Irgendwie scheint Kid Rock ein wenig aus der Zeit gefallen. Die einen sehen in ihm den Cool Guy aus Michigan, der gerne provoziert und seine Werte auch mal mit der Knarre verteidigt. Für die anderen ist er nie über den Status des durchgeknallten Ex-Ehemanns von Pamela Anderson hinausgekommen. Wahrscheinlich ist er von allem etwas. Was Kid Rock ganz sicher nicht ist: Tiefgründig. Die Welt des 44-Jährigen ist einfach. Es geht um Bier, Frauen und die Treue zur Bibel und dem eigenen Land. Das ist bestenfalls patriotisch, in Wirklichkeit aber wohl eher reaktionär. Darüber täuscht auch die „Hello Kitty“-mäßige Covergestaltung seines neuen Albums „First Kiss“ nicht hinweg.
„First Kiss“ ist der Nachfolger von „Rebel Soul“, das 2012 erschien und zugleich das zehnte Studioalbum von Kid Rock. Diesmal war er sogar sein eigener Produzent, nur an zwei der insgesamt zehn Songs hat Dann Huff (u.a. Faith Hill, Megadeath) als Co-Produzent mitgewirkt. „Es ist eine Fleißarbeit. Das Beste, was ich derzeit abliefern kann. Ich war fokussiert und entschlossen. Und ich habe eine Menge selbst geschrieben“, fasst Kid Rock den Entstehungsprozess des Albums zusammen. Begleitet wird er dabei von der Band Of Heathers aus Austin, Texas. Wer von „First Kiss“ musikalisch nun etwas völlig Neues erwartet, der wird enttäuscht. Hey, zur Erinnerung: Die Welt von Kid Rock ist einfach. Und so knüpft er einfach da an, wo er vor vier Jahren mit „Born Free“ aufgehört hat.
Man kann von Kid Rock ja halten, was man will, aber musikalisch ist der Typ einfach nur lässig. „First Kiss“ bietet groovigen Southern Rock mit Country-Attitüde. Das Songwriting ist ebenso eingängig wie niveauvoll und bei einer Nummer wie „Johnny Cash“ sieht man sich selbst im Chevy über einen sonnenüberfluteten Highway cruisen, der Arm baumelt am heruntergekurbelten Fenster und die Kippe locker im Mundwinkel. Let the good times roll. In seinen Texten schwelgt Kid Rock in melancholischen Jugenderinnerungen („Drinking Beer With Dad“), singt über Whiskey, Spaß und Musik, Rednecks, Hank Williams und den Sohn Gottes („Jesus And Bocephus“), die erste Fahrt mit dem Schulbus, die erste Liebe, das erste Auto. Im Bonus-Track „FOAD“ wirft er dann noch ein paar Mal mit dem F-Wort um sich, damit der „Parental Advisory Explicit Content“-Sticker auf dem Cover auch seine Daseinsberechtigung hat.
Vielleicht ist Kid Rock über die Jahre das kompositorische Feuer etwas verloren gegangen. Vielleicht hat er sich mit dem Image des Mittelschicht-Proleten inzwischen auch zu sehr angefreundet. Dass er mit seinem Kumpel Ted Nugent auf Pumajagd geht, spricht nicht gerade für ihn. Aber der Mann liefert immer noch solide Arbeit ab. Und bei objektiver Betrachtung ist „First Kiss“ zwar keine Offenbarung, aber ein Album, das einfach Spaß macht und gute Laune verbreitet. Die Welt ist doch schon kompliziert genug.
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