Petter Carlsen stammt aus dem hohen Norden Norwegens, den Polarkreis im Auge. Er schafft es immer wieder, eine ureigene Mischung aus progressiver Musik und Indie-Pop zu erschaffen, die ohne Grenzen auskommt. Er lässt atmosphärische Vocals mit melancholischen Soundscapes verschmelzen, garniert mit Indiegitarren und Prog-Feeling.
Sein neues Album „The Sum of Every Shade“ ist genau das. Dabei schöpft Carlsen aus seinen Erfahrungen mit vielen Projekten, z.B. seiner Zusammenarbeit mit Daniel Cardoso (Anathema), seiner Epic Rock Band Pil & Bue, seiner eigenen Solokarriere und seinem Indierock Projekt mit Juliet Alapnes. Petters weitreichende Einflüsse zeigen sich auf diesem neuen Album in aller Deutlichkeit und er erweitert sie spielend leicht mit Einflüssen aus Soul und Hardrock.
„I Love The Way You See The World“ lässt das Album mit der melancholischen und feingeistigen Seite des Künstlers starten. Trotzdem gibt es in seinen rhythmischen Finessen eine Dynamik vor, die in „Dogs“ noch ausgebaut wird. Die Vocals klingen in den Tiefen sanft und in den Höhen verzweifelt. Das erzeugt ein Wechselbad der Gefühle.
Die Akustikballade „Strangers“ bietet weniger Dramatik, mehr Virtuosität. Es ist durchaus faszinierend, wie er an die Songs herangeht. Vergleiche mit Steven Wilson sind da nicht von der Hand zu weisen. Auch mystische Tracks wie „Contradictions“ und „Pages“ bleiben songorientiert und werden nie zum Selbstzweck. Dabei sind die Klangexperimente von „Pages“ so typisch im Norden verhaftet, dass man fast schon erwartet, Björk irgendwo im Hintergrund zu hören.
„Giraffes & Elephants“ ist ein kurzer, aber unheimlich schöner Song mit polyphonem Gesang. Das erzeugt Gänsehaut und ich wünsche mir, dass er nicht so schnell endet. Doch die lauten Klänge von „Good News“ lassen mich mit vertrackten Gitarrenriffs schnell aus dem Traum aufwachen. Das ist Artrock vom Feinsten. Danach wird es elektronisch mit „Beneath The Snow“, rockig mit „Funny Old Life“ – und als habe Petter Carlsen damit genug Facetten seiner Kunst gezeigt, liefert er zum Abschluss wieder eine atmosphärische Ballade, die seine Stimme ganz in den Vordergrund stellt und mit zarten Streichern aufwartet.
„The Sum of Every Shade“ ist für Kenner des skandinavischen Progressive Rock im Allgemeinen und des Sängers Petter Carlson im Besonderen keine Überraschung. Er liefert ein weiteres Kunstwerk mit qualitativ hochwertigem Songwriting ab. Wer noch nie von dem Mann aus Alta gehört hat, sollte diese Wissenslücke schleunigst schließen.