Mit Fortsetzungen ist das ja so eine Sache. In vielen Fällen geht der erneute Aufguss leider in die Hose. Nur selten wird das Original vom Nachfolger übertroffen. Als 2014 „Unplugged“ von Wirtz erschien, war das Album für mich eine Art Offenbarung. Das lag zum einen an meiner damaligen persönlichen Situation, für die der 44-jährige Frankfurter quasi den Soundtrack lieferte. Zum zweiten lag es natürlich auch daran, dass der Vollgasrocker vierzehn seiner Songs bis auf die Knochen reduzierte und in ein ungewohnt filigranes Gewand kleidete, das so zart und zerbrechlich war, dass es fast wehtat. Textlich bewies er dabei immer eine klare Kante und nahm als einer der Wenigen im deutschsprachigen Musikzirkus kein Blatt vor den Mund. Seitdem hat Wirtz mit „Auf die Plätze, fertig, los“ von 2015 und „Die fünfte Dimension“ von 2017 zwei weitere Studioalben veröffentlicht, auf denen er sich seiner sprachlichen Wucht leider weitestgehend selbst beraubte und mehr in Richtung Radioquote schielte. So ging ich dann auch eher skeptisch an „Unplugged II“ heran, sollte das Album doch ausschließlich aus akustischen Versionen ausgewählter Songs dieser beiden letzten Alben bestehen.
Das stimmt dann doch nicht so ganz, denn mit „11 Zeugen“ hat es immerhin der Song ans Ende von „Unplugged II“ geschafft, mit dem 2008 alles begann. Auch die übrigen zwölf Stücke gehen im Vergleich zu ihren Originalen bis auf eine Ausnahme als Gewinner aus ihren Neuarrangements hervor. Trotzdem bin ich nach einigen Hördurchgängen immer noch der Meinung, dass ein Querschnitt durch alle bisherigen fünf Studioalben besser gewesen wäre, aber das kann Wirtz ja dann ab März auf der schon größtenteils ausverkauften Unplugged-Tour nachholen, auf die man sich nach den einzigartigen Konzerterlebnissen vor sechs Jahren zu Recht freuen darf.
Bis dahin lässt sich „Unplugged II“ am besten bei einem gepflegten Glas Wein und unter einer kuscheligen Decke alleine oder in trauter Zweisamkeit auf dem heimischen Sofa genießen. Fast eine Stunde lang entführt uns Wirtz aus dem Alltag in die Welt großer Gefühle. Dabei ist das trotz des Einsatzes von Geige, Cello oder Piano teilweise schon fast wieder „plugged“, wie beim Opener „Auf die Plätze, fertig, los“, bei „Die fünfte Dimension“ oder – abgesehen vom grossartigen Intro – „Moment für die Ewigkeit“. Im Gegensatz dazu erreichen viele Stücke eine emotionale Tiefe, die man ihnen kaum zugetraut hätte. Die teils voluminösen Streicher und der unverkennbare Gesang von Wirtz verleihen ihnen eine fragile Schönheit, die so intensiv ist, dass die Songs noch tagelang im Ohr bleiben. Das gilt für „Regentropfen“ ebenso wie für „Sehnsucht“ oder die bereits in ihren ursprünglichen Versionen wunderbaren „Das verheißene Glück“ und „Mantra“. Lediglich „Entdeckung der Langsamkeit“ fällt im Vergleich dazu etwas ab. Abgerundet wird das Ganze von einem geschmackvollen Artwork und einem nett gestalteten Booklet. In Zeiten der digitalen Musikverwertung keine Selbstverständlichkeit.
Man merkt „Unplugged II“ bei jedem Ton an wieviel Herzblut Wirtz erneut in das Projekt gesteckt hat. Es ist beileibe kein lauwarmer Aufguss der Ursprungsidee und geht – um den Bogen zum Anfang dieser Rezension zu schlagen – alles andere als in die Hose. Das Album macht mächtig Lust darauf es live zu erleben und dabei auf die alten Bekannten vom ersten „Unplugged“ zu treffen, vielleicht sogar ergänzt durch einige Überraschungsgäste aus der Zeit vor 2014. „Alles was ich bisher gemacht habe hat noch nie so gut geklungen“, hat Wirtz damals im Interview mit uns gesagt. Das trifft auch diesmal zu. Und auf dem nächsten Album darf dann gerne wieder gerockt werden.
