Was Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn für den Schlager, das sind Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys für den Italo-Pop. Die sechsköpfige Band – beheimatet in Augsburg und München – greift jedes Klischee einer schmalzigen italienischen Kitsch-Combo auf. Das bringt zugleich Sehnsucht nach dem Süden, gute Laune und Klamauk mit sich, vor allem aber viel Ironie und Popkritik.
Für den Ausflug in die heile Pastellwelt der Italoboys hat sich die Band eine Legende gestrickt: Sie wurde angeblich 1982 als Duo gegründet, um 2016 eine große Reunion zu feiern. Und seitdem geht es steil bergauf! So passte es wie die Faust aufs Auge, dass schon das erste Album den Titel „Greatest Hits“ trug. Und mit dem Zweitling „Mille Grazi“ gibt es wieder ein Feuerwerk südländischer Lebensfreude.
Witzig allein schon, dass neben dem Leadsänger Roy Bianco auch Die Abbrunzati Boys nur eine einzige Person und damit der zweite Teil des Duos sind. Hinzu kommt eine vierköpfige Band inklusive Trompete, die einen peppigen Sound abliefert.
Musikalisch knüpft der Langspieler bei den Klangwelten des vorherigen Albums an und erweitert das musikalische Spektrum der Gruppe immer weiter. Das bedeutet Italo-Pop und Italo-Schlager im Panorama, als Herzstück jedes Titels. En Detail finden sich in den Songs Avancen und Annäherungen mit dem Indie-Rock der Gegenwart, Pop-Arrangements wie in großen Hits der Boyband-Ära während den 90er Jahren und manchmal ein Ausbruch zwischen lateinamerikanischen Rumba-Beats und drückenden NDW-Elektro-Drums. Und ganz selbstverständlich gibt es auch Einschläge in den Austro-Pop.
Selbst wenn vieles davon erstmal schräg anmutet, im Konzept von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys fällt alles natürlich auf seinen richtigen Platz und man schafft eine heile Welt, die heil bleibt. Inhaltlich begibt sich das Album auf große Erzählreise der Geschehnisse um die Gruppe durch die Geografie des italienischen Stiefels.
Mit „Brennerautobahn“ kickstartet das Album auf einer Fahrt im Alfa Romeo entlang der Autostrada 22 in Richtung Adria und fesselt ab dem ersten Takt des A-cappella-Intros. Anschließend landet man mit „Quanto Costa“ in der ewigen Stadt Rom, wo man sich im Irren und Wirren einer nicht erwiderten Liebe verlieren kann.
Nach diesem hitzigen Start findet man Abkühlung und einen sommerlichen Flirt zum Song „Tage Am Pool“. Beim nächsten Titel „Miami Beach“ landet man, wer hätte es gedacht, in Amerika. Der Titel handelt ganz selbstreflektiert von Roys kaputter Ehe Mitte der 90er und der tropischen Hitze direkt am Ocean Drive.
Danach ist aber wieder Highlife und Konfetti mit „Colapablo“. Man genießt eisgekühlte Getränke und treibt ausgelassen durch Rio de Janeiro. In „Giro“ schreibt sich zu Italo-Disco eine Geschichte über das Rennradfahren. So werden nach und nach die großen italienischen Themen abgehakt bis hin zu den dunklen Geschäft kalabrischer Machenschaften in „Cosenza bei Nacht“.
Ein hymnischer Abschluss entführt zu guter Letzt an einen kulinarischen Ort, den auch mittlerweile jede und jeder kennt: „Sprizz“. Eine schwelgende Ode auf das Lieblingsgetränk der Gruppe setzt den spektakulären Schlusspunkt auf dieser Platte, bevor der Choral „Sic transit gloria mundi“ („So vergeht der Ruhm der Welt“) den wortgewandten Bogen zurück zum A-cappella-Start des Albums schlägt.
Der Hörer bekommt in einer guten Dreiviertelstunde alle Klischees geboten, die er längst so lieb gewonnen hat. Am besten funktioniert die bunte Mischung natürlich auf den Livekonzerten der Band, doch mit diesem Album kann man sich perfekt darauf einstimmen und den kurzfristigen Wintereinbruch zum zweiten April-Wochenende vergessen.
Bald geht’s auf Tour: „GREATEST HITS“ 2022
- SA 23.04.22 Wien (AT) – Arena
- SO 24.04.22 München – Tonhalle
- MO 25.04.22 Dornbirn (AT) – Conrad Sohm
- MI 27.04.22 Basel (CH) – Sommercasino
- DO 28.04.22 Bern (CH) – ISC Club
- FR 29.04.22 Luzern (CH) – Sedel
- SA 30.04.22 Karlsruhe – Substage
- SO 01.05.22 Saarbrücken – Garage (hochverlegt)
- MO 02.05.22 Wiesbaden – Schlachthof (hochverlegt)
- MI 04.05.22 Köln – Gebäude 9
- DO 05.05.22 Dortmund – Junkyard
- FR 06.05.22 Münster – Sputnikhalle (hochverlegt)
- SA 07.05.22 Würzburg – Posthalle (hochverlegt)
- SO 08.05.22 Hannover – Musikzentrum
- DI 10.05.22 Hamburg – Mojo
- MI 11.05.22 Berlin – SO36
- DO 12.05.22 Leipzig – Naumanns
- FR 13.05.22 Dresden – Groove Station
- SA 14.05.22 Erlangen – E-Werk