Nils Landgren Fotos – St. Maximin in Trier 2014
Nils Landgren Fotos 2014 Trier, St. Maximin
Nils Landgren Fotos 2014 Trier, St. Maximin
Konzerte in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin sind immer etwas ganz Besonderes. Eigentlich wird die ehemalige Klosterkirche inzwischen als Schulgebäude genutzt und fungiert als Turnhalle. Zu ganz besonderen Konzerten lebt aber der festliche Charakter wieder auf und das Ambiente wird für stimmungsvolle Konzerterlebnisse genutzt. Davon habe ich in den letzten Jahren viele erlebt, doch „Christmas With My Friends“ im Jahr 2014 gehört ohne Zweifel zu den ganz bewegenden Highlights.
Nils Landgren ist ein schwedischer Posaunist und Sänger. Der hochsympathische Musiker gehört seit langem an die Spitze des europäischen Jazz. Ob solo, in Zusammenarbeit mit Musikern wie Joe Sample, Ray Parker jr. und Maceo Parker oder mit seiner Funk Unit, als Leiter der NDR Bigband oder des JazzFest Berlin, stets wird der Mann mit der roten Posaune begeistert aufgenommen und im Kreise der Kollegen extrem hoch geschätzt.
2006 rief er die Reihe „Christmas With My Friends“ ins Leben und umgab sich dafür mit schwedischen Musikern und Sängerinnen. Das Ergebnis sind andachtsvolle Konzerte, in denen traditionelle Weihnachtslieder gefühlvoll interpretiert werden. Und wer jetzt bei Jazz an verkopfte Arrangements mit endlos-langweiligen Soli denkt, wird eines besseren belehrt. Landgren und seine Mitstreiter sorgen für beschwingte Momente, unaufgeregte Interpretationen und ein sehr besinnliches Konzerterlebnis. Solistische Darbietungen werden nicht zum Selbstzweck, sondern dienen immer der Sache – dem Song.
Inzwischen gibt es bereits vier CDs zum Weihnachtsmotto. Songs in deutscher, schwedischer und englischer Sprache. 750 Zuschauer folgten in Trier den schönen Interpretationen. Es war das letzte Konzert der Tour, die laut Landgren alle zwei Jahre stattfindet. Instrumentalisten und Sänger taten sich zu immer neuen Konstellationen zusammen, um die bekannten und weniger bekannten Lieder zu Gehör zu bringen. „The First Noel“ erklang dreistimmig mit der berühmten Jazzpianistin Ida Sand an den Tasten. Im Duett mit Jeanette Kühn sang sie „Angel’s Carol“. Die heiligen Klänge füllten die ehemalige Kirche auf wundervolle Weise.
Die Besetzung sah neben Piano und Posaune auch Trompete, Kontrabass, Gitarre und Saxofon vor. Die Schnulze „Last Christmas“ sang Nils Landgren aber nur zur akustischen Gitarre. Und es war fantastisch! Ganz klar, ganz sauber, ohne unnötige Schnörkel. So kann man diesem Titel dann doch eine weihnachtliche Bedeutung abgewinnen. Ebenso „Santa Claus Is Coming To Town“. Schon tausend Mal gehört? Aber noch nie auf diese Weise! Instrumental von Kontrabass und Posaune. Beide Solisten, vor allem Eva Kruse am Bass, verloren sich in einer Hochgeschwindigkeits-Performance, die zu Begeisterungsstürmen im Publikum führte.
Landgren machte seine sympathischen Ansagen in deutscher Sprache. Die Lieder wurden oft auf Schwedisch und Englisch gesungen. „What A Wonderful World“, auch wenn das eher nach Sonne als nach Schnee klingt. Trotzdem konnte man die Weihnachtsstimmung aufsaugen und verinnerlichen. Ebenso wie im mir bis dato unbekannten „Who Would Imagine A KIng“. Es gab das uralte deutsche Adventslied „Maria durch ein Dornwald ging“ neben dem von Ida Sand solo vorgetragenen „In The Bleak Midwinter“.
Landgren erzählte viel von der Tour und seinen Freunden. Er erwähnte, dass Eva Kruse als einzige nicht aus Schweden, sondern aus Schleswig-Holstein stammt. Und er äußerte den frommen Wunsch, dass die Ungleichheit auf der Welt aufhört und alle Menschen das Gleiche haben: „Maybe This Christmas“. Auf Schwedisch gab es „Det brinner en stjärna“ und „O helga natt“, aber auch Klassiker wie „O du fröhliche“ und „Stille Nacht, heilige Nacht“, die in mehreren Sprachen dargeboten wurden. Zu letzterem entstand in St. Maximin ein beeindruckender Zuschauerchor.
