Kalle Wallner, geboren 1972 in Freising, ist den meisten Liebhabern des gepflegten Progressive Rock vor allem als Gitarrist der legendären Band RPWL bekannt, die ursprünglich als Pink Floyd Coverprojekt startete, aber schnell einen eigenständigen Sound entwickelte. An deren Entfaltung zur formidablen Artrock-Band ist Karlheinz Wallner nicht ganz unschuldig. Das bewies er daneben über Jahre mit dem Soloprojekt Blind Ego und beweist es ganz aktuell mit dem unter eigenem Namen erscheinenden „Voices“.
Trotz des Albumtitels gibt es nur auf „Three“ und „Six“ vokalen Gesang. Darüber hinaus ist es vor allem ein Gitarrenalbum, bei dem ihn Yogi Lang an den Keys und Marco Minnemann an den Drums unterstützen. Die Tracks sind ganz minimalistisch durchnummeriert. Der Opener „One“ startet mit einem sphärischen Intro, bevor die Gitarren zu sprechen beginnen. Aus diesem Dialog entwickelt sich ein spannender instrumentaler Track.
Auch wenn die Songs für sich stehen, gibt es einen roten Faden durch das Album, wiederkehrende Motive und Melodiefolgen, die es zur musikalischen Einheit werden lassen. Auf „Three“ sorgt Arno Menses von Subsignal für ein vokales Highlight. Der Rocktrack kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. „Four“ wird mit Synthie-Klängen verfeinert und „Five“ klingt in vielen Passagen absolut hymnisch.
Spannend finde ich die Vocals der Sängerin Tanyc auf „Six“, Der Neuneinhalbminüter wechselt zwischen Gitarrenballade und Riffgewitter, während Carmen Tannich-Wallner (so heißt die Österreicherin mit bürgerlichem Namen) ihre Stimme zum Instrument werden lässt und dem starken Albumtitel eine entgegengesetzte Bedeutung gibt.
Auch der letze Titel ist ein Longtrack, diesmal über elf Minuten lang und voller elegischer Soli, bei denen Kalle Wallner zum Abschluss nochmal seine ganze Virtuosität raushaut.
Das Album illustriert den Jetzt-Zustand eines Musikers, der sich die luxuriöse Position erarbeiten konnte, kompromisslos sein zu dürfen. Vielleicht sogar zu müssen. Sieht man sich die rund 26 Jahre seiner Diskographie an, war er das eigentlich schon immer – und es sieht nicht so aus, als würde sich das jemals ändern. Und das finden sehr viele Musikhörer gut so. Mindestens genau so gut wie die Kopfhörer sein sollten, auf denen man es anhört.