Es war – zumindest kinomäßig – der letzte Aufreger des vergangenen Jahres: Das Musical CATS als Realverfilmung. Die Kritiken waren durchwachsen. Ich habe mir noch kein eigenes Urteil gebildet. Was mich abschreckt? Die Figuren der Katzen, wie man sie im Trailer gesehen hat. Das wirkt doch alles ziemlich steril mit den Gesichtern und eng anliegenden Kostümen. Vielleicht hätte man besser daran getan, die Schauspieler in einfache Fellkostüme zu stecken, wie es auch bei den bekannten Theaterproduktionen üblich ist.
Das Staraufgebot ist jedenfalls großartig: Taylor Swift, Jennifer Hudson, Ian McKellen, Judi Dench und Jason Derulo, um nur einige zu nennen. Und in dieser Review geht es ja nicht um den Film, sondern um den Soundtrack. 16 Songs wurden hier zusammengestellt und man hört die englischsprachigen Filmaufnahmen.
Das Orchester klingt hervorragend und auch die Gesangsstimmen sind gut gewählt. Die bekannten Stücke verlieren nichts an Schlagkraft und Emotionen: Nach der Ouvertüre und dem Ensemblestück „Jellicle Songs For Jellicle Cats“ liefert Jason Derulo mit seiner umtriebigen Version von „The Rum Tum Tugger“ das erste Highlight ab. Auch Laurie Davidsons „Mr. Mistoffelees“ klingt großartig. Den berühmtesten Song „Memory“ darf Jennifer Hudson performen und sie tut das ganz hervorragend.
Ein besonderes Stück ist „Beautiful Ghosts“, das Taylor Swift gemeinsam mit Andrew Lloyd Webber speziell für den Film geschrieben hat. Dort wird es von Francesca Hayward gesungen, doch speziell für den Soundtrack gibt es eine weitere Version, eingesungen von Taylor Swift. Während Francesca musicalmäßig getragen singt, macht Taylor das Stück zum romantischen Pop-Lovesong. Beides hat seine Berechtigung.
Auch wer den Film nicht gesehen hat (oder sich wie ich davor scheut) wird an dem Soundtrack seine Freude haben. Die fast 40 Jahre alte Musik ist immer noch zeitlos schön und die musikalische Umsetzung hier sehr gelungen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Als erster Release des Jahres 2020 erreichte mich ein spannendes Werk der holländischen Prog-Metaller The Flea-Pit. Die Band besteht aus nur zwei Musikern: dem Schlagzeuger und Keyboarder Wily van Haren sowie Harald te Grotenhuis an Gitarre, Bass, Banjo, Keyboards und Vocals. Was die beiden da zusammengestellt haben, ist sowohl musikalisch als auch konzeptionell eine Wucht.
Wily selbst hat die Geschichte von Doug Jaranski in einen Comic gepackt. Es geht um einen gequälten Dichter, der von Alkohol und zwielichtigen Frauen umgeben ist. Sein Leben spielt sich größtenteils in einer Bar ab, die Flohgrube („Flea-Pit“) genannt wird. Neben dem Barmann Pete beherbergt die Flohgrube eine seltsame Ansammlung von Menschen und Kreaturen, die in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten. Während sich die Geschichte entfaltet, werden die Situationen grotesker und unwirklicher. Auf jeder Seite scheint die Grenze zwischen Realität und Fantasie zu verschwinden, und Doug bleibt in einer dunklen und kalten Wüste gefangen, wo er mit seinen Fehlern, seiner verlorenen Liebe, den starren Augen lang toter berühmter Dichter und einem riesigen Meskalwurm konfrontiert wird.
Das Geschehen wird in kunstvollen Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählt. Die gut dreißig Comicseiten sind hervorragend verarbeitet und sehr gut in Szene gesetzt. Wir sehen Doug in realen Situationen aber auch häufig in surrealen Traumsequenzen. Ziel der beiden Macher war es, eine Story zu schaffen, bei der Musik und Bilder sich ergänzen. Das ist absolut gelungen. Das Heft enthält zudem die Lyrics der Songs und ein Nachwort der beiden langbärtigen Musiker.
