Die Irin Sarah Ress Brennan wurde in der Vergangenheit vor allem als Autorin von Jugendbüchern („young adult fantasy“) bekannt. Ursprünglich sollte auch der neue Roman „Long Live Evil“ ein Jugendbuch werden, doch er hat ein Eigenleben entwickelt und wurde schließlich zu Brennans erstem belletristischen Werk.
Ich habe eigentlich gar kein so großes Faible für Fantasy-Romane. Highlights wie „Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ schaue ich mir viel lieber in filmischer Umsetzung an. Doch in diesem Fall hat mich das ungewöhnliche Thema brennend interessiert – und ich wurde nicht enttäuscht.
Zum Inhalt der Klappentext: Rae hat sich schon immer in die Welt von Büchern geflüchtet, selbst während ihr reales Leben aus den Fugen geriet. Als sie im Sterben liegt, ergreift sie eine zweite Chance zu leben: Ein magischer Handel, der sie in die Welt ihrer Lieblings-Fantasy-Buchreihe eintreten lässt. Dort steht sie plötzlich dem lebenden und atmenden Objekt ihres Schwärmens gegenüber – dem »Einstigen und Ewigen Kaiser« – und dieser würde sie am liebsten tot sehen. In einem Reich am Rande des Krieges ist sie die Schurkin in seiner Geschichte und muss die Kontrolle über die Handlung übernehmen, bevor diese und der Kaiser die Kontrolle über sie übernehmen – auf die tödliche Weise. Rae glaubt zu wissen, wie die Story verlaufen wird, aber schon bald muss sie erkennen, dass Geschichten ein Eigenleben haben können.
Zunächst finde ich es sehr bewegend, wie die Autorin zum Beginn des Romans ihre eigene Lebensgeschichte einer schweren Krebserkrankung mit einbaut hat und diese bei der Protagonistin in ihren Gedankengängen sehr anschaulich beschreibt. Ausweg ist dann – wie so oft im Leben – die Flucht in eine Fantasiewelt, die hier im Roman doch schnell realistische Züge annimmt. Jedenfalls ist man sofort drin in der Story und entwickelt einen Bezug zu den Handlungsfiguren. Das bedeutet zwar zunächst, sehr viele Namen kennenzulernen, doch Held*innen und Schurk*innen gewinnen mit der Zeit an Profil und werden zudem mit prägnanten Spitznamen bedacht, die ihre Eigenschaften treffend beschreiben.
Als Leser kam ich gut in die Geschichte, da auch Rae sich erst in dieser Welt zurecht finden muss, die sie zwar aus den Büchern kennt, die sich aber durch ihr Zutun stetig verändert. Wir lernen mit ihr zusammen, dass nichts gesetzt ist und sie durch ihr Handeln die Handlung beeinflussen kann.
Anfangs hatte ich die Idee, dass Rae ihre Geschichte nur träumt oder fiebert, doch spätestens als sie einer weiteren Figur begegnet, die ebenso aus der realen Welt ins Fantasygeschehen gewechselt ist, habe ich die fiktive Handlung als Raes zugleich reale Handlung akzeptieren können.
Es gibt spannende Entwicklungen, die trotz der räumlichen Enge des Handlungsortes eine breite Erzählweise möglich machen. Der Perspektivenwechsel wird durch treffsichere Cliffhanger ergänzt. Ich wollte immer wissen, wie es weitergeht – mehr kann man von einem fesselnden Roman nicht erwarten. Die Charaktere (ob gut oder böse) sind zudem sehr gut gezeichnet. Und natürlich ertappt man sich von Anfang an dabei, dass die Bad Boys & Girls die eigentlichen Held*innen der Geschichte sind und mit ihren Ecken und Kanten viel mehr zu bieten haben als die glattgebügelten Glanzfiguren.
Das Ende nach 592 Seiten schreit jedenfalls nach einer Fortsetzung, auch wenn das Schlussbild sehr schlüssig ist. Diese Story kann noch nicht zu Ende erzählt sein und ich hoffe, dass Sarah Rees Brennan dies genauso sieht.
Für Sammler: Es gibt eine wunderschön gestaltete Farbschnitt-Ausgabe, die das Buch besonders wertig macht. Also schnell zuschlagen, bevor diese limitierte Auflage der normalen Ausgabe weicht.