Die Menschen in Trier waren sichtbar gefangen von der Größe und Wärme des Konzerts. Ich muss auch selbst sagen, dass ich noch kein solch bewegendes Weihnachtskonzert miterleben durfte. Ganze 100 Minuten ohne Pause hielt das Ensemble die Zuschauer in seinem Bann. Und so toll die besagten CDs auch klingen – es geht nichts über das Liveerlebnis. Landgren beendete das Konzert mit dem Lennon-Titel „Imagine“ und dem Versprechen, in zwei Jahren wieder in Trier zu sein. Tosender Applaus und Standing Ovations bescheinigten das Einverständnis des Publikums. So darf jedes Weihnachtsfest seine letzte Runde einläuten.
2014 wird ein gutes Jahr für Freunde von Liedermacher-Kunst in Trier. Konstantin Wecker und Hannes Wader waren schon im Theater Trier zu Gast und machten mir dort viel Freude. Reinhard Mey wird Ende Oktober die Arena Trier beglücken und Klaus Hoffmann fand sich vergangenen Sonntag nach krankheitsbedingter Absage im März endlich in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin ein. Die ganz großen deutschen Liedermacher allesamt innerhalb eines Jahres in der ältesten Stadt Deutschlands. Da muss man doch dabei sein!
Klaus Hoffmann brachte in das stilvolle Ambiente nur sich selbst, seine Gitarre und einen Flügel mit. Der wurde gespielt von Nikolai Orloff, einem jungen Mann, der sich das Repertoire schnell erarbeiten musste, da Stammpianist Hawo Bleich krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte. Der Russe machte seine Sache sehr gut und überzeugte mit grandiosem Spiel auf den Tasten.
Doch natürlich stand der charmante Klaus Hoffmann ganz im Mittelpunkt. Seit Jahrzehnten irgendwie auf dem schmalen Grat zwischen Geheimtipp und Star. Die Alben nie so ganz weit vorn in den Charts, aber immer im Auge der Medien. Schließlich sieht er mit 62 noch gut aus (die Damenwelt liegt ihm zu Füßen) und hat immer noch das schauspielerische Talent, das wir seit „Die neuen Leiden des jungen W.“ von ihm kennen.
Auch in Trier präsentierte Hoffmann sich als Erzähler spannender Geschichten und die berüchtigte Berliner Schnauze kam immer wieder durch. Mit Wortwitz und sympathischen Einwürfen unterhielt er sein Publikum. Schon zum Start machte er sich über das weitläufige Areal der ehemaligen Kirche lustig und wollte gleich einen „Brief an die letzte Reihe“ losschicken. Auch improvisierte er im Text des ersten Songs und ließ ein „Verzeih – ich war krank“ mit einfließen, was erstes Gelächter auslöste.
Klaus Hoffmann war sehr wortgewandt, er lud aber auch zum Nachdenken ein. „Ich trage meine Geschichten mit mir rum“, sagte er. Die Stadt Berlin war thematisch oft im Mittelpunkt und die Lieder kamen meist chansonartig beim Publikum an, manchmal aber auch mit einer gehörigen Portion Swing. Schon früh machte er einen Ausflug zwischen die Zuschauer und ließ einen Kalauer Richtung „Wetten, dass…?“ los: Einer geht, kehrt nie mehr wieder. Es wurde gefeiert und gelacht, der ganze Saal sang „Wer soll das bezahlen?“ Richtung Limburg und Hoffmann tänzelte vergnügt über die Bühne.
Doch seine Stücke sind nicht nur witzig. Gerade die bewegenden Momente nahmen die Zuhörer ganz gefangen. Wenn er „Als wenn es gar nichts wär“ für den verstorbenen Vater anstimmte und seine große Liebe zum Ausdruck brachte. Wenn er „Ick hab Berlin in meim Herz“ verkündete oder seinen Klassiker „Jedes Kind braucht einen Engel“ sang, der vielen Tränen in die Augen trieb.
Er sang Lieder von Jacques Brel und im nächsten Moment eine Ode an den Lieblingskater Ferdinand. Ließ das Publikum pantomimisch einen Liedtext darstellen und freute sich über die Standing Ovations zum Konzertende. Zum Schluss war alles auf den Beinen und die treuesten Anhänger hatten sich vor der Bühne versammelt. Es gab Zugabe um Zugabe, doch um Viertel vor 11 war dann doch Schluss. Klaus Hoffmann hat sich sehr jugendlich gezeigt und machte Lust auf mehr. Ich habe ihn zum ersten Mal live gesehen, hoffe aber, dass es nicht zum letzten Mal war.
