Sternklare Nacht – Wundersame Träume
Über Internet und Social Media sind wir heutzutage fast alle vernetzt und haben die Möglichkeit, unsere Leidenschaften und Talente mit der Welt zu teilen. So erreicht auch die südkoreanische Künstlerin Henn Kim mit ihren lyrisch kommentierten Zeichnungen über Instagram und Facebook längst eine große Fangemeinde. Wer mit den digitalen Medien nicht so vertraut, kann Henn Kims Werke auch mit dem Bildband „Starry Night, Blurry Dreams“ kennenlernen. Dieser ist nun erstmals in einer zweisprachigen Ausgabe erschienen, in der die englischen Kommentare von Julia Engelmann ins Deutsche übersetzt wurden.
Der Bildband enthält über 100 Zeichnungen und ist thematisch in drei Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel „Warten auf die Nacht – Waiting for the night“ findet Henn Kim wunderbare Bilder und Worte für Seelenzustände, die den meisten von uns vertraut sein dürften. Gleich auf der ersten Seite liegt eine weibliche Gestalt auf einem Sofa, in dem sie halb versinkt, auf dem Boden daneben der umgekippte Kaffee: „nicht mein tag – bad day“! Viele der Zeichnungen sind ähnlich melancholisch, haben aber auch oft eine optimistische Botschaft oder einen eigenen Humor. Eines meiner Lieblingsbilder zeigt ein Mädchen mit einem Absperrkegel über dem Kopf und ist mit „zurückbleiben! stimmungsbauarbeiten – stay back, mood repairing“ kommentiert. Das könnte als Schild an vielen Teenagerzimmern hängen, manchmal aber durchaus auch an meiner eigenen Schlafzimmertür.
Verschiedene Facetten zwischenmenschlicher Beziehungen werden im zweiten Kapitel „Du und Ich – You and Me“ dargestellt. Das ist oft sehr romantisch wie bei „du bist meine lieblingsfarbe – you are my favorite color“, wo die Geliebte wie eine Farbe aus der Tube auf die Palette fließt. Aber es gibt auch schmerzhafte Aspekte wie der Wunsch „Lass mich nie los – never let me go“, der durch den Tacker über den verbundenen Händen illustriert wird. Das letzte Kapitel „Sonntagsstimmung – Sunday mood“ versammelt dann eher alltägliche Momente, die einen mal zum Nachdenken, mal zum Schmunzeln bringen.
Henn Kims Zeichnungen sind zwar surreal, aber dennoch so klar und eindeutig, dass sich die Botschaft sofort erschließt. Dabei fügen die Kommentare den Bildern nochmal eine eigene Bedeutungsebene hinzu. Julia Engelmann ist es insgesamt gut gelungen, in der Übersetzung die poetische Wirkung beizubehalten. So entfalten die Zeichnungen auch für Leser ihre Wirkung, die kein die kein englisch verstehen. Für alle anderen ist es aber schön, dass die Original-Kommentare ebenfalls enthalten sind. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist die durchgängige Kleinschreibung auch bei den deutschen Kommentaren – ein Stilmittel, dass ich hier nicht unbedingt benutzt hätte. Insgesamt macht es aber einfach Spaß, sich durch „Starry Night, Blurry Dreams – Sternklare Nacht – Wundersame Träume“ durchzublättern. Man entdeckt immer wieder Neues und findet bestimmt jeden Tag auch ein Bild, das zu eigenen Stimmung passt!