Musikalisch ist das Album von Beginn an mitreißend, enthält Spuren von Thrash- und Powermetal. Es gibt hymnische Songs, die Dougs selbstbewusstes Auftreten in der Bar beschreiben. „The Barfly“ bietet bierselige Anleihen bevor es umgehend wieder härter wird. Das Banjo kommt in „Worm“ zum Einsatz. Die Story kumuliert aber in „Hymn To A Dead Dog“, das neben der knallharten Attitüde auch ruhige Passagen erzählt und mit starken Doom-Einlagen eine sechsminütige Suite darstellt.
Bleibt zu hoffen, dass das Album nicht nur Soundtrack zum Comic bleibt. Live könnte das ziemlich überzeugend werden, wenn die beiden den Sound mit Mitmusikern auf die Bühne bringen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. 90 Minuten vor Konzertbeginn konnte unser Redakteur Andreas Weist ein Interview mit dem 72jährigen Liedermacher führen. Sein Fazit: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte.
Heute ist das letzte Konzert der „Weltenbrand“ Tour. Wie war es für dich mit großem Orchester auf der Bühne?
Der absolute Traum. Es war sicherlich das Schönste, was ich jemals gemacht habe, weil alle Lieder so klingen, wie ich sie mir beim Komponieren gedacht habe. Es gibt auch einige Stücke von mir, die eher rockiger sind. Die haben wir halt nicht mit dabei. Obwohl auch hier durch unseren wunderbaren E-Gitarristen, den Severin Trogbacher, den ich für ein Genie halte, durchaus rockige Klänge mit rein kommen.
Die orchestrale Seite ist nicht neu für dich?
Nein. Ich bin nun mal ein Musiker, der aus der Klassik kommt. Und meine Ziehväter sind – im Gegensatz zu meinen geschätzten Kollegen – klassische Komponisten. Bei Hannes Wader ist es englischer Folk, bei Reinhard Mey französischer Chanson, bei mir Franz Schubert.
Jetzt kommt diese klassische Seite so richtig durch?
Das war schon immer so. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den 60er Jahren ein Cello mit auf die Bühne brachte. Da musste ich mir unglaubliche Sachen sagen lassen: Das kann man doch nicht machen, mit so einem bourgeoisen Instrument. Aber eine Gitarre ist nicht bourgeois?
Fany Kammerlander am Cello ist eine große Bereicherung für deine Konzerte, oder?
Ja, Fany ist eine große Bereicherung. Aber ein Cello war immer bei mir mit dabei. In den 60ern war es Hildi Hadlich, die ist jetzt in Rente. Und in den 80ern war ich mit einem Kammerorchester unterwegs. Das hatte einen Schlagwerker, weil ich damals Schlagzeugern misstraut habe. Auch zu Recht, weil die meinen Text kaputt geschlagen haben. Schlagwerk ist feiner. Jetzt kenne ich auch Schlagzeuger, die sensibel spielen können, aber das war früher nicht so der Fall. Damals war ich schon in Italien und hatte ein Studio dort. Es kamen immer Musiker zu Besuch. Wenn ein Oboist da war, habe ich was für Oboe geschrieben. Oder für Klarinette, Trompete – es war ein kleines Kammerorchester. Das war damals sehr mutig, denn zu dieser Zeit kam der Punk als neue Musikrichtung auf und das Publikum kam nicht wegen meiner Musik, sondern trotz meiner Musik.
Hast du deine Arrangements damals selbst geschrieben?
Ja, das habe ich alles selbst gemacht. Für Kammerorchester habe ich in vielen Varianten selbst geschrieben. Bis in die 90er habe ich auch einen Großteil meiner Filmmusiken selbst arrangiert. Bei „Schtonk!“ allerdings nicht mehr. An großes Orchester habe ich mich nicht ran getraut. Da fehlte mir die Erfahrung. Man muss selbst in einem großen Orchester gespielt oder es dirigiert haben.
