Der erste Teil des Doppelabums „Mercury“ erschien bereits im vergangenen Jahr und wir haben ihm HIER eine ausführliche Review gewidmet. Damals befanden sich IMAGINE DRAGONS in einem erklärten Selbstfindungsprozess, der durch einen fallenden Protagonisten auf dem Cover symbolisiert wurde. Inzwischen hat man sich wieder gefangen und die selbe Figur steigt wie Phönix aus der Asche in die Höhe.
Das zweite Album der Mercury-Serie, mit der Single „Bones“ an der Spitze, ist wieder produziert von der Musiklegende Rick Rubin – und allein das lässt aufhorchen. „Act 2“ zeichnet eine emotionale, euphorische und groovende Reise, in der Sänger Dan Reynolds mit sagenhaften 17 neuen Songs das Menschsein besingt und absolut kein Blatt vor den Mund nimmt.
“BONES ist eine Reflektion meiner konstanten Besessenheit mit der Endlichkeit und der Zerbrechlichkeit des Lebens. Ich bin immer auf der Suche nach Beweisen, die mich davon überzeugen, dass da noch etwas mehr ist – dass das Leben in gewissem Sinne wirklich unendlich ist. Da ich das aber noch nicht gefunden habe, versuche ich zumindest in Form eines Songs, davon zu träumen, wie es wäre, den Tod zu besiegen“, sagt der Sänger.
Vielleicht war es ein Fehler, den Kracher „Bones“ gleich an den Anfang zu setzen. Aber was soll’s. Die Dragons lassen auch im Anschluss nicht wirklich nach. Allein „Sharks“ ist ein ebenso mitreißender Song, auch wenn er rhythmisch in eine ganz andere Richtung geht. Klar ist einiges belanglos, wenn man 17 Tracks durchhört, doch für das eintönige „I Don’t Like Myself“ entschädigt umgehen die mitreißende Energie von „Blur“. Und auch die Hip-Hop-Einlagen in „Higher Ground“ überzeugen auf Anhieb im Wechsel mit dem aufrüttelnden Refrain.
Natürlich gibt es auch melancholische Herzschmerz-Songs. „Crushed“ fällt in diese Kategorie und wird mit weinerlich hoher Stimme sehr emotional interpretiert. Auch „I Wish“ und „They Don’t Know You Like I Do“ hauen in diese Kerbe. Manches wird fast schon zuviel, aber „Waves“ mit seiner akustischen Gitarre und den chorischen Passagen zeigt, dass Dan es drauf hat, auch aus sich raus zu gehen.
Wenn es darauf ankommt, eingängige Songs für ein Massenpublikum zu produzieren, sind Imagine Dragons stets ganz vorn dabei. „Mercury“ enthält jetzt ganze 31 Titel und diese könnte man zum größten Teil komplett ins Radio packen. Das mag manchen Fans der ersten Tage zu seicht sein, doch die hintergründigen Texte reichen weit über Mainstream-Massenware hinaus.
Man muss die beide Acts des Doppelalbums auf jeden Fall als Einheit betrachten. „Mercury“ ist ein Gesamtkunstwerk, getrieben von der Leidenschaft, in der Reynolds seine psychischen Probleme und die inneren Kämpfe musikalisch ausdrücken will. Das titelgebende Quecksilber steht für das ewige Auf und Ab – und wir gönnen es der Band, dass es im Jahr 2022 definitiv wieder nach oben geht!