Am ISS-Dome in Düsseldorf angekommen nehme ich mit meinem Kollegen auf dem Unterrang in Bühnennähe Platz, während die Aufbauarbeiten für Slipknot gerade in vollem Gange sind. Den Support-Act Suicidal Tendcies verpassen wir leider aufgrund der nicht gerade optimalen Anbindung mit den Öffentlichen. Kurz vor Konzertbeginn versuchen wir noch uns aufs laut den Ordnern bereits „hoffnungslos überfüllte“ Parkett zu begeben, leider erfolglos.
Auf der Stage bietet sich der Anblick des bereits von Slipknot bekannten imposanten Bühnenaufbaus: Ein riesiger Drumraiser mit Rampen zum Auf- und Abstieg, damit sich die bewegungsintensive Show der Band voll entfalten kann. Dazu ein riesiger, mittlerweile zum Standardrepertoire zählender LCD-Screen und 2 Percussion-Sets im Frontbereich, die jedem Slipknot-Fan wohl geläufig sein dürften.
Die Show beginnt mit dem Opener “XIX“ des aktuellen Albums „.5: The Gray Chapter“, zu dem auch das bizarre Musikvideo des Tracks auf dem Bildschirm zu sehen ist. Der Song wird von Dudelsackmelodien begleitet und bedient eine für die aus Iowa stammende Combo eher ruhigere Gangart. Doch wer Slipknot kennt, weiß, dass hier gleich kein Stein mehr auf dem anderen steht; sobald der letzte Akkord des Intros ausgeklungen ist, verpassen Slipknot mit ihrer Hymne „Disasterpiece“ dem westlichen Kleinbürgertum einen gepflegten Schlag ins Gesicht. Darauf hat das Publikum gewartet, und in den vorderen Reihen fallen Dutzende schwarz gekleidete Gestalten über- und untereinander her.
Wir merken schnell, dass Frontmann Corey Taylor und Co. nichts an Power verloren haben – wenn überhaupt hat ihnen der Tod ihres 2010 verstorbenen Bassisten und Gründungsmitglieds Paul Gray, dem auch das letzte Album gewidmet ist, noch einen zusätzlichen Funken Wut und Verzweiflung verliehen. So singt Taylor im nächsten Song, „Skeptic“: „The world will never see another crazy motherfucker like you // The world will never know another man as amazing as you“. Man muss nicht viel von Slipknot und ihrer Musik verstehen, um einzusehen, dass er es ernst meint.
Es folgen mehrere Tracks des neuen Albums, bei dem sich die Stimmung des Publikums etwas beruhigt, bis es dann mit Klassikern wie „Psychosocial“, „Wait and Bleed“ und „Duality“ wieder etwas mehr abgeht. Das neue Album kommt bei den Fans sichtlich nicht so gut an, was sich auf dem Parkett durch fehlende Moshpits bemerkbar macht. Man hat ein bisschen das Gefühl, als wäre das hier eine Promotour für „The Gray Chapter“, obwohl das Album schon Ende 2014 erschienen ist.
Die Show bekommt trotzdem einen gebührenden Abschluss: Nach den beiden Nu-Metal-Knüppeln „Sic“ und „Left Behind“, bei denen auch die Crowd wieder an Fahrt aufnimmt, schließt Slipknot das Konzert ganz Oldschool mit „Spit It Out“ ab, bei dem Corey Taylor mit der Halle das typische Everybody Get Down – Jump The Fuck Up-Spiel durchzieht.
Nach Konzertende habe ich als langjähriger Fan der Band ein bisschen mit der Enttäuschung zu kämpfen, dass stilprägende Songs wie „The Heretic Anthem“ oder „Three Nil“ nicht gespielt wurden, dafür aber umso mehr Tracks vom aktuellen Album. Insgesamt hat es der Show doch ein bisschen an der rohen Brutalität gefehlt, die ich aus älteren Tagen kenne.
Nichtsdestotrotz ist und bleibt Slipknot ein Act, der schon alleine in puncto Bühnenshow und Präsenz aller 9 Bandmitglieder seinesgleichen sucht – ich würde jederzeit wieder gehen. Allerdings dann lieber vor der Bühne, damit ich mir die volle Dröhnung Masken-Power to the face geben kann.