Um Herman van Veen zu beschreiben, muss man weit ausholen. Er ist Holländer, 68 Jahre alt, geboren in Utrecht. Er ist Liedermacher, Komponist, Sänger, Violinist, Pianist, Texter, Schriftsteller, Clown. Werde ich nach einem bekannten Lied des Künstlers gefragt, fällt mir als erstes natürlich seine Zeichentrick-Schöpfung Alfred Jodocus Kwak ein – und damit der gute Laune verbreitende Song „Warum bin ich so fröhlich“. Geschrieben hat diesen der Pianist Erik van der Wurff. Beide zusammen feiern, wie Herman van Veen erzählt, gerade gemeinsam ihr 50jähriges Bühnenjubiläum. „Damals habe ich an der Universität eine junge hübsche Pianistin gesucht – und Erik hat sich gemeldet.“ Fünfzig gemeinsame Jahre auf der Bühne. Unzählige Songs und Alben. Doch ein wirklicher Chartbreaker war nicht dabei. Darum fällt es auch so schwer, seine Kunst zu erklären.
In Trier war er mit seinem Programm „Bevor ich es vergesse“. Ein sehr passender Titel, denn man hatte das Gefühl, van Veen gibt uns einen Rundumschlag durch sein Leben, erzählt von Begebenheiten und Beziehungen, so als wolle er noch einiges los werden, bevor es ihm nicht mehr einfällt. Dafür war die ehemalige Reichsabteikirche St. Maximin ein schöner Schauplatz. Eine großartige Band nahm dort gemeinsam mit dem Meister Platz: Erik van der Wurff am Piano, von den Zuschauern bei jeder Vorstellrunde begeistert gefeiert, Jannemien Cnossen an der Violine und zudem mit einer fantastischen Jazz-Stimme, Willem Wits an diversen Percussion-Instrumenten und Dave Wismeijer am Bass. Hinzu gesellte sich Edith Leerkes, eine niederländische Gitarristin und Sängerin, die selbst schon auf eine beachtliche Anzahl an Veröffentlichungen zurück blicken kann.
Van Veens Lieder erzählten von Dingen, bei denen jeder mitreden kann. Das machte sie so greifbar für die Zuschauer. Er sang von glücklichen und gescheiterten Beziehungen, von Kindern und Enkelkindern, vom Sterben seiner geliebten Frau. Hier kam der Clown durch, der ein trauriger Clown ist, aber die Menschen zum Lachen bringt. So erzählte er vom Tod und man spürte, wie es ruhig wurde im Saal und auch unbequem. Zu den sentimentalen Gedanken gesellten sich aber schöne Erinnerungen und ein Witz. Plötzlich verwandelte sich das Trauern in ein herzhaftes Lachen – so wurden die Zuschauer mitgenommen auf eine emotionale Reise.
Van Veen und seine Mitstreiter ließen uns kaum durchatmen. Es gab zwar viele stille, leise, ruhige Momente mit Schlafliedern, Nachdenklichkeiten, philosophischen Ideen zum Grübeln. Dann aber plötzlich wieder ein schnelles Stück, van Veen sprang über die Bühne, tanzte , schrie. Ein wundervoller Entertainer und zugleich ein wunderbarer Mensch, denn er kann erzählen, so dass man ihn schon ewig zu kennen glaubt. Dann hatte er plötzlich eine imaginäre Panflöte im Mund und fabrizierte ein lustiges Flötensolo. Natürlich spielte er allerlei echte Instrumente wie Gitarre, Piano, Violine und Mundharmonika. Doch auch die übrigen Musiker bekamen viel Raum, konnten sich in Szene setzen. Jannemien sang ein Lied, Edith gleich mehrere.