Und jetzt? Die neuen Arrangements?
Jetzt hat es der Jo Barnikel gemacht. Er kennt mich seit 25 Jahren und weiß, wie ich ticke. Er hat das wahnsinnig feinfühlig gemacht und er hat, was ich ihm hoch anrechne, keine persönliche Eitelkeit. Es gibt Arrangeure, die wollen unbedingt ihren eigenen Stil durchsetzen, aber das wäre bei meinen Liedern einfach falsch, denn die haben schon ihren eigenen Stil. Der Jo weiß, wie ich empfinde, und hat sich auch gut angehört, was ich früher alles geschrieben habe. Interessanterweise sagte mal ein Pianist zu mir, dass er genau merkt, dass ich beim Komponieren eigentlich orchestral denke und nicht pianistisch. Und so ist es auch. Ich bin groß geworden mit Verdi, Puccini und Mozart. Mein Vater war Opernsänger. Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich nur klassische Musik gehört – doch dann kam Janis Joplin. Sie hat mir eine andere Richtung gezeigt.
Du hast auf deinen Konzerten schon Aufnahmen vorgespielt von dir und deinem Vater. Das fand ich sehr berührend.
Ja, das war „La Traviata“. Ein Wunder, dass es das noch gibt. Meine Mama hat die Aufnahme aufbewahrt. Es war 1959 und eines der ersten Tonbandgeräte, die man als Privatmann kaufen konnte: ein SAJA – das werde ich nie vergessen. Vorher hatte nur der Rundfunk solche Geräte. Meine Mama hatte diese alten Bänder aufgehoben und wir haben sie irgendwann digitalisiert. Davon gibt es noch viel mehr.
War es schwer für dich, bestimmte Titel für die „Weltenbrand“ Tour auszuwählen? Du gehst ja einige Jahrzehnte weit zurück.
Ja, aber auch nein. Ich habe einfach viele Lieder, die von Haus aus orchestral gedacht waren. Und dann habe ich auch einige dabei, die ich allein am Klavier spiele, zum Beispiel „An meine Kinder“.
Warum hast du den Titel „Weltenbrand“ gewählt, der doch sehr politisch ist?
Weil ich unbedingt auf die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg hinweisen wollte. Der Titel erinnert daran. Ich habe mich mein Leben lang intensiv mit der Räterepublik beschäftigt. Davon werde ich auch im Konzert heute sprechen. Was war das für eine blühende Zeit in der Weimarer Republik mit großartigen demokratischen Ideen wie dem Frauenwahlrecht und wie schnell ist das kaputt gegangen. Dabei ist das Lied „Weltenbrand“ eher ein philosophisch-lyrisches. Aber der Titel ist deutlich. Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass ich das Programm so nennen will.
Und wie geht es im neuen Jahr weiter?
Das nächste Programm heißt „Utopia“. Da werde ich die Grundidee dieses Weltenbrands weiterführen und sagen, wir dürfen nie die Utopie der herrschaftsfreien und liebevollen Gesellschaft aufgeben. Wenn wir nicht einmal die Utopie in uns tragen, dann sind wir rettungslos verloren. Dann haben die Angepassten, die uns immer als naiv, verrückt und als Spinner bezeichnen, gewonnen. Dann überrollen uns das Kapital und die Wettbewerbsgesellschaft. Das darf nicht sein. Aber ich bin guter Dinge. Die nächste weltweite Revolution muss eine weibliche sein, da bin ich mir ganz sicher. Es ist gar nicht anders möglich. Selbst in der Türkei gibt es einen Aufstand der Frauen gegen Erdogan. Was meinst du, wie den das ärgert? Davor hat er am meisten Angst. Genauso ist es in Südamerika. Auch „Fridays for Future“ ist von Frauen gemacht. Nicht nur wegen Greta. Die meisten Aktivisten sind Mädchen. Eine herrschaftsfreie Welt ist ohne wirkliche Gleichberechtigung nicht möglich. Das fehlt uns auch hier. Es ist besser als im Iran, aber es ist noch keine Gleichberechtigung. Eine Politikerin der Grünen sagte mir mal, wenn sie in der Politik aufsteigen wolle, müsse sie männliche Machtstrukturen ausüben, was sie aber nicht will. Das ist die Gefahr. Das Patriarchat ist fünf- oder zehntausend Jahre alt. Wenn eine Frau sich wie ein Mann aufführt, wie Marine Le Pen, dann haben wir auch keine weibliche Politik.
