Am 9. Januar 2025 ist der 75. Geburtstag von Ralph Christian Möbius, besser bekannt als Rio Reiser. Auch fast dreißig Jahre nach Rios Tod gehen seine Texte noch zu Herzen und es wird deutlich, wie zeitlos seine Musik war. Inzwischen ist deutsche Musik erfolgreich wie nie zuvor. Deutsche Songpoeten besetzen die oberen Ränge der Album-Charts und spielen ausverkaufte Tourneen. Das war nicht immer so: 1970 begann Rio Reiser mit seiner Band Ton Steine Scherben mit deutscher Rockmusik und ist damit einer der „Urväter“ der deutschsprachigen Musik – jenseits des Schlagers, wohlgemerkt.
Der Querschnitt an Songtexten, der sich im Heft „Für immer und dich“ wiederfindet, wurde von Reisers Bruder Gert C. Möbius ausgewählt und spiegelt die ganze Bandbreite zwischen politischen, romantischen und philosophischen Texten wieder. Dabei sind die Songs chronologisch angeordnet von dem alles verändernden Klassiker „Mein Name ist Mensch“ (1971) bis hin zu „Himmel und Erde“ (1995). Besonders interessant dürften für Fans aber die 19 unveröffentlichten Texte sein, die sich der Auflistung anschließen.
Highlights sind für mich „Der Traum ist aus“ und „Keine Macht für Niemand“, das wunderschöne Liebeslied „Halt dich an deiner Liebe fest“ gefolgt von „Wenn die Nacht am tiefsten…“ sowie natürlich „Für immer und dich“ und „Junimond“.
Im Anhang finden sich zwei Abhandlungen zu Rio Reisers Songpoesie (von Oliver Kobold) und zu den Songtexten (von Gert C. Möbius). Gert beschreibt ihre Mutter als eifrige Sammlerin der gelben Reclam-Hefte. Sie wäre sicher sehr stolz auf diese Zusammenstellung ihrer Söhne.
Tiefer in die Geschichte von Ton Steine Scherben und Rio Reiser kann man dann mit dem biografischen Band „100 Seiten“ einsteigen. Rio Reiser prägte als Pionier die deutsche Rockmusik, nicht zuletzt etwa mit der legendären Band Ton Steine Scherben. Er gründete eine Landkommune in Nordfriesland und als der Traum von einem alternativen Leben misslang, kam der Erfolg mit der Solo-Karriere als „König von Deutschland“ – zum Missfallen vieler der alten Weggefährten. Dieses Buch zeichnet liebevoll, doch ohne Verklärung den Lebensweg des Ausnahmekünstlers in seinen Höhen und Tiefen nach.
Drei Brüder waren es übrigens, die allesamt ein Künstlerleben führten. Peter als Fernseh- und Bühnenautor, der auch viele Lyrics für Rio schrieb. Gert als Maler und Drehbuchautor. Und schließlich Ralph, der als Rio Reiser Frontmann und Haupttexter einer Kultband werden sollte und nach Ende der Band eine ebenso erfolgreiche Solokarriere startete. Doch wie beschreibt man das Phänomen Rio Reiser? Da ist zunächst die gute Beziehung zu den Eltern, die ihn und sein Talent förderten, wo es nur ging. Da sind die knallharten politischen Ansichten, die die Band zum Aushängeschild der linken Szene machten. Und die vielen Anekdoten – Erinnerungsstücke an einen genialen Menschen, gespickt mit Erzählungen über nicht minder berühmte Zeitgenossen.
Die Autoren Hannes Eyber und Jens Johler machen jedenfalls einen sehr guten Job, diese Geschichte (oft auf Grundlage der Rio-Biografie von Gert) auf 100 Seiten zusammenzufassen, ohne Wesentliches wegzulassen. Zusammen bilden beide Reclam-Hefte, die am gleichen Tag erschienen sind, eine gelungene Annäherung an ein Phänomen, das noch lange nachwirkt.