Das Konzert zog sich fast bis 23 Uhr hin. Zu Beginn schien das Schema noch ziemlich strikt. Nach der Halbzeitpause aber erzählte van Veen von Liedwünschen, die ihn per Mail erreicht haben. Er sang ein Lied von Alfred Jodocus Kwak und spielte weitere Wünsche. Sein Repertoire ist ohnehin unerschöpflich und so wollte dann auch der Zugabenblock kein Ende finden. Das Publikum feierte einen fantastischen Künstler wild applaudierend und stehend. Er kam ein ums andere Mal zurück und präsentierte weitere Songs. Auch ein holländisches Lied, bei dem er zu einem kleinen Sprachkurs ausholte und alle mitsangen. Irgendwann war Schluss und er verabschiedete sich mit den Worten: „Ich will jetzt das tun, was ihr auch tun solltet: ein gutes Glas Wein trinken und ein Brötchen mit Lachs essen.“
Wenn ich jetzt zurück denke, habe ich vor dem Konzert nur eines der Lieder gekannt: den Song „Küsschen“, der von der neuen Frau an Papas Seite handelt, der man plötzlich abends ein Küsschen geben muss. Alles andere war Neuland für mich. Ein Abend voller Poesie, in den man sich fallen lassen konnte. Herman van Veen hat ein Händchen für tief gehende Texte, die in Erinnerung bleiben. Wie der Titelsong seiner aktuellen CD „Für einen Kuss von dir“: „Wenn du keinen See hast, ich mal dir einen. Hast du keinen Himmel, ich glaub dir einen.“ Hier konnte das kirchliche Ambiente seine Wirkung voll entfalten, auch wenn die Räume heutzutage als Schulturnhalle genutzt werden.
Nächster Konzerttermin in der Region: Herman van Veen – „Für einen Kuss von dir“ am 26. Oktober 2013 in der Gebläsehalle Neunkirchen
Freitags war der Auftritt des famosen Projekts „Tubular Bells for two“, am Samstag gab es den nächsten akustischen Leckerbissen in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin in Trier. Diesmal gastierte Tanita Tikaram, weltweit bekannt geworden durch ihr Debütalbum „Ancient Heart“ im Jahr 1988, das vor allem in Europa höchste Chartplatzierungen einfuhr. Jeder, der in dieser Zeit musikalisch sozialisiert wurde, kann wohl die Oboenklänge von „Twist In My Sobriety“ mitsummen.
So hatte sich die ehemalige Kirche, die inzwischen zu einer Turn- und Konzerthalle mutiert ist, bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Publikum war gut durchmischt, bestand aber in der Mehrzahl aus älteren Semestern. Tanita Tikaram ist zwar seit ihrem Erstling immer als Sängerin aktiv geblieben, konnte aber nie an die alten Erfolge anknüpfen. So fragte auch ich mich, ob die Songs überhaupt einen Wiedererkennungswert haben werden – doch da musste ich mir keine Sorgen machen.
Zunächst aber gab es ein Vorprogramm mit der Künstlerin Stephanie Neigel. Die junge Sängerin stammt aus Mannheim und ihr Album „Introducing Stephanie Neigel“ ist gerade ganz frisch erhältlich. Sie kam mit einem Gitarristen (Nils Becker) auf die Bühne und brachte vor allem sich selbst mit – in einer vielfältigen Variante. Eigentlich stammt die Gute nämlich aus der A-cappella-Szene und ist sehr erfolgreich mit der Gruppe Les Brünettes unterwegs. Dabei handelt es sich um ein weibliches Vokalquartett, das ein Programm aus Stücken zwischen Jazz und Soul präsentiert.
In Trier musste Stephanie nun ihre Vokalbegleitung selbst erzeugen und nutze dafür eine Loop Station, auf der sie live ihre eigene Stimme mehrfach aufnahm und eine mehrstimmige Begleitung erzeugte, zu der sie zauberhaft sang. Der Auftritt dauerte nur 30 Minuten, doch es gelang ihr hervorragend, mit Songs wie „I Need Your Loving“ und „Rainbow“ die Zuhörer zu verzaubern. Egal ob mit Loop Station, mit akustischer Gitarrenbegleitung oder allein am Flügel – in dieser Stimme steckt viel Potential.
Tanita Tikaram betrat dann mit größerer Band die Bühne. Als Instrumente waren neben den Gitarren auch Kontrabass, Flügel und Saxofon im Gepäck. Später dann Querflöte und Klarinette. Schon vor dem ersten Ton wurde sie mit riesigem Applaus bedacht. Die Britin, die 1969 in Münster geboren ist, verfügt in Deutschland noch immer über eine große Fanbasis. Als ersten Song gab es „Good Tradition“ vom Debütalbum – und das war auch für mich ein Aha-Erlebnis. Damals besaß ich das Album nur auf Musikkassette, doch ich muss es oft gehört haben, denn der Song ist noch deutlich im Gedächtnis geblieben. Auch „World Outside Your Window“ hat diesen Erinnerungswert. Schließlich gab es aber auch neue Songs wie „Dust On My Shoes“.
