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13.09.2014 /

Trier machte Lärm gegen Angst – am 13.9.2014 im ExHaus

Samstagabend in der ältesten Stadt Deutschlands. Die Eintracht spielt heute nicht, keine Veranstaltung in der Arena, nach und nach schließen die Geschäfte. Es kehrt Ruhe ein um Porta Nigra und Kaiserthermen. Die letzten Luxemburger fahren gen Heimat und passieren einen Ort, der sich mit jungen Menschen füllt. Genau – hier ist das Leben: Im Exzellenzhaus. Ehemals einem Kloster zugehörig, dann unter Napoleon als Kaserne genutzt und jetzt ein selbstverwaltetes Jugend- und Kulturzentrum.

Hier steht die ExHaus-Sommerbühne und hier fand zum Ende der Saison eines der letzten Open Airs statt. Denn während man in Hunsrück und Eifel schon die Übergangsjacken aus dem Schrank räumt, kann man im Innenhof des ExHauses noch unbeschwert draußen feiern. Das Festival trug den Namen „Angst macht keinen Lärm“. Quasi eine doppelte Verneinung – wir haben keine Angst, wir machen Lärm. Geladen waren nämlich deutsche Punkrockbands allererster Güte (fünf an der Zahl), die sich wie eine große Familie in Trier präsentierten.

Leider habe ich die Bands Freiburg und Düsenjäger verpasst, kam aber pünktlich um 19 Uhr zu Love A auf das sehr gut gefüllte Gelände. Kurz orientiert (veganes Essen, Riesenschlange im Toilettenbereich, überforderter Verkäufer am Viezstand, Antifa-Hütte mit T-Shirts) und ab zur Bühne. Love A haben Mitglieder aus Köln, Wuppertal sowie Trier und nutzten den daraus resultierenden Heimvorteil gnadenlos aus. Es geht um seltsame Nachbarn, Trümmer und Atomstrom. Das aktuelle Album „Irgendwie“ fährt zu Recht überragende Kritiken ein – und da findet nicht nur Punk, sondern auch NDW und Indie seinen Platz. Love A sind eine schlagkräftige, nach vorn treibende Band und haben mit Jörkk Mechenbier einen sympathischen Frontmann, der trotz wild heraus geschriener Vocals immer noch für ein ordentliches Maß an Textverständnis sorgte. Eine Stunde voller Power!

Pascow waren ganz klar die heimlichen Headliner des Open Airs. Und das, obwohl ihr Stern gerade erst so richtig aufgeht. Aus dem benachbarten Saarland stammend hatten auch sie quasi ein Heimspiel. Nicht zuletzt deswegen, weil Schlagzeuger Ollo zugleich Geschäftsführer von Popp Concerts ist, die das Festival veranstalteten. Das aktuelle Album „Diene der Party“ wurde im renommierten Visions-Magazin gar Platte des Monats. Damit sind Pascow ganz oben angekommen. Sänger Alex sah aus, als habe er gerade Feierabend vom Bürojob – doch dann legte er los mit aggressiven Vocals, gebrüllten Lyrics und einer famosen Begleitband, die ihn auch in Trier zu Höchstleistungen trieb. Gerade begonnen ließ er sich schon auf Händen durch die Menge tragen und trug dazu bei, dass die Security von nun an mit Crowdsurfern aller Art die Hände voll zu tun bekam. Die Texte waren kaum zu verstehen – wie sich das gehört – bewegten sich aber im Dunstkreis von philosophischen und politischen Themen, gerne auch mit klarer Abgrenzung zu Bands wie Freiwild. Das Publikum in Trier war außer sich vor Euphorie und Tanzfreude und machte das 70minütige Spektakel zum gelungenen Heimspiel. Wer solches live erleben möchte, sollte Pascow als Support bei manchen Beatsteaks-Konzerten im Auge behalten, so auch am 4. Oktober in Luxemburg.

Turbostaat hatten es schwer im Anschluss, machten aber von Beginn an klar, dass sie sich auch als Headliner hier inmitten eines Line-Ups befreundeter Bands (oder Lieblingsbands, wie Jan Windmeier mit Love A-Shirt sagte) befanden, und hatten zugleich die Sympathien auf ihrer Seite. Die Deutschpunker stammen aus Flensburg und brachten neben lauter Musik auch eine ordentliche Lightshow mit. Ihr Set mit dem Album „Stadt der Angst“ im Mittelpunkt war von den drei gehörten Bands sicher der vielfältigste, da sich dort auch deutliche Elemente aus Wave und Pop in die üblichen Punk-Akkorde schlichen. Ja – das war ein gelungenes Familienfest und die Auftritte der Bands griffen deutlich ineinander. Ein sehr homogenes Festival für Freunde des modernen Deutschpunk. Das kann sich Trier leisten, wenn man zwei solch großartige Bands in den eigenen Reihen hat.