Es war eine Sensation, als Kate Bush im Jahr 2014 verkündete, 15 Liveshows in London spielen zu wollen. Immerhin waren es ihre ersten Liveauftritte nach 35 Jahren Bühnenabstinenz. Diese lange Zeit hatte die Person der Sängerin fast zum Mythos werden lassen. Als Songwriterin war sie immer wieder präsent, doch sie stand kaum in der Öffentlichkeit und zog ihr Privatleben, ihre Familie, dem Medienrummel vor.
Die Konzerte im Hammersmith Apollo waren innerhalb von Minuten ausverkauft. Die Konzertreihe wurde dann auf 22 Shows ausgedehnt – und noch immer war es ein besonderes Privileg, dem Spektakel beiwohnen zu dürfen. Es waren keine normalen Popkonzerte, sondern eine Mischung aus Multimedia-Show, Bühnenspiel mit Tänzern und Puppen, Schattenspiele, 3D-Animationen sowie Maskierungen. „Before The Dawn“, so wurde die Reihe genannt, war also in vielen Momenten mehr Theater als Musikperformance. Sogar ein Illusionist war mit dabei. Damit schloss Kate Bush an ihre „Tour Of Life“ 1979 an, als es ebenfalls Tanz, Zauberei und Lesungen auf der Bühne gab.
Nun zeigt sich im CD-Release, dass es schwierig ist, eine solche Bühnendarbietung in ein Audio-Erlebnis umzuwandeln. Die drei CDs enthalten wundervolle Musik, doch die Intros und Zwischenpassagen mit Hörspiel-Elementen und undefinierbarer Geräuschkulisse können schon sehr ermüdend sein.
Die Kenntnis der Hintergründe mag hilfreich sein: Das CD-Format gibt das konzeptuelle Herz der Show authentisch wieder, dessen Zentrum von zwei Abschnitten gebildet wird: „The Ninth Wave“ und „A Sky Of Honey“. CD 1 endet mit dem Brückentrack „King Of The Mountains“, der in die Songs der Suite „The Ninth Wave“ (CD 2) überleitet, in welcher die Hauptfigur schiffbrüchig ist, nachdem ihr Schiff, Celtic Deep, gesunken ist. Es schließt sich eine Sequenz von Traum, Illusion und Halluzinationen an, die durch einen Film unterstützt wurde, für den Kate Bush sich für drei Tage in eine salzwassergefüllte Isolationskapsel, auch Floating Tank, mit Körpertemperatur begab. Schließlich, in „Sky Of Honey“, porträtiert Kate Bush eine vogelähnliche Frau im 19. Jahrhundert, die einen Maler bei der Arbeit beobachtet.
Die Highlights der Show in drei Akten sind für mich auf CD 1 das wundervolle „Running Up That Hill“. Kate Bush ist stimmlich hochgradig on top und man bemerkt keine Alterserscheinungen. Die 42minütige Suite „The Ninth Wave” vom Album „Hounds Of Love” ist dann das erwartete Gesamtkunstwerk auf CD 2. Und CD 3 wartet mit den wundervollen „Aerial“-Stücken sowie einem fulminanten und orchestral untermalten „Cloudbusting“ zum Abschluss auf.
Wenn man sich mit den theatralischen Passagen und den gesprochenen Sequenzen abgefunden hat, ist „Before The Dawn“ ein wundervolles Livealbum, das die Karriere von Kate Bush in angemessener Länge und mit einer fantastischen Songzusammenstellung wiedergibt. Es ist alles andere als ein Best-of-Konzert, sondern vielmehr ein Gesamtkunstwerk in drei Akten. Wenn man dann die begeisterten Zuschauer hört und im Artwork die fantastischen Bilder der Bühne und des visuellen Inhalts sieht, wird der starke Wunsch nach einer DVD-Veröffentlichung geweckt. Hoffen wir also, dass diese noch nachgeliefert wird.