Vor allem der der begleitende Kontrabass und ein Multi-Instrumentalist, der wahlweise Saxofon, Klarinette und Querflöte spielte, verliehen den Songs viel Glanz. Und natürlich die charakteristische Stimme von Tanita Tikaram, die vielleicht in der tiefen Tonlage nicht mehr ganz so fest ist, dafür aber sehr ausgereift und wie geschaffen, um die Akustik der ehemaligen Kirche perfekt zu füllen.
Es gab Songs, bei denen sich Tanita selbst am Flügel begleitete („Make The Day“), Töne, die fast schon nach Progressive Rock klangen, wenn die Querflöte einsetzte, und auch eine recht füllige Jazz- und Blues-Mischung, als „He Likes The Sun“ erklang. Die Sängerin hat immer noch eine enorme Ausstrahlung. Ganz stark fand ich „Cathedral Song“ vom Debütalbum. Nur mit Gitarre begleitet passte dieser Song perfekt in das Ambiente und entführte textlich in die Zeit der ersten großen Liebe, wenn das unbekannte Gefühl die beängstigende Größe einer düsteren Kathedrale erreicht. Stark!
Natürlich gab es auch „Twist In My Sobriety“ – noch vor der Zugabe. Ein Zeichen dafür, dass sich Tanita nicht auf die Songs reduzieren lassen will, die ihr als 18jährige einfielen. Schließlich hat sie aktuell mit „Can’t Go Back“ ein hervorragendes Album auf dem Markt. Und wie zum Trotz sang sie gleich dessen Titelsong hinterher. Dieser ist voll süßer Melancholie, welche die Britin mit ihrem tiefen Timbre noch immer perfekt vermittelt. Hörenswert ist das neue Album allemal und eine Empfehlung nicht nur für treue Fans.
Im Zugabenblock gab es zunächst nach 75 Minuten Konzertlänge den Coversong „Love Is In The Air“. In Tanitas Arrangement ganz neu und auf das Klangbild mit Kontrabass zugeschnitten. Ein Klassiker, den sie sich so zu eigen machte. Das Konzert schien zu Ende, doch sie ließ sich nochmal auf die Bühne bitten und sang ganz allein zu eigener Gitarrenbegleitung die Ballade „Little Sister Leaving Town“ vom Album „Sweet Keeper“. Ein berührender Abschluss für ein wundervolles Konzert. Kompliment auch an das Publikum, das nach vielen Songs andächtig auf den letzten Ton lauschte, bevor ein tosender Applaus startete. So soll das sein!
Die beiden Australier Daniel Holdsworth und Aidan Roberts sind zwei hervorragende Musiker. Multi-Instrumentalisten, wie sie sich jeder Künstler in seiner Band wünscht. Sie beherrschen Gitarren, Keyboards, allerlei Schlagwerk – nur an den stimmlichen Fähigkeiten hapert es ein wenig. Dafür hat man ja den Lead-Sänger. Holdsworth hat in diversen Bands gespielt und sich als Komponist einen Namen gemacht, Roberts ist noch nicht so prominent in Erscheinung getreten. Damit wäre alles gesagt, hätten die beiden nicht vor etwas mehr als vier Jahren eine seltsame Idee gehabt: Man müsste das Meisterwerk von Mike Oldfield „Tubular Bells“ als komplexes Werk auf die Bühne bringen. Nicht mit einem Mammut-Orchester, sondern als fein arrangiertes Stück, eingespielt von zwei Personen. Kurz gesagt – sie wollten das Unmögliche möglich machen. Ein Vorhaben, das als Schnapsidee begann und den beiden seither Monat um Monat, Jahr um Jahr ausverkaufte Häuser in aller Welt beschert. Ein Fest für Freunde der progressiven Rockmusik.
In Trier waren die beiden in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin zu Gast. Ein kluger Schachzug der Veranstalter von Popp Concerts. Die Kirche wird übers Jahr vor allem als Turnhalle (!) für die angegliederte Privatschule genutzt, doch zu besonderen Ereignissen wird sie zu einer akustisch hervorragenden Konzerthalle. Der Altarraum ist eine große Bühne, die Säulen lassen sich hervorragend ausleuchten, der Klang im hohen Kirchenraum ist einfach fantastisch. Davon überzeugte sich und die Zuhörer zunächst der Supportact Brett Winterford.
