Endlich wieder Konzerte – das ist der Seufzer, den man auf den verschiedensten Kleinkunst Veranstaltungen hören kann. Wobei im Moment alles irgendwie „Kleinkunst“ ist. Selbst wenn ein renommiertes Ensemble wie das Tingvall Trio in der Illipse Illingen spielt, einer Konzertlocation, die knapp 700 Zuhörer fasst und bei solchen Veranstaltungen klar ausverkauft wäre – hätten wir denn einen „Normalzustand“. Den haben wir aber nicht. Das merkt man schon daran, dass Martin Tingvall & Co. ihre aktuelle Tour hier mit zwei Konzerten hintereinander starten. Zunächst die Premiere um 19 Uhr und dann (wie er selbst sagt) „die nächste Premiere“ um 21 Uhr.
Die geringe Zuschauerzahl schafft zudem intime Clubatmosphäre. Beim Blick in den Konzertsaal war mein erster Gedanke: „Jeder Mensch ist eine Insel“. Die Veranstalter erlaubten es den Zuschauern nämlich nicht, nach Haushaltsgemeinschaften zusammen zu sitzen (was sich doch aufgrund der gemeinsamen Kartenbestellung ganz gut regeln ließe), sondern hatten die Stühle streng im Schachbrettmuster aufgestellt. Jeden für sich mit Abstand nach allen Seiten. Ungewöhnlich, aber dem Musikgenuss nicht abträglich.
Pünktlich um 21 Uhr betraten die drei Protagonisten die weitläufige Bühne und los ging die wundervolle Show mit dem fulminanten „Tokyo Dance“ gefolgt vom Titelstück „Dance“ und dem „Spanish Swing“. Man schien also die CD-Reihenfolge beibehalten zu wollen, was sich im Lauf des Abends teilweise bestätigte – allerdings wurden nicht alle Stücke des Albums gespielt.
“Dance” ist der Titel des neuen Werks und das Trio nahm die Hörer mit auf eine Reise um die Welt, ließ unterschiedlichste Formen des Tanzes als Gefühlsausdruck aufblitzen. So erhielten viele der Kompositionen, trotz aller Wiedererkennbarkeit des typischen Tingvall Trio Sounds, auch überraschend neue Gewänder. Da entdeckte man neben orientalischen und äußerst filigranen Tönen in “Arabic Slow Dance” oder Reggae Rhythmen in “Ya Man” auch lateinamerikanische Sounds wie in “Spanish Swing”.
Die meisten Stücke glänzen vor Spielfreude und man konnte kaum still sitzen, wenn man die mitreißenden Klänge hörte. Ich denke da an das ekstatische Piano in „Pulse“ und die diversen Soli, mit denen Omar Rodriguez Calvo (Kontrabass) und Jürgen Spiegel (Schlagzeug) ihr virtuoses Können zeigten. Martin Tingvall am Flügel ist einfach eine Offenbarung und die Rhythmus-Fraktion tat alles, um ihm den nötigen Raum zu geben.
Es war großartig zu sehen, wie das Trio harmonierte, mit Blicken kommunizierte und musikalisch interagierte. Die Musik, die ich von CD schon kannte, gewann eine enorme Lebendigkeit. Der visuelle Aspekt der schnellen Hände und Finger spielt halt auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Spielfreude nach langer Pause war den Musikern anzusehen und das sprang aufs Publikum über. Nach einer knappen Stunde gab es Standing Ovations und daraus resultierend zwei Zugaben.
Für ein Jazzkonzert solcher Extraklasse nimmt man die Corona-Widrigkeiten doch gerne in Kauf. Der Saal fasst mit der Sonderbestuhlung ca. 190 Plätze. Davon waren viele nicht belegt. Schade. Das Publikum ist träge geworden, man verplant die Wochenenden anders und kauft Karten erst sehr spät („findet ja eh nicht statt“). Wer aber hier zuhause geblieben ist, hat ein berührendes Konzerterlebnis verpasst. Wir brauchen mehr davon!