Muss, soll, kann man im Alter von 30 Jahren schon seine Autobiographie schreiben? Ich denke, das ist eine berechtigte Frage. Aber wenn man liest, wie Vanessa Mai die gut 270 Seiten von „I Do It Mai Way“ gefüllt hat, dann spürt man doch, dass es viel zu berichten gibt und ihr viel auf der Seele liegt. Dabei ist es gar kein „Larifari“ oder „Rumgeeiere“, das sie zu Papier gebracht hat, sondern eine spannende Lebensgeschichte, die sich durch Höhen und Tiefen einer Karriere zieht.
Vanessa, die ursprünglich Vanessa Marija Else Mandekić hieß und im schwäbischen Backnang aufgewachsen ist, erzählt ihre Geschichte in chronologischer Reihenfolge und beginnt mit den ersten Bühnenerlebnissen, die sie als kleines Mädchen mit ihrem Vater hatte. Der kroatische Musiker spielte in einer Coverband und Vanessa begleitete die Show bisweilen mit dem Tamburin. Damit war die Basis gesetzt: Die Bühnenluft hatte es ihr angetan und sie träumte von einer eigenen Karriere.
Schon hier wird deutlich, dass Vanessa sehr ehrlich und authentisch erzählt. Der Neid und das Mobbing ihrer Mitschülerinnen werden deutlich zum Thema gemacht. Oft hat sie sich wie eine Außenseiterin gefühlt – und gerade deshalb fand sie ihren Platz auf der Bühne.
Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern hat sie auch kein Problem damit, die Mitwirkung einer Journalistin und professionellen Autorin im Buch zu benennen. Aus dem Impressum geht hervor, dass es Nina Damsch war, die die Autobiographie nach Vanessa Worten aufgezeichnet hat. Und genau so liest sich das Buch auch: als würde jemand frei von der Leber weg seine Geschichte erzählen.
Die angeschnittenen Themen sind umfassend und spannend gesetzt. Da geht es um die ersten Gehversuche als Sängerin, wobei auch die schweren Stunden nicht ausgespart werden. Der Erfolg mit der Band Wolkenfrei führte sie in die Welt des Schlagers, wobei sie doch eigentlich Sängerinnen wie Britney Spears und vor allem Christian Aguilera vergötterte. Dieser Spagat zwischen Pop und Schlager zieht sich durch die ganze Karriere – und man spürt, wie Vanessa bisweilen damit hadert, aber auch immer ihren eigenen Weg findet.
Der Trennung von Wolkenfrei folgt die Lovestory mit Andreas Ferber, dem Stiefsohn von Andrea Berg. Alles nicht unkompliziert und der Weg in die Solokarriere war sicher holprig. Aber sie ist ihn gegangen, mit gelungenen Alben und einer Dauerpräsenz in den Medien. Vor allem die Tätigkeit als Jurorin bei DSDS wird stark beleuchtet – und das schwierige Verhältnis einer Art Hassliebe zu Dieter Bohlen, der es der jungen Sängerin nicht leicht machte aber sie auch musikalisch unterstütze. Das Hamsterrad dreht sich zwischen Florian Silbereisens Schlagerparaden, Shows wie „Let’s Dance“ und „Schlag den Star“.
Der Leser bekommt einen anschaulichen Einblick in die Musikwelt und die Mühen, selbstbewusst eigene Entscheidungen zu treffen. Sicher war es nicht leicht, eine Arena-Tour komplett abzusagen, sich vom langjährigen Tourveranstalter zu trennen und dann in den Wirren der Pandemie trotzdem als Künstlerin zu bestehen. Es scheint fast, als habe sie diese Auszeit gebraucht, zum Wachstum und zur persönlichen Entwicklung, wie ein Kapitel heißt.
Das achte Album in neun (!) Jahren trägt den Titel „Metamorphose“ und sieben Alben haben es in die Top 10 der deutschen Charts gebracht. Vanessa ist emsig, unermüdlich und hat stets neue Ideen. So ist das 17. Kapitel „Und jetzt? Wohin führt der Weg?“ nicht nur Ausblick, sondern auch Rückblick und Zusammenfassung einer außergewöhnlichen Karriere. Vanessa hat in einem knappen Jahrzehnt einen Weg hingelegt, mit dem man locker ein Buch füllen kann. „I Do It May Way“ ist aussagekräftig, spannend geschrieben und ohne gekünstelte Längen. Eine Biographie, wie man sie gern liest.
Das Buch ist edel aufgemacht mit schönem Einband, Lesebändchen und ca. 30 Hochglanzseiten voller Farbfotos. Hinzu kommen Illustrationen auf den ersten und letzten Seiten. Das macht den Schmöker sehr wertig und in sich stimmig.