Winterford stammt ebenfalls aus Australien und ist ein Singer / Songwriter alter Schule. Er stellte sich mit seiner Gitarre auf die Bühne und legte munter los. Ein halbstündiger Set aus eigenen Songs von Liebe, Leidenschaft und Vergänglichkeit. Das wurde mit viel Applaus bedacht – vor allem, als er sich entschied, ganz auf Mikrofon und Verstärker zu verzichten und einfach mal ein Lied in die andachtsvoll lauschende Kirche zu schmettern. Ein großer Moment, der ahnen ließ, dass sich hier viele Musikbegeisterte versammelt hatten und bereit waren, sich von dem Geschehen tragen zu lassen.
Nach kurzer Umbaupause enterten die Protagonisten des Abends die Bühne. Und es sollte eine knallharte Performance werden, die den Zuschauern im Anschluss um die Ohren flog. Auch nach 40 Jahren bleibt es das Debütalbum „Tubular Bells“, an dem sich das Werk von Mike Oldfield mit jeder Veröffentlichung messen lassen muss. Seine berühmteste Komposition nahm er als 19jähriger fast im Alleingang auf, spielte verschiedenste Instrumente in mehreren Tonspuren ein und vereinte sie zu einem zweiteiligen Stück, das heute noch Maßstäbe setzt. Wer kennt sie nicht – die Eröffnungspassage, die in „Der Exorzist“ verwendet wurde und seitdem in aller Ohren ist? Für die Frühphase des Progressive Rock war das Album wegweisend und gilt heute noch als sphärisches Referenzwerk.
So ging es ruhig los mit den berühmten Klängen, die als Loop die Basis für den Eröffnungspart bildeten. Auf einer Bühne, die vollgestopft war mit Instrumenten, Mikrofonen, Schaltern, Ständern und einem Wirrwarr an Kabeln, vollführten Holdsworth und Roberts einen unglaublichen Kraftakt akrobatischer Musikalität. Von dem Moment an, an dem das erste Keyboard-Riff des Albums erklang, gab es für die beiden Musiker keine ruhige Sekunde mehr. Barfuß wirbelten sie in einem unglaublichen Tempo und gleichzeitig höchster Präzision zwischen den verschiedenen Instrumenten umher, spielten gern einmal zwei oder sogar drei oder vier gleichzeitig, den nächsten Einsatz dabei immer schon im Nacken sitzend.
Musikalische Perfektion und Kabarett – so lässt sich das Vorgehen beschreiben. Die beiden kommunizierten offen miteinander, gaben sich Einsätze, verdrehten die Augen, wenn mal ein Instrument kurz nachgestimmt werden musste. Es war ein Genuss, Zeuge dieses harmonischen Geschehens zu werden. Der Mix aus Keyboards und harten Gitarrenpassagen, der Part mit der Vorstellung aller Instrumente, die berühmten Röhrenglocken und die musikalischen Themen – all das ist zeitlos und die beiden Künstler übertrugen den Klassiker perfekt in die Gegenwart. Unglaublich, welche Instrumente sie beherrschen mussten: akustische und elektrische Gitarren, Keyboard, Flöte, Glockenspiel, Klavier, Mandoline, Perkussion, natürlich die berühmten „Tubular Bells“ als dominierendes Klangelement, dass trotzdem recht spärlich eingesetzt wird. Auch durch die chorischen Passagen schlug man sich wacker, wenn auch die vokalen Fähigkeiten grenzwertig waren. Egal, die Zuhörer genossen jede Sekunde der Performance.
Zwischendurch gab es eine Pause – „zum Umdrehen der LP“, in Wirklichkeit aber zum Luftholen, denn man sah den beiden die körperliche Anstrengung an, die ein solcher Ritt durch die Musikgeschichte erfordert. „Tubular Bells For Two“ ist eine Mischung aus grandiosem Konzert und unterhaltsamer Show, aus musikalischer Virtuosität und körperlicher Höchstleistung, aus tiefstem Respekt und spitzbübischer Anarchie. Und egal, ob man das Album bereits zu seinen All-Time-Favorites zählt oder gar nicht kennt: Es ist auf jeden Fall ein spannendes, packendes Erlebnis, das man gesehen haben muss.
In Trier gab es nach den letzten Klängen erlösenden Applaus. Mission erfüllt. Als Zugabe spielten die beiden Australier kein weiteres Stück, sondern das Ende von „Tubullar Bells, Part I“, diesmal aber ohne die Ansage der Instrumente. Die ehemalige Kirche St. Maximin ist als Location absolut empfehlenswert und man kann sich nur weitere akustische Highlights dort wünschen.