Fischer-Z um ihren Frontmann John Watts ist so eine Band, die eigentlich immer da war – aber die nie den Erfolg ernten konnte, den sie verdient hätte. Warum? Weil vielleicht der eine Hit fehlte, der sie in die Charts brachte. Ich habe Fischer-Z auf einigen Open Airs gesehen – mit Bap und Joe Cocker war man auf Tour, Jahre nachdem „Red Skies Over Paradise“ erschienen ist. Und da gab es doch mit „Marliese“ fast eine Radiosingle. Immerhin Platz 37 in den deutschen Charts.
Die Bandmitglieder neben Watts sind ohnehin vernachlässigbar. Zeitweilig war er solo unterwegs, dann gab es neue Musiker für Fischer-Z. 2002 wurde die Band offiziell aufgelöst, seit 2010 ist Watts mit drei um einiges jüngeren Musikern wieder aktiv. Und jetzt also ein Album namens „This Is My Universe“. Kein Wunder, dass ich mit gemischten Gefühlen dran ging und mich dabei ertappte, es mit den 35 Jahre zurück liegenden Glanzzeiten vergleichen zu wollen.
Überraschung! Erstes Plus ist die bis heute extrem prägnante und ausdrucksstarke Stimme von John Watts. Rau und authentisch, sehr stark in den Folk-Anleihen. Vermisst man so etwas in der heutigen Musikwelt? Der Gute ist immerhin 60 Jahre alt – und singt nicht mehr wie ein junger, sondern wie ein alternder Gott. Dazu passt das verlebte Gesicht auf dem Cover und im Booklet.
Alle zehn Songs stammen aus seiner Feder. Gibt es noch New-Wave-Elemente? Kaum. „Just Like Justice“ erinnert nicht nur textlich an New Model Army. Ansonsten aber viel Folkrock, mal gediegen, mal fröhlich – und mit durchgehend intelligenten Lyrics. „Winston“ hat einen spaßigen Text und karikiert damit die Sicht auf die Londoner Krawalle 2011, „Lorelei“ ist äußerst eingängig. „Unshakeable Bluesky“ vereinigt beide Qualitäten. „Martha Thargill“ beleuchtet das individuelle Schicksal während des englischen Bergarbeiterstreiks der 80er Jahre. Und „Tale Of Bales“ ist vom Amoklauf eines US-GIs 2012 in Afghanistan inspiriert. Ganz zum Abschluss gibt es das melancholische „World-Go Round“, das die ganzen seltsamen Geschehnisse unserer Zeit nochmal zusammenfasst.
So könnte das neue Werk ein solides, bodenständiges und kritisches Folkalbum sein, ja – wäre da nicht der Titeltrack, der sich in der Albummitte versteckt. Das ist genau der Song, mit dem ich nun gar nicht gerechnet hätte. Getriebener, intensiver Sprechgesang nach Art von Faithless („Insomnia“). Man erwartet einsetzende Synthesizer-Klänge, die natürlich nicht kommen. Stattdessen brachiale Gitarren, die das Stück auf zeitlose Art nach vorne treiben.
Alles in allem bin ich nach diesem Überraschungsmoment restlos von John Watts alias Fischer-Z in der Gegenwart überzeugt. Der Künstler erfindet sich schon seit Jahren mit immer wieder anderen Projekten neu. Hier aber zeigt er mal wieder seine beste Seite – als glänzender Songwriter und Interpret. John Watts rules.
Einen äußerst spannenden Einblick in die aktuelle Live-Performance seiner Band (Matthew Gest, keyb, Matthew Waer, b, Sinisa „Sin“ Banovic, dr) offeriert die beigefügte Bonus-DVD. Der Ende April letzten Jahres mitgeschnittene Gig im legendären Studio Nord in Bremen enthält neben drei Songs aus dem aktuellen Werk auch einige Klassiker aus der Fischer-Z-Geschichte, etwa „Pretty Paracetamol“ und „The Worker“ vom 1979er-Debüt ‚Word Salad‘, oder auch die beiden Riesen-Hits „Berlin“ und „Marliese“ sowie „Red Skies Over Paradise“ vom gleichnamigen 1981-Album. Interview-Snippets, in denen sich John Watts zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Fischer-Z äußert, ergänzen das DVD-Programm.
2015 erschien das Album in Eigenregie – jetzt wird es mit neuem Label und Vertrieb (SPV) noch einmal veröffentlicht und ist auch überall im Handel erhältlich. Zugreifen lohnt sich!