Das letzte Mal waren Angus & Julia Stone vor knapp drei Jahren zu Gast im Palladium. Damals war die Halle an der Schanzenstraße in Köln-Mülheim restlos ausverkauft und der gleiche Rezensent wie heute schrieb von einer „Entschleunigung am falschen Ort“. Seitdem hat sich einiges verändert und anderes wiederum nicht. Neu ist ihr viertes Album „Snow“, das Mitte September erschien und das wie schon der letzte Longplayer von niemand geringerem als Star-Regler Rick Rubin produziert wurde. Ein Album, das da anknüpft wo der selbstbetitelte Vorgänger aufgehört hat. Musikalisch bietet „Snow“ den bekannten melancholischen Folkpop mit Blueseinschlag, der stimmungstechnisch hervorragend zu dem bunten Herbstlaub auf den Straßen und Plätzen der Stadt passt.
Das Palladium ist auch diesmal gut gefüllt, allerdings gibt es noch Karten an der Abendkasse. Überhaupt ist von den sechs Deutschlandkonzerten des Geschwisterpaares nur das in Berlin ausverkauft. Vielleicht nur eine Randnotiz. Vielleicht aber auch ein Indiz dafür, dass das mit der „Entschleunigung am falschen Ort“ nicht ganz so falsch war. Denn damals wie heute scheint die Musik von Angus & Julia Stone eher in einem kleineren und intimeren Rahmen zu funktionieren als ihn eine Halle von der Größe des Palladiums bieten könnte. Diejenigen die den Weg in den rechtsrheinischen Norden von Köln gefunden haben, machen es sich so gemütlich wie möglich und lauschen erstmal dem Support Sue The Night. Normalerweise ist die holländische Sängerin mit einer sechsköpfigen Band unterwegs (zuletzt auf dem Reeperbahnfestival), in Köln verlässt sie sich ganz auf sich, eine Gitarre und die Begleitung eines jungen Mannes mit Geige. Musikalisch bietet Sue The Night netten Indie-Pop, immer wieder unterbrochen von dem Versuch ihr Instrument richtig zu stimmen. Am Ende ihres halbstündigen Auftritts steht die Botschaft: Was zählt sind Liebe und Freundschaft. Ein Motto, dem sich Angus & Julia Stone uneingeschränkt anschließen können.
Die beiden Australier zeigen sich anpassungsfähig. Im Gegensatz zu ihrem letzten Besuch haben sie visuell mächtig aufgerüstet. Hinter ihnen erhebt sich eine Art überdimensionaler Totempfahl und die Projektionen auf der Leinwand reichen über einen blutroten Mond oder einen Wolf bis hin zu glühender Lava. Nach den ersten beiden Songs „Baudelaire“ und „Make It Out Alive“ ist auf der Bühne schon mehr passiert als während ihres gesamten Sets vor drei Jahren. Die vier Begleitmusiker liefern den handwerklich exzellenten Rahmen dazu und auch der Sound ist absolut perfekt. Emotional lassen Angus & Julia Stone ihre Kölner Fans mit „Heart Beats Slow“, „Bloodhound“, „Big Jet Plane“, „My House Your House“ oder dem Titeltrack des aktuellen Albums (zu dem es Papierschnipsel auf die ersten Reihen schneit) zwischen Ausgelassenheit und Melancholie hin und her pendeln. Neben uns stehen zwei Frauen, die sich währenddessen permanent über ihren ach so anstrengenden Alltag austauschen und ich frage mich nicht zum ersten Mal, warum solche Menschen auf ein Konzert gehen. Um sich mal wieder in Ruhe unterhalten zu können? Geht doch einfach früh schlafen, dann haben wir alle was davon!
Das Mainset hält zwei besondere Momente bereit. Während des selten live gespielten „For You“ vom zweiten Album „Down The Way“ sind sich alle des Augenblicks bewusst und mucksmäuschenstill. Sogar die beiden Plaudertaschen von nebenan unterbrechen dafür kurzzeitig ihr Geschnatter. Vorher sorgt Julia Stone für den ultimativen Gänsehautmoment des Abends, als sie auf Deutsch mit „Durch die schweren Zeiten“ einen Coversong von Udo Lindenberg ankündigt, um ihn dann fast fehlerfrei zu singen. Das Palladium tobt. Im Zugabenteil geht es dann wieder ruhiger zu. Auch der hält mit „Harvest Moon“ von Neil Young noch ein weiteres Cover bereit, bevor der Abend nach fast zwei Stunden mit „Soldier“ ausklingt.
Ohne Zweifel haben sich Angus & Julia Stone weiterentwickelt. Sie haben ihren Stil nicht verändert, aber verfeinert. Vor drei Jahren erschien vor allem Julia noch wie die schüchterne Sonnenblume an der Seite ihres immer etwas bekifft wirkenden Bruders. Inzwischen sind beide erwachsen geworden. Das merkt man ihrer Musik genauso an wie ihrer Bühnenpräsenz. Insofern stimmt dann auch die Behauptung vom Anfang mit der „Entschleunigung“ nicht mehr. Die Kölner haben einen ebenso unterhaltsamen wie tiefenentspannten Abend erlebt. Und deshalb kann man allen Stuttgartern, Wiesbadenern, Berlinern, Münchenern und Hamburgern nur zurufen: Geht hin und genießt es!