Michael Sebastian Kurth – der deutsche Rapper mit Namen CURSE – war immer mal wieder über lange Zeiträume weg vom Fenster. Umso schöner, dass es in diesem Jahr nach sechseinhalb Jahren Funkstille mit „Unzerstörbarer Sommer“ ein neues Album des Künstlers aus Minden (NRW) gab und er zugleich eine Tour ankündigte, die just gestern im Club „Sektor Heimat“ in Saarbrücken startete.
Der Altmeister des deutschsprachigen Rap stand kurz vor halb neun auf der Bühne, als sei er nie weg gewesen. Eine charismatische Erscheinung – und er legte ohne Supportact direkt los, begleitet von DJ GQ. Doch halt. Es sollte kein normales Konzert sein. Der Opener „Rakim“ ist Standortbestimmung und ein wichtiger biografischer Song über die letzten Jahre. Der musste natürlich perfekt sitzen und CURSE brach zunächst mal ab, um das Publikum zu begrüßen und eine Erklärung abzugeben: Erstes Konzert nach langer Zeit. Natürlich läuft noch nicht alles perfekt. Es wird Texthänger geben, richtige Musik, richtiges Licht, richtigen Ton zur falschen Zeit (und umgekehrt). Selbst die Tourhoodies sind fehlerhaft bedruckt. Es würde also ein ganz besonderer Premierenabend sein, für den das Publikum im Saarland vollstes Verständnis hatte. Die Fans im Club „Sektor Heimat“ standen voll hinter dem Rapper. Und bis auf die Tatsache, dass „Rakim“ nochmal neu gestartet wurde, verlief der Rest des Abends absolut souverän.
CURSE ist eine Legende, seit er 2000 sein Album „Feuerwasser“ veröffentlicht hat. In Zeiten von Battles und Aggro hat er von Beginn an sehr reflektierte, emotionale Texte eingebracht und sich diesen Stil bis heute bewahrt. Oldschool, lyrisch stark und in perfektem Flow war er auch an diesem Abend grandios im Auftreten. Mit „Warum nicht“ ging es zurück zu den Wurzeln und auch diesen Text schüttelte er locker aus dem Handgelenk. Danach gab es das nostalgische „1994“ vom aktuellen Album, mit dem CURSE zur Zeitreise aufrief: „Einfach jung, einfach dumm, voller Bullshit. Bevor der ganze Scheiß passiert ist.“ Die Fans konnten seine melancholischen Gedanken sicher nachvollziehen – viele Generationen waren im Club vertreten, manche mit ihren Kindern am Start.
Der Gedankenflow spiegelt sich in erzählfreudigen Songs wie „Snapshots“ wieder, wenn CURSE an emotionale Blitzlichter der Vergangenheit denkt und diese in lyrische Worte fasst. Aber es wurde auch politisch, wie in „Widerstand“, das CURSE vor zwanzig Jahren mit Gentleman rappte und das bis heute hochaktuell ist.
Neue Veröffentlichungen von CURSE sind inzwischen rar geworden. Er hat sich in seinen Schaffenspausen intensiv mit Buddhismus, Meditation und Yoga auseinandergesetzt, eine Ausbildung zum systemischen Coach gemacht. Diese Reflektiertheit ist Teil seiner Texte und Ansagen geworden. In „Überdosis Tee“ nimmt er sich selbst auf die Schippe, denn Kritiker haben gerne mal gelästert, dass der spirituell erleuchtete vermutlich irgendwann daran sterben wird. „Es gibt so viele Arten zu sterben“, erklärt er und erzählt im Song von Attentaten und Krieg in Gaza. Bei allen Grausamkeiten auf der Welt sei die „Überdosis Tee“ doch ein gnadenvoller Tod.
Mit dieser Entspanntheit werden auch seine Ansagen zum Genuss. „Ich rede zu viel“, meint er – und prompt ruft ein Zuschauer: „Das ist Balsam für die Seele“. Solcherlei Liebesbekundungen gibt es häufiger während des Gigs. „Die Stimme“ funktioniert halt nicht nur als Songtitel, sondern auch in ihren sonoren Klangfülle, egal ob gerappt oder gesprochen wird.
Dabei soll man die Kunstfertigkeit, Schnelligkeit und Wortgewandtheit des Rappers nicht unterschätzen. Den Paradetitel „Rap“ liefert CURSE in einer Geschwindigkeit, dass vielen der Mund offen stehen bleibt. Hinzu kommt die Textfülle des Songs, die er fehlerfrei meistert. Keine Spur von Problemen bei der Tourpremiere. Auch den Selbstwert-Song „Bei mir“ meistert er im erzählenden Flow fehlerfrei. Hier können alle die Rückkehr des Meisters mitfeiern, der nach dem etwas älteren Titel „Tatooine“ wieder zurück an die Anfänge geht und zu „Lass uns doch Freunde sein“ eine formidable „Wall of Love“ im Sektor Heimat anleitet.
Als letzten Titel im regulären Set gibt es das aktuelle „Sonne“, für das CURSE den Udo-Jürgens-Titel „Immer wieder geht die Sonne auf“ gesampled hat. Im Zugabenblock dann „Firmament“: „Trotz Selbstzweifeln weiter machen? Mach‘ ich“. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Ja, CURSE hat sich vermutlich oft hinterfragt und neue Wege beschritten. Vielleicht stand auch auf der Kippe, ob er überhaupt zum Rap zurückkehrt. Doch Fans dürfen aufatmen: Der Meister ist wieder da und so gut wie eh und je – vielleicht sogar besser, weil gänzlich unverkrampft. Er rappt zwischen A-cappella und fetten Beats, liefert extrem schnelle Passagen im Wechsel mit emotionalen und melancholischen Lyrics. Ein Abend der ganz besonderen Art!