Wie stehst du denn zu Angela Merkel? Bist du versöhnt mit ihr aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik?
Ich war mit ihr nie politisch einer Meinung, aber spätestens seit „Merkel muss weg“ war ich auf ihrer Seite. Sie hat zwei herausragende Eigenschaften, die mir sehr imponieren: Sie ist nicht eitel und sie ist nicht korrupt. Ich halte sie für eine wirklich unbestechliche Person – im Gegensatz zu unserem Herrn Scheuer, dem die Autoindustrie aus den Ohren rausschaut. Auch wenn ich anderer Meinung bin, habe ich schon eine Achtung vor Frau Merkel.
Wird es zum neuen Programm auch ein Lied mit dem Titel „Utopia“ geben?
Vielleicht – das weiß ich noch nicht. Ich muss ja bei den Liedtexten immer warten, bis sie mir passieren. Ich kann sie nicht erzwingen. Das konnte ich noch nie. Ein paar neue Stücke habe ich geschrieben und ich werde noch einige Vertonungen von Mühsam, Kästner und Mascha Kaléko machen, also von den verbrannten Dichtern. Und ich werde zwei Schauspielerinnen dabei haben, die auch Texte sprechen.
Vielen Dank, Konstantin! Eine letzte Frage hätte ich noch: Meine Frau meinte, ich soll unbedingt nach der bunten Kette fragen, weil es da doch sicher eine Geschichte zu gibt.
Natürlich. Das kommt aus der Kultur des Friedens, der ich sehr verbunden bin. Da war ja früher auch Mikis Theodorakis dabei und viele tolle Leute. Mit denen war ich kurz vorm Irakkrieg in Bagdad. Wir haben diese Kette entworfen und verkauft. Der Erlös ging an Kinder dort. Wir haben Kindern geholfen, die mit 7 oder 8 Jahren in Bagdad arbeiten mussten. Wir halfen, damit sie in die Schule gehen konnten. Ich hatte auch ein Patenkind dort, Amir, aber dann kam der Krieg und der Kontakt ist abgebrochen. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Diese Friedenskette hat die „PACE“-Farben und dient jetzt anderen wohltätigen Zwecken.
Ganz lieben Dank für das Interview und deine Zeit. Gleich ist Einlass. Ich wünsche dir und uns ein tolles letztes „Weltenbrand“ Konzert.
Es war wundervoll, so ausgiebig und intensiv mit Konstantin sprechen zu können. Wir waren direkt beim „Du“ und ich bewundere seine Offenheit in den angesprochenen Themen. Mein Dank geht an den Tourleiter Peter Ledebur für die perfekte Betreuung vor Ort, an Mark Dehler von Netinfect für die Vermittlung des Interviews und natürlich an den lieben Konstantin, der den Abschluss der „Weltenbrand“-Tour zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Wir freuen uns auf „Utopia“ und die nächsten Weisheiten des unermüdlichen „Kämpfers für eine herrschaftsfreie Welt“. PACE!
„The Slim Shady LP“ erschien ursprünglich im Februar 1999. Das gemeinsam mit Dr. Dre produzierte Album, in dem Eminem aus der Perspektive seines Alter Egos Slim Shady spricht, verschaffte dem Rapper den weltweiten Durchbruch. Es war das zweite Album nach dem nicht chartrelevanten „Infinite“ und es sollte das letzte bleiben, das es nicht auf Platz 1 der US-Charts schaffte.
