Luftballons gab es Marschmusik und ein Walzermedley, „Amazing Grace“ und das stampfende „Auf in den Kampf, Torero“, den Klassiker „Teure Heimat“ aus „Nabucco“, ein fröhliches „Eviva Espana“ und den Mitsing-Schlager „Adieu mein kleiner Gardeoffizier“. Das Finale wurde zum großen Fest.
André Rieu hat mich (mal wieder) überzeugt. Er fuhr eine gigantische Show auf, ließ das Publikum für fast drei Stunden alle privaten Sorgen vergessen und brachte ein kleines Stück heile Welt in die Arena Trier. Der Holländer hat in seiner Karriere schon viele schwierige Momente gehabt, stand zeitweise kurz vor dem Ruin – und doch hat er sich wie ein Stehaufmännchen wieder aufgerappelt. Sein Publikum ist ihm treu, Zweifler überzeugt er mit Charme und sympathischem Auftreten. Seine Entertainer-Qualitäten sind unbestritten.
Solche Konzerterlebnisse kann man in vielen Variationen auch zu Hause genießen. Zuletzt erschien beispielsweise die DVD „André Rieu & Friends – Live in Maastricht“ (2.11.2013, Universal Music). Hier gibt es die erwähnte Mischung musikalischer Vielfalt und viele Titel aus dem aktuellen Programm fürs heimische Wohnzimmer. Die Konzerte in Rieus Heimatstadt sind immer ein ganz besonderer Genuss und Fans aus aller Welt reisen an, um dort dabei zu sein. In diesem Fall war gar Jermaine Jackson mit dabei und gab „Smile“ sowie „When The Rain Begins To Fall“ zu Besten. Insgesamt über 150 Minuten Hit an Hit. Die Atmosphäre auf dem Maastricher Marktplatz wurde sehr gut eingefangen. Fans und solchen, die es werden wollen, seien ein Besuch der aktuellen Tour oder zumindest dieser Blick ins aktuelle Repertoire mittels DVD-Player empfohlen.