Zwischen 1987 und 1993 feierte Rick Astley riesige Erfolge mit Hits wie „Never Gonna Give You Up“, „Whenever You Need Somebody“, „Together Forever“, „Take Me to Your Heart“ und „Cry for Help“. Damals wirkte der Brite eher wie eine Marionette des Songwriter- und Produzenten-Trios Stock Aitken Waterman. Die Blaupause der Radio- und Discohits sah vor, dass er mit souliger Stimme zu den Dancefloorhits performte und die Menge zum Discofox animierte. Das vierte Album verkaufte sich mit Beginn der Grunge-Welle nicht mehr gut und Rick Astley zog sich zugunsten seiner jungen Familie aus dem Showgeschäft zurück.
Das könnte das Ende der Geschichte sein, doch tatsächlich gab es ein unerwartetes Comeback. Zunächst eher scherzhaft, als in den sozialen Medien das „Rickrolling“ zum Trend wurde, bei dem User sich einen Spaß daraus machten, Andere unter Vorspiegelung sensationeller News zu einem Tanzvideo von Astley zu locken. Auch der Text von „Never Gonna Give You Up“ war immer gut geeignet, im Wahlkampf „Rick Astley for President“ zu fordern. Eine große Verarsche des einstigen Nummer-1-Helden also, doch dann war er es selbst, der alle überraschte.
Zum 50. Geburtstag erschien mit „50“ ein sensationell gutes Soulalbum, mit dem wohl niemand gerechnet hätte. Astley präsentierte sich selbstbewusst und mit sonorer Gänsehautstimme. Schon zwei Jahren später gab es mit „Beautiful Life“ ein weiteres neues Album, auf dem Rick jeden einzelnen Song selbst komponiert, jedes Instrument selbst eingespielt und jede Note selbst eingesungen hat. Der Mann gehört definitiv nicht zum alten Eisen und weiß zu begeistern.
Jetzt beweist „Are We There Yet?“ erneut, dass noch viel Musik in ihm steckt. Nichts mit Dancefloor und elektronischem Geplänkel. Stattdessen gibt es hausgemachte Soulmusik mit einem Hauch von Gospel. Organische Songs, allesamt selbst geschrieben und produziert. Und wieder spielt der Meister alle Instrumente selbst.
Die Vorfreude auf das Album wurde durch die Liebe zu den ersten beiden Singles „Dippin My Feet“ und „Never Gonna Stop“ noch gesteigert, und dann schlug Rick mit der neuen Single „Forever and More“ einen stimmungsvolleren Ton an. Mit seiner kraftvollen Soulstimme, einer Stimme voller Erfahrung, erzählt er die Geschichte einer flüchtigen Liebe, die kommt und geht. Auch der Text passt zur Jahreszeit: „You’re gone, like a summer ghost at the end of September“.
Auf dem ganzen Album pulsiert „Are We There Yet?“ mit Anklängen an Ricks vorherrschende Einflüsse: dem zeitlosen Soul von Bill Withers, Al Green und Marvin Gaye. Der Song „Maria Love“ erinnert an die Rassenunruhen von 1969 und sticht mit seinen Bläsern und seiner leidenschaftlichen Dramatik besonders hervor, während „Waterfall“ mit Ricks persönlichen Gedanken zu den Herausforderungen und Freuden der Liebe in eine langsam brennende R&B-Ballade abtaucht. „Close“ bringt einen modernen Pop-Touch in Ricks stets klassisches Songwriting, bevor „Blue Sky“ den Vorhang mit wunderschöner, schnörkelloser Schlichtheit auf Klavierbasis fallen lässt.
Insgesamt beweist das Album, dass Rick sich weiterhin dadurch auszeichnet, dass er sowohl unabhängig als auch ganz nach seinen eigenen Vorstellungen Musik macht. Der quengelnde Albumtitel erinnert an lange Autofahrten mit den Kids, wenn die Frage „Sind wir bald da?“ schon nach den ersten paar Kilometern ertönte. Für Rick Astley kann man sich nur wünschen, dass er das Ziel seiner Reise noch lange nicht erreicht hat. Er wird einfach immer besser!