“The Slim Shady LP” verkaufte sich über 18 Millionen Mal und erhielt im Jahr 2000 bei den Grammy Awards die Auszeichnung “Bestes Rap-Album des Jahres”. Zudem erklomm es innerhalb kürzester Zeit Platz 2 der Billboard 200 Charts. Mit der steigenden Popularität begannen auch kontroverse Debatten über die Texte des Rappers, die sich Themen wie Gewalt, Drogen und Sex widmeten. Im Song „’97 Bonnie and Clyde“ beschrieb er etwa, wie er mit seiner Tochter an den Strand fährt, um die Leiche ihrer Mutter loszuwerden (eine Szene, an die sich auch das Albumcover anlehnt), während der Song „Guilty Conscience“ Eminem und Dr. Dre als gute und böse Seite eines Menschen erscheinen lässt.
Der Meilenstein feierte im letzten Jahr Jubiläum und Eminem präsentierte bereits im Februar mit der “Expanded Edition” den perfekten Release, um sein Kultwerk zu feiern. Zudem erschien am 13. Dezember eine 3LP/2CD Version der “Expanded Edition” und enthält neben dem Originalalbum auch exklusives Bonusmaterial.
Neben Hits wie “My Name Is” oder “Role Model”, welche den damals noch relativ unbekannten Rapper über Nacht in einen Mega-Star verwandelten, gibt es nun zehn weitere Bonus Tracks. Es sind die beiden A-cappella-Versionen und „Get You Mad“, die man schon von der alten Special Edition kennt, außerdem Freestyles, Instrumentals und weitere Raritäten – etwas wirklich Neues ist aber nicht dabei. Die Vinylversion des Albums kommt als Bonus noch mit einem exklusiven Poster.
Das Kultalbum hat den Erfolg des Rappers aus Detroit begründet und ihn zum Superstar gemacht. Dass ausgerechnet einen weißer Rapper diese Erfolge feiern sollte und neuen Flow in die eingefahrenen Rap-Spuren brachte, war ein Weltereignis. Hinzu kommt die perfekte Produktion des Albums. Was soll man sagen? Ein Muss – auch wenn man sich mehr Bonusmaterial gewünscht hätte.
Eines der besten Konzerte im Jahr 2019 durfte ich erleben, als das Jahr schon fast zu Ende war. Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. Es war ein großes orchestrales Ereignis, das die Zuschauer in der alten Industriehalle erleben durften. Es war etwas chaotisch, bis jeder seinen Platz gefunden hatte, denn das Konzerte sollte eigentlich in der Rheingoldhalle stattfinden, die aufgrund eines Brandes für längere Zeit gesperrt ist. Doch mit vereinten Kräften schafften es die Veranstalter vom Frankfurter Hof, jedem seinen Sitzplatz zuzuweisen.
Ich wurde um 16 Uhr darüber informiert, dass ich ein Interview mit Konstantin Wecker führen kann. Also ab ins Auto, Sprint nach Mainz und gegen 18.30 Uhr den gut gelaunten Liedermacher beim Abendessen gestört. Was ich sagen kann: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte. Das komplette Interview könnt ihr in Kürze hier nachlesen.
Knapp nach 20 Uhr betrat das Orchester die Bühne und startete mit „Nur dafür lasst uns leben“, bevor Konstantin schon unter tosendem Applaus die Bühne betrat. Dieses erste Stück ist 40 Jahre alt und aktuell wie eh und je. Das betonte er in seiner ersten Ansage – und stellte sogleich das wundervolle Orchester vor: Zwölf Musiker aus neun Nationen unter der Leitung von Mark Mast. Und der Klang war wirklich gewaltig. Schon im zweiten Stück gab es ausufernde Soli der Instrumentalisten und man konnte nur bewundern, wie alles zusammen harmonierte. Immerhin hatte Wecker auch noch seine rockige Band aus Fany Kammerlander, Jo Barnikel und Severin Trogbacher dabei.
Der Meister selbst intonierte Stücke wie „Schlaflied“ und das bewegende „An meine Kinder“ allein am Piano und sorgte für die ruhigen Momente. Besonders groß aber waren die orchestralen Suiten. Ich denke da an die Vertonung von Goethes „An den Mond“ in atmosphärischen Klängen, oder das morbide „Hexeneinmaleins“ mit virtuosen Rhythmus-Spielereien.
