Ich wette, viele haben Julia Scheeser schon gehört, ohne sich ihrer als Sängerin bewusst zu sein. Als Synchronsängerin hat sie nämlich in den deutschen Versionen der Musical-Verfilmungen Belle („Die Schöne und das Biest“), Jasmin („Aladdin“) und Victoria („Cats“) ihre Stimme geliehen. Mit ihrem Debüt-Album „Kopfkino“ begab sie sich 2019 das erste Mal selbst vor die Kamera und erzählte ihre eigene Geschichte.
Jetzt erscheint mit „Silbertablett“ das zweite Studioalbum der inzwischen 25jährigen Künstlerin aus München. Auf ihrem neuen Album serviert uns Julia Scheeser eine Sammlung persönlicher und mit Liebe zum Detail produzierter Deutschpop-Songs, die sich den Themen einer Mittzwanzigerin stellen. Dabei beeindruckt Julia mit einer starken Stimme, der man die Musical-Erfahrung durchgehend anhört. Sie kann erzählen und bietet eindringliche Momente in einer tiefen, energischen Tonlage – doch besonders beeindruckend sind ihre Ausflüge in höhere Sphären, wenn sie ihren ganzen Stimmumfang zeigt.
In zwölf Songs verarbeitet Julia Scheeser vor allem selbst Erlebtes. Ihre Gedanken bringt sie mit klarer Stimme auf den Punkt, verwebt ihre Geschichten in zeitgemäße Pop-Arrangements und legt bei der Produktion stets Wert auf einen echten Bandsound, der atmen kann. Gemeinsam mit ihrem Mitmusiker und Partner in Crime Elias Kunz gießt sie ihre Gefühle in Musik.
Es gibt viele schwermütige, melancholische Momente wie in „Bei dir“, „Kommen und Gehen (Heimweh)“ und „Neben mir“. Der Song „Pflaster“ räumt mit einer harten Trennung auf. Er ist gezeichnet vom Gefühl, sich ausgenutzt zu fühlen und dem Wunsch, abzuschließen wenn man damit überrumpelt wird, dass es vorbei ist. Die Instrumentierung ist reduziert, Julia Scheesers Gesang durchdringend und roh. „Für den Song haben wir meine erste Demo-Gesangsaufnahme genommen, die wir mit einem ganz einfachen Mikro recorded haben“, erzählt sie. „Wir haben später versucht, den Gesang nochmal aufzunehmen, aber keine Aufnahme hat das Gefühl so vermittelt wie das Demo.“
Doch auch mit Synthie-Stücken wie „A9 (Fang mich auf)“ kann Julia überzeugen und das tangomäßig vertrackte „Legendär“ im Feature mit Rapper Crewkid ist ein echtes Highlight des Albums. Das abschließende „Schäfchen zählen“ wird mit einer Harfe verfeinert – und schon sind 38 Minuten voller filigraner Arrangements vergangen, die Julias Ausnahmestimme untermalen. Sie tut gut daran, aus dem Schatten der im Hintergrund agierenden Sängerin rauszukommen. Da ist Potential für noch viel mehr.