Am letzten Wochenende konnte Johannes Oerding ein umjubeltes Heimspiel in der Hamburger Barclaycard Arena feiern. Und zeitgleich erschien sein aktuelles Livealbum „Kreise live“ mit der NDR Radiophilharmonie. Es läuft für den Wahl-Hamburger, der ursprünglich aus Münster stammt. Fünf starke Studioalben bisher – drei davon auf vorderen Chartplätzen. 2015 konnte ich ihn bei „Night of the Proms“ in der Frankfurter Festhalle erleben und es war beeindruckend, welche Energie er in seinen Auftritte legte und wie er sich den Singer/Songwriter-Charme auch mit großem Orchester bewahrte.
„Kreise live“ beweist, dass er dies immer noch kann und dass die symphonischen Elemente gut zu seiner Musik passen. Es waren besondere Momente, als er am 28. und 29. September 2017 im Großen Sendesaal des NDR Landesfunkhauses in Hannover mit seiner Band und der NDR Radiophilharmonie unter der Leitung des renommierten baskischen Dirigenten Enrique Ugarte die Songs seines Albums „Kreise“ live auf die Bühne brachte. Eigens vom Düsseldorfer Crossover-Star Miki Kekenji und Enrique Ugarte für das 86-köpfige Orchester arrangiert und live im NDR ausgestrahlt, erschienen die Hits des seit 23 Wochen in den Charts stehenden Albums in völlig neuem, hochemotionalen Licht.
Zehn der 14 Albumtitel werden vorgetragen. Man spürt, wie überzeugt Johannes von seinem aktuellen Werk ist. Und selbstbewusst fängt er mit dem bekanntesten Titel „Kreise“ an, der offenbart, wie die Songs in orchestraler Begleitung wirken. Wunderschön sind die Arrangements – mal mit einer Prise Bombast, im Gesamten aber sehr dezent. Der Sänger steht im Mittelpunkt und das will ihm auch keiner wegnehmen.
Das Publikum ist ganz auf seiner Seite, wie man beim spontanen Chor „So schön“ merken kann. Viel Melancholie liegt in seinen Titeln und es ist berührend, wie innig er von Hamburg singt – „Leuchtschrift (Grosse Freiheit)“. Seine Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert, klingt entspannt und einfühlsam. Manchmal bin ich überrascht, wie jugendlich Johannes sich mit Mitte dreißig noch anhört – oder wie er die hohen Tenorklänge beherrscht. Das Erzählen von Geschichten ist seine große Stärke. Sehr emotional in „Unser Himmel ist derselbe“, aber auch mal gesellschaftskritisch, wenn in „Love Me Tinder“ zwei Menschen letztlich nicht über eine Smartphone-App zusammen finden, sondern weil sie sich in ihrer Enttäuschung auf der Straße begegnen und spüren, dass diese Begegnung nachhaltig ist.
„Wenn du lebst“, „Alles brennt“, „Heimat“, „Engel“ und „Für immer ab jetzt“ sind die älteren Titel, die Johannes Oerding für die Tracklist ausgewählt hat. Und diese passen sich hier sehr stimmig ein. Die Spielfreude ist Oerdings größte Stärke. Und die überaus sympathische Nähe zum Publikum. Es war ein kluger Schachzug, die Philharmonie hier mit ins Boot zu nehmen und die musikalische Größe der Songs aufzuzeigen. Jetzt hat er endgültig den Sprung nach ganz oben geschafft – davon bin ich überzeugt.