In ihrer Heimat Dänemark tritt Tina Dico immer noch unter ihrem echten Namen Tina Dickow auf. Für den Rest der Welt hat sie ihn an internationale Gegebenheiten angepasst. Sie lebt schon länger in Island, genauer gesagt in Reykjavik. „Fastland“, das dänische Wort für Festland, ist bereits ihr elftes Album. Und immer noch ist sie für eine Überraschung gut. Der letzte internationale Erfolg „Whispers“ liegt schon vier Jahre zurück. Dazwischen gab es mit „En håndfuld danske“ zur Auflockerung eine EP mit Titeln in ihrer Muttersprache.
In der Schaffenspause hat Tina versucht, einen neuen Sound für sich zu finden. Es lief nicht in der gewohnten Routine ab, wie sie selbst sagt. „Die Gitarre sprach nicht mehr zu mir. Doch was immer ich versuchte: Jede Idee, die ich entwickelte, schien mir nicht relevant zu sein. Ich schrieb Fragmente von Liedern, die objektiv ganz gut waren. Für mich jedoch hatten sie keine Bedeutung.“ So experimentierte sie weiter und das Ergebnis ist „Fastland“, ein Album, das anders klingt als die Vorgänger, sehr mutig ist – und doch die Eindringlichkeit besitzt, die Tinas Songs nun einmal haben müssen.
Der Songwriter-Folk hat sich in Richtung eines atmosphärischen Pop weiter entwickelt. „Fastland“ ist ihr Kommentar zur modernen Welt, in der die Dinge immer in Bewegung sind. „I used to be fastland / Now I’m a movement“, singt Tina Dico bei „Not Even Close“. „Bewegung ist allgegenwärtig, unsere Leben verflüssigen sich“, erklärt sie diese Zeilen. „Zum Beispiel haben wir heute keine Beziehung mehr zueinander, wir sind diese Beziehungen. Früher habe ich ohne Handy in Dänemark gelebt, tagelang konnte mich niemand erreichen. Heute bin ich immer erreichbar, ich kommuniziere ständig, nehme Beziehungen auf, verwalte sie.“ Nicht, dass das schlimm wäre. Tina Dico ist keine Kulturpessimistin. Zwar hinterfragt sie im modern arrangierten Soulpop-Stück „Fancy“ den Materialismus und Konsumterror des modernen Lebens. „Trotzdem liebe ich dieses chaotische Abenteuer. Ich merke aber auch, dass es mir guttut, in dieser verflüssigten Welt weiter einen Halt zu besitzen. Ein Festland.“
Schade, dass das Album gerade mal 35 Minuten umfasst. Da muss doch in vier Jahren mehr Material entstanden sein. Musikalisch finde ich die Abkehr vom Folkpop schon etwas bedauerlich. Der Flair der früheren Alben geht ein Stück weit verloren. Trotzdem schafft Tina Dico immer noch hervorragende Popsongs. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, das Formatradio in den Blick zu nehmen. Und wenn dessen Hörer dann mit atmosphärischen Songs beglückt werden, hat das ja auch sein Gutes.