Auch nach fast vierzig Jahren ist jedes Konzert der britischen Independent-Rocker New Model Army ein Event – für Fans und Follower genauso wie für die umtriebigen Bandmitglieder, in deren Mitte nach wie vor der charismatische Frontmann Justin Sullivan steht. Der aktuelle Teil der „From Here“ Tour stand zeitweise unter keinem guten Stern, da Gitarrist Marshall Gill aus familiären Gründen eine Tourpause einlegten musste. Doch das verbliebene Quartett kann dies gut wettmachen, was vor allem an den multi-instrumentalen Fähigkeiten von Keyboarder Dean White liegt. Man musste sich also auch beim Konzert in der Eisenbahnhalle Losheim am See keine Sorgen machen, ein reduziertes oder verzerrtes Set vorgesetzt zu bekommen.
Den Anfang im Saarland machte aber die Trierer Band vandermeer – benannt nach der stimmgewaltigen Frontfrau Harmke van der Meer. Im März hatte man das zweite Album „Panique Automatique“ veröffentlicht, das das Quartett nun mit soliden Klängen zwischen Independent-Rock und -Pop sowie einigen sphärischen Ausschweifungen vorstellte. 45 Minuten ließ man ihnen dafür Zeit – und sie nutzten diesen Slot ganz überzeugend, was bei einer Menge, die mit viel Spannung auf ihre persönlichen Helden wartet, nicht ganz einfach ist.
Um 21.20 Uhr betraten Justin & Co. unter Donnerschlägen die Bühne. Der Klassiker „Nor Rest“ bot einen überzeugenden Start. Überhaupt wurde die Setlist von vier Publikumslieblingen als Eckpfeiler markiert: Der Politsong schlechthin, „51st State“, sollte noch folgen. In der Mitte gab es eine gewohnt energische Version von „Here Comes The War“ und den Abschluss des Hauptsets bildete „Get Me Out“. Damit waren viele Fans der alten Tage schon zufrieden gestellt.
In der Hauptsache ging es aber um das neue Werk „From Here“ – und das hatte (nicht nur bei Musicheadquarter) hervorragende Kritiken eingeheimst. Viele waren sich einig, dass es das beste Army-Album des neuen Jahrtausends ist. „Endlich mal wieder ungeschliffen, rau, mit Ecken und Kanten, ein bißchen back to the roots und gleichzeitig ungemein frisch und vital“, so hat Kollege Kröll geschrieben (HIER die komplette Review). Ganze sechs Titel davon gab es im ersten Teil – und diese standen verdient im Mittelpunkt.
Natürlich vermittelte Justin Sullivan politische Botschaften. Grund genug gab es ja am zwischenzeitlich geplanten EU-Austrittsdatum der Briten („Talking about fucking Brexit“). Das „51st State“ direkt im Anschluss folgte, war das perfekte Statement. Trotzdem dauerte es etwas, bis der letzte Funke beim Publikum wirklich übersprang. Erst spät stieg der erste Follower zur persönlichen Performance auf die Schulter seines Kameraden. Und war im Verlauf des Abends auch der Einzige. Echte wallende Bewegung kam in die vordere Zuschauerhälfte auch erst bei „Get Me Out“ – aber das sah dann gleich aus wie in alten Zeiten.
Das Quartett bot bisweilen starke Tribals und atmosphärische Keyboardpassagen. Dann einen Fronter, der ganz allein mit Mittelpunkt der Bühne stand, entweder von einem Strahlenkranz blauer Lichter eingerahmt oder mit Akustikgitarre ein berührendes „Over The Wire“ anstimmend. Zum Ende hin gab es einige Stücke, die Justin passen als „Redemption Songs“ ankündigte.
Sullivan machte das anstehende Jubiläum zum Thema und vermerkte zur Freude der Anwesenden: In 2020 werden wir wohl mehr alte Songs spielen. Gut so! Aber auch mit den neueren Stücken war es ein gelungener Abend, der zunächst drei Zugaben mit sich brachte und beinahe nach gut 90 Minuten geendet hätte. Das Publikum ließ aber trotz Saallicht nicht locker und man kam zu einem verdienten Abschluss mit „125 Mph“. Die Eisenbahnhalle war ausverkauft – Grund genug, auch in nächstem Jahr zum Jubiläum wieder ins Saarland zu kommen. Wäre geil!
Setlist NEW MODEL ARMY, 31.10.2019, Eisenbahnhalle Losheim am See
No Rest
Never Arriving
The Weather
The Charge
Watch & Lean
51st State
Believe It
From Here
Where I Am
Wipe Out
Over The Wire
End Of Days
Here Comes The War
Stranger
Ballad Of Bodmin Pill
Fate
Get Me Out
Autumn
Bad Olfd World
Betcha
125 Mph