Es wäre vermutlich die große Chance gewesen für Deutschland: Lilly Among Clouds im Jahr 2019 zum Eurovision Song Contest nach Israel zu schicken. Die 30jährige Sängerin aus Niederbayern steht so ziemlich jedem Klischee entgegen, das man im Ausland von Deutschland hat. Elisabeth Brüchner – so heißt die Sängerin mit bürgerlichem Namen, die in der Nähe von Würzburg lebt – bietet kunstvollen Artpop im Stil von Kate Bush, Björk und Florence Welsh. Und nein: Es ist nicht vermessen, sie mit diesen Größen zu vergleichen.
Lilly singt oft mit gepressten Vocals und schlängelt sich gekonnt durch die Oktaven. Von Kopfstimme zu tiefen Klängen und zurück – fast als sei sie im Duett mit sich selbst. Hinzu kommen elektronische Klänge, rhythmische Finessen, hier und da leichte Streicherbegleitung oder ein hartes Stakkato.
Wie auch schon bei ihrem Debüt „Aerial Perspective“ (2017), hat sie das zweite vollständige Album „Green Flash“ zusammen mit Udo Rinklin produziert. Es ist gespickt mit Pop-Ohrwürmern und -Balladen internationaler Klasse und wie schon bei „Aerial Perspective“ ist es diese tief ins Hörer-Herz treffende Stimme, dieser sonore Alt mit filigranem Vibrato, der wie eine rote mächtige Sonne über Lillys so eigener, ein bisschen schüchterner Melancholie schwebt.
Besonders stark wird es, wenn die elektronische Untermalung sanften Pianoklängen und einer zarten Atmosphäre wie bei dem bekannten „Unser Lied für Israel“-Titel „Surprise“ weicht. Ihre Stimme kann jeden verzaubern – und sie singt leidenschaftlich gut aber ohne übertriebenes Pathos.
Viele Stücke handeln von Freundschaft und Liebe, „Look At The Earth“ hingegen widmet sich dem Klimawandel. Es finden sich Balladen, leise und ruhige Töne, aber auch vermehrt tanzbarer Indiepop mit viel Groove wie bei „Boy“. Die Stücke besitzen viel Charme und man kann sich nicht dazwischen ausruhen. Zu vertrackt sind die Arrangements.
Alle Stücke wurden von ihr selbst geschrieben. Lilly spielt Piano, Gitarre und Bass. Ein echtes Multitalent mit einer Stimme, die man nicht vergisst. Sie hat ein Gespür für wundervolle Popsongs ohne Kitsch. Man höre sich nur „Underneath The Surface“ an, das wie ein melancholisches Stück von Lana del Rey startet und im Mittelteil eine enorme Kraft mit Cello-Begleitung entfaltet, bevor es a cappella auf Lillys Stimme zurückfällt. Einzigartig und wundervoll.