„Und das soll dann alles gewesen sein“ ist ebenfalls ein 40 Jahre alter Song. In der Ansage brach Konstantin eine Lanze für Greta und Fridays for Future, für die Schulschwänzer und Träumer. Klar wünschte er sich die 68er zurück. Im Anschluss zitierte er Erich Kästner: “Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen” und es folgte ein starker Part mit „Frieden im Land“ und „Das macht mir Mut“. Nach diesen deutlichen politischen Statements, die Weckers gelebten Pazifismus ausdrücken, entließ er das Publikum um 21.15 Uhr in die Pause.
Im zweiten Teil wurde deutlich, dass die orchestrale Tour heute Dernière feierte. Zum „Heiligen Tanz“ kamen die Crewmitglieder hinter der Bühne hervor und legten mit Band und Orchester eine heiße Sohle aufs Parkett. Selbst Konstantin, dem nach einigen Worten das Tanzen nicht so liegt, war ausufernd in Bewegung. Seine inzwischen 72 Jahre sah man ihm wahrlich nicht an – vor allem wenn ich bedenke, wie lange das Konzert noch dauern sollte.
Natürlich war das Setting wie gemacht für Ausflüge in die Filmmusik und so kamen die Klänge von „Kir Royal“ mal wieder zu Ehren – ebenso wie der „Tango Joe“ aus dem Soundtrack von „Schtonk!“. Rainer Maria Rilke („Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“) wurde zitiert, bevor der Titelsong „Weltenbrand“ erklang. Ängste und Hoffnungen spielten eine große Rolle in den vorgetragenen Texten und Aphorismen. „Die weiße Rose“, das zu Herzen gehende Lied über Sophie und Hans Scholl, wurde gefolgt vom Text „Warum ich kein Patriot bin“ und dem wundervollen „Ich habe einen Traum“ mit orientalischen Klängen und dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben aller Völker.
Der Zugabenblock begann eigentlich schon kurz vor 23 Uhr, doch der wunderschöne und stimmungsvolle Konzertabend wollte einfach kein Ende nehmen. Dass das klanggewaltige „Sage Nein“ mit seinem Aufruf zum Widerstand als Orchesterhymne in den Abschlussblock gehörte – geschenkt. Bei den mitreißenden italienischen Nummern „Questa nuova realtà“ und „Gracias a la Vida“ war Konstantin im Publikum unterwegs, schüttelte Hände, umarmte die Menschen, tanzte mit ihnen – es waren wundervolle Momente, die man da sehen und erleben durfte. Es wurde aus voller Kehle gemeinsam gesungen, als er das Publikum animierte, den Refrain von „Den Parolen keine Chance“ nochmal anzustimmen, für das er Beethovens „Ode an die Freude“ mit neuem Text versehen hat: „Lasst uns jetzt zusammen stehen, es bleibt nicht mehr so viel Zeit. Lasst uns lieben und besiegen wir den Hass durch Zärtlichkeit.“
Doch immer wieder nahm er die ausgelassene Stimmung zurück und stimmte nachdenkliche Titel an wie „Das Leben will lebendig sein“, ein melancholisches „Lied der Lieder“ über die Deportationen der Vergangenheit und Gegenwart sowie den anrührenden Schluss mit „Schlendern“. Ganz zum Ende (es war fast schon Mitternacht) durfte das – inzwischen ohnehin nur noch stehende Konzertpublikum – dem Rilke-Gedicht „In meinem wilden Herzen“ lauschen, dass jedem ein stimmungsvolles Motto für den Abend und die Nacht mitgab. Ja, Weckers Herz ist weiterhin wild und er füllt es mit Poesie und allgegenwärtiger Lebendigkeit. Ich hoffe, dass er noch lange die Bühnen des Landes bereist und uns auch mit dem neuen Programm „Utopia“ (quasi dem optimistischen Gegenentwurf zum „Weltenbrand“) so bewegen kann.
Für alle, die nicht auf der Tour dabei sein konnten, kann ich das Livealbum „Weltenbrand“ wärmstens empfehlen (HIER findet ihr unsre Review). Obwohl die Orchestertour offiziell beendet ist, gibt es eine letzte Chance: Am 1. Mai 2020 in der Schwarzwaldhalle Karlsruhe. Im Oktober startet dann die „Konzertreise